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Der Europäische Bürgerbeauftragte Rede -Gibt es den klassischen parlamentarischen Ombudsmann?
Speech - Speaker Jacob SÖDERMAN - City Vienna - Country Austria
V. Pickl, der damalige Leiter der Österreichischen Volksanwaltschaft, vertrat 1987 in einem Artikel im Ombudsmann-Journal die Auffassung, der Ombudsmanngedanke sei im Islam verwurzelt. Diese Vorstellung taucht immer wieder auf und stellt manchmal die Bedeutung der schwedischen Initiative von 1809 in Frage, einen Ombudsmann mit in der Verfassung verankertem Mandat zu wählen - dieser Ombudsmann wird oft als der klassische oder als der klassische parlamentarische Ombudsmann bezeichnet.
Zwar gibt es in der islamischen Rechtstradition den Begriff eines hohen Würdenträgers, der sich mit Beschwerden des Volkes an den Herrscher befaßt. Es trifft ferner zu, daß der schwedische König Karl XII. zu Beginn des 18. Jahrhunderts, also fast 100 Jahre vor der Einführung eines Ombudsmanns durch die Schweden, als er am Hof des türkischen Sultans zu Gast weilte bzw. sich als dessen Gefangener dort aufhielt, in einem Brief an die schwedische Regierung die Einrichtung des Amtes eines Hohen Ombudsmanns anregte. Er scheint dabei von der an diesem Hof üblichen Praxis inspiriert worden zu sein, daß ein hoher Würdenträger für die Beschwerden des Volkes zuständig war. Der Grund für den Aufenthalt des schwedischen Königs am türkischen Hof war die Niederlage der schwedischen Armee bei Poltawa von 1712 gegen den russischen Zaren und dessen Heer, woraufhin er in die Türkei fliehen mußte.
Damit kam aber das Amt des Ombudsmanns noch nicht so zustande, wie wir es heute kennen. Es waren nämlich bei vielen Königshöfen in Europa hohe Beamte für Beschwerden an den König zuständig; einige, darunter der Justicia Mayor von Aragon, gingen eindeutig auf das islamische Beispiel zurück, während in anderen Fällen praktische Gründe ausschlaggebend waren. Nein, die Idee des Ombudsmanns kam in Schweden in einer Verfassungsreform von 1809 auf, als dem schwedischen Ständeparlament, der Ständerna, das Recht zugesprochen wurde, einen Justiz-Ombudsmann zu wählen, nachdem es fast ein Jahrhundert lang beim König um dieses Recht gekämpft hatte.
Als das Parlament das Recht erhielt, den Justiz-Ombudsmann zu wählen, sollte er vom König, dessen Regierung und der Verwaltung völlig unabhängig sein. Das Grundprinzip bestand darin, dem Ombudsmann das Recht zu verleihen, die Rechtmäßigkeit der Verwaltung im Namen der gesetzgebenden Gewalt, gleichzeitig jedoch unabhängig von ihr, zu überwachen. Die Legislative verfügte nicht über das Recht, sich in die Tätigkeiten des Ombudsmanns einzumischen, insbesondere nicht bei der Behandlung eines spezifischen Falls. Allerdings konnte sie sich im Rahmen der Beurteilung seines Jahresberichts zu seiner Arbeit äußern. Der schwedische Ombudsmann erhielt weitreichende Befugnisse: Er war berechtigt, nicht nur die öffentliche Verwaltung, sondern auch das Gerichtswesen zu überwachen, und konnte nicht nur Empfehlungen aussprechen, sondern erforderlichenfalls auch Beamte oder Richter anklagen oder über ihre strafrechtliche Verfolgung entscheiden. Er wurde aufgrund von Beschwerden aktiv und hatte zudem das Recht, selbst die Initiative zu ergreifen. Es sei vermerkt, daß sich der Ombudsmann nicht zur Angemessenheit eines Gerichtsurteils und nur selten zu einem Verwaltungsbeschluß äußert. Seine Aufgabe ist es, sich auf Verfahrensfragen zu konzentrieren, etwa ob jemandem auf faire Weise der Prozeß gemacht wurde, ob eine Durchsuchung legal war oