Bürgerbeauftragte müssen in ihrer Rolle als Hüter einer guten Verwaltungspraxis anerkannt werden, um erfolgreich und im Interesse der Bevölkerung wirken zu können. Die Organe der EU haben es meinem Büro ermöglicht, das Leitbild eines engagierten Verteidigers der EU und ihrer Bürger*innen zu verwirklichen, das seinen Gründern bei der Schaffung dieser Stelle vorschwebte. Mein Büro ist zwar klein, aber es hat eine wichtige Aufgabe, der ich mich auch künftig mit ganzer Kraft widmen werde.

Emily O’Reilly, Europäische Ombudsfrau

Geschichte der Europäischen Ombudsstelle

Maastrichter Vertrag

1992

Der Maastrichter Vertrag, der einen Artikel über die Einrichtung der Europäischen Ombudsstelle beinhaltet, wird unterzeichnet.

Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten

1994

Das Europäische Parlament nimmt Vorschriften für die Einrichtung der Europäischen Ombudsstelle Statut der Europäischen Ombudsstelle.

Jacob Söderman

1995

Das Europäische Parlament wählt Jacob Söderman (Finnland) zum ersten Europäischen Bürgerbeauftragten; das Büro nimmt die Arbeit auf.

Europäisches Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten

1996

Das Europäische Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten wird gegründet: In diesem Netzwerk sind nunmehr über 95 nationale und regionale Bürgerbeauftragte und Petitionsausschüsse aus 36 Ländern zusammengeschlossen.

Kodex für gute Verwaltungspraxis

2001

Das Europäische Parlament billigt den Kodex für gute Verwaltungspraxis in der von der Europäischen Ombudsstelle erarbeiteten Form; in diesem Kodex sind Leitlinien für den öffentlichen Dienst der EU festgelegt.

P. Nikiforos Diamandouros

2003

P. Nikiforos Diamandouros (Griechenland) wird zum zweiten Europäischen Bürgerbeauftragten gewählt.

Grundsätze des öffentlichen Dienstes für EU-Beamte

2012

Die Europäische Ombudsstelle stellt die Grundsätze des öffentlichen Dienstes für EU-Beamte vor.

Emily O’Reilly

2013

Emily O’Reilly (Irland) wird zur dritten Europäischen Bürgerbeauftragten gewählt.

Parallelen Untersuchungen

2014

Beginn von parallelen Untersuchungen mit dem Europäischen Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten

Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament

2014

Intensivierung der Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament durch Ausschüsse und Anhörungen

Strategischen Untersuchungsabteilung

2015

Erste Ergebnisse der neu geschaffenen strategischen Untersuchungsabteilung

Fast-Track-Verfahren

2018

Einführung neuer Arbeitsmethoden für die Fallbearbeitung und Fast-Track-Verfahren für Beschwerden über den Zugang zu Dokumenten

Emily O’Reilly

2019

Emily O’Reilly für ein neues Mandat wiedergewählt

Hauptarbeitsfelder der Europäischen Ombudsstelle

Transparenz

Transparenz, Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen und Dokumenten

Rechenschaftspflicht

Rechenschaftspflicht und Beteiligung der Öffentlichkeit an der Entscheidungsfindung der EU

Ausschreibungen der EU

Probleme mit Ausschreibungen und Finanzhilfen der EU

Grundrechte

Achtung der Grund- und Verfahrensrechte

Die Europäische Ombudsstelle in Zahlen

Einzelpersonen, Unternehmen, Verbände und die Zivilgesellschaft können sich an die Europäische Ombudsfrau wenden und um Hilfe bei Problemen mit der Verwaltung der EU ersuchen.

In seiner 25-jährigen Tätigkeit hat das Büro über 57 000 Beschwerden bearbeitet.

Die meisten Untersuchungen wurden auf der Grundlage von Beschwerden durchgeführt; die Europäische Ombudsfrau hat jedoch auch die Möglichkeit, Untersuchungen aus eigener Initiative einzuleiten. Seit Beginn der Tätigkeit im Jahr 1995 hat das Büro über 7 300 Untersuchungen durchgeführt.

Eingeleitete und abgeschlossene Untersuchungen, 1995-2019

Eingegangene Beschwerden und eingeleitete Untersuchungen nach Ländern, 2019

Was wir tun

Mehr Transparenz bei den Entscheidungsprozessen der EU

Es ist wichtig, der Öffentlichkeit hinreichende Informationen zur Verfügung zu stellen, damit sie die Politik und die Rechtsetzung der EU nachvollziehen kann und sich sinnvoll am demokratischen Prozess in der EU beteiligen kann.

Die Verbesserung der Transparenz der Entscheidungsprozesse in der EU war zentraler Gegenstand verschiedener Untersuchungen beispielsweise zur Rechtsetzung im Rat, in dem die nationalen Regierungen Rechtsvorschriften erarbeiten; zur Beschlussfassung in der Euro-Gruppe, in der die Finanzminister über politische Strategien für den Euroraum entscheiden; zu Handelsverhandlungen zwischen der EU und Drittländern; oder zu der Art und Weise, wie die Regierungen unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit über jährliche Fangquoten entscheiden.

Verbesserte ethische Normen in der EU-Verwaltung

Die Menschen haben dann Vertrauen in öffentliche Verwaltungen, wenn sie feststellen können, dass die Verwaltungen zum Wohle der Öffentlichkeit wirken und hohe ethische Normen einhalten.

Die EU hat wirksame Vorschriften für Lobbytätigkeit, für Interessenkonflikte und für den Drehtüreffekt (d. h. den Wechsel vom privaten in den öffentlichen Sektor und umgekehrt) erlassen. Voraussetzung für das Vertrauen der Bevölkerung ist jedoch die Durchsetzung und Aktualisierung dieser Vorschriften. Jüngste Untersuchungen der Europäischen Ombudsfrau haben dazu geführt, dass strengere ethische Regeln für die Mitglieder der Europäischen Kommission eingeführt wurden, dass die Durchsetzung der Vorschriften für den Drehtüreffekt verbessert wurde und Leitlinien für EU-Beamte für den Umgang mit Lobbyisten verabschiedet wurden.

Zügigeres Verfahren für die Bearbeitung von Anträgen auf Zugang zu Dokumenten

Der Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten ist eine entscheidende Voraussetzung für die Kontrolle der Politik und der Rechtsetzung der EU sowie der Mittel der EU. Da die Gründe für den Zugang zu Dokumenten häufig rasches Handeln erfordern, hat die Europäische Ombudsfrau ein beschleunigtes Verfahren eingeführt, um die Menschen dabei zu unterstützen, die gewünschten Informationen zu erlangen, solange sie noch aktuell sind.

In jüngsten Untersuchungen hat sich die Europäische Ombudsfrau mit Reisekosten von Mitgliedern der Europäischen Kommission, mit Grenzkontrollmaßnahmen der Europäischen Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) und mit Lobbyismus im Zusammenhang mit dem Forschungsprogramm im Bereich der europäischen Verteidigung befasst. Frühere Untersuchungen der Europäischen Ombudsfrau hatten auch zur Folge, dass die Europäische Arzneimittel-Agentur die Ergebnisse klinischer Versuche für Arzneimittel öffentlich zugänglich gemacht hat.

Partizipative Demokratie auf EU-Ebene

Ein Beitrag, um der öffentlichen Wahrnehmung der EU als bürgerfern und kompliziert entgegenzuwirken, besteht darin, den Menschen die Mitverfolgung der Debatten und Diskussionen auf EU-Ebene und die Beteiligung an diesen Debatten und Diskussionen zu erleichtern.

Die Europäische Ombudsfrau hat dazu beigetragen, die europäische Bürgerinitiative zu verbessern und die Handhabung dieses Instruments der partizipatorischen Demokratie zu vereinfachen; dieses Instrument bietet Bürger*innen die Möglichkeit, bei der Europäischen Kommission die Erarbeitung von Rechtsvorschriften zu einem Problem zu beantragen. Bei anderen Untersuchungen hat die Europäische Ombudsfrau erreicht, dass die Organe der EU größere Anstrengungen unternehmen, um Mitteilungen, insbesondere Mitteilungen der Kommission im Hinblick auf „öffentliche Konsultationen“, in allen 24 Amtssprachen der EU zu veröffentlichen und den Zugang zu Websites zu erleichtern.

Achtung der Grundrechte

Außer den bereits länger bestehenden Rechten, die in den EU-Verträgen und in der Charta der Grundrechte niedergelegt sind, gibt es Rechte, die wie das „Recht auf gute Verwaltung“ und das „Recht auf Zugang zu Dokumenten“ für die Arbeit der Europäischen Ombudsstelle unmittelbar relevant sind.

Der Europäische Ombudsfrau nimmt in ihren Untersuchungen regelmäßig Bezug auf die Charta der Grundrechte. Aufgrund einer dieser Untersuchungen richtete die Europäische Agentur für Grenz- und Küstenwache einen Beschwerdemechanismus für Menschen ein, die der Meinung sind, dass ihre Grundrechte verletzt wurden. Eine andere Untersuchung resultierte in der Entlohnung von Praktikant*innen in Delegationen der EU im Ausland als Maßnahme gegen Ungleichheiten beim Zugang.

EU-Mittel – Probleme mit Verträgen und Ausschreibungen lösen

Immer wieder werden Fälle an die Europäische Ombudsfrau herangetragen, die EU-finanzierte Projekte betreffen und hier in der Regel Probleme, die sich im Zuge von Audits ergeben.

Wird bei einem Audit ein Problem festgestellt, sind die Einrichtungen der EU zur Wiedereinziehung der Mittel verpflichtet. Aufgrund von Missverständnissen oder Fehlern kann die Wiedereinziehung der Mittel jedoch nicht gerechtfertigt sein. Die Europäische Ombudsfrau kann in solchen Fällen, in denen die betreffende Organisation die Arbeiten in gutem Glauben ausgeführt und die Ziele des Projekts erreicht hat, zur Lösung des Problems beitragen.

In einem aktuellen Beispiel änderte die Europäische Kommission ihre Haltung und erstattete Kosten, die dem Europäischen Hochschulverband für ein Projekt entstanden waren, das er zur Förderung der regionalen Zusammenarbeit in Lateinamerika durchgeführt hatte.

Auszeichnung für gute Verwaltungspraxis

Im Zuge ihrer Untersuchungen stellt die Europäische Ombudsfrau immer wieder fest, dass engagierte EU-Beamte ausgezeichnete Arbeit verrichten. Seit 2017 wird die Auszeichnung für gute Verwaltungspraxis verliehen; Ziel ist es, einem größeren Publikum Beispiele dieser guten Arbeit vorzustellen, um einerseits bewährte Verfahrensweisen zu verbreiten und andererseits dazu beizutragen, die Kluft zwischen Bürger*innen und EU-Verwaltung zu überbrücken.

Verliehen werden ein Gesamtpreis und Preise für einzelne Kategorien. Zu den bisherigen Preisträgern gehören Teams der Europäischen Kommission, die sich dafür eingesetzt haben, das Bewusstsein für Verschmutzung durch Kunststoffabfälle zu schärfen; die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit, die auf Risiken für Bienen aufmerksam gemacht hat; und die Europäische Agentur für Netz- und Informationssicherheit, die ein Projekt für europäische Zusammenarbeit initiiert hat.

Europäisches Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten

Die Europäische Ombudsstelle koordiniert das Verbindungsnetz der Bürgerbeauftragten, in dem nationale und regionale Bürgerbeauftragte aus 95 Stellen in 36 europäischen Ländern zusammengeschlossen sind.

Jedes Jahr organisiert die Europäische Ombudsstelle eine Konferenz, um nationale und regionale Bürgerbeauftragte sowie politische Entscheidungsträger der EU zusammenzubringen und auf diese Weise dazu beizutragen, dass Anliegen vorgebracht werden können. Die Europäische Ombudsstelle koordiniert auch Paralleluntersuchungen, bei denen nationale Bürgerbeauftragte an gemeinsamen die EU betreffenden Anliegen zusammenarbeiten. Als Beispiel sei auf eine Paralleluntersuchung hingewiesen, bei der es um die Frage ging, ob Mittel der EU in Einklang mit den Grundrechten verwendet werden; aus dieser Untersuchung gingen Empfehlungen für eine Verbesserung der Überwachung von EU-Mitteln hervor.

Ausblick

In diesem Jahr jährt sich die Gründung der Europäischen Ombudsstelle zum 25-ten Mal. In diesen 25 Jahren hat sich die EU im Zuge von Herausforderungen, sich wandelnden Erwartungen der Bürger*innen und des Beitritts weiterer Mitgliedstaaten tiefgreifend verändert.

In Anbetracht der COVID-19-Pandemie und der derzeitigen Maßnahmen, die darauf abzielen, die grundlegenden Werte der EU neu zu definieren, dürften auch die kommenden Jahre von Wandel geprägt sein. Die Europäische Union steht zudem vor weitreichenden Entscheidungen hinsichtlich der Maßnahmen gegen den Klimawandel, einer menschenwürdigen Migrationssteuerung, des Umgangs mit dem technologischen Fortschritt und der Festigung der Stellung Europas in der Welt.

Meine Aufgabe als Europäische Ombudsfrau ist es sicherzustellen, dass diese Entscheidungen, die sich unmittelbar auf das Leben der Menschen auswirken, von einer EU-Verwaltung getragen werden, die bei allem ihrem Tun die Bürgerinnen in den Mittelpunkt stellt. Ich werde auch künftig bei der Bearbeitung von Beschwerden und der Ermittlung systemischer Probleme darauf hinwirken, dass die Organe der EU die höchstmöglichen Standards für eine gute Verwaltungspraxis einhalten.

Ich danke Ihnen für Ihre Unterstützung und Ihren Einsatz in den zurückliegenden Jahren und möchte Sie auffordern, diese Zusammenarbeit in Zukunft fortzusetzen.

Emily O’Reilly, Europäische Ombudsfrau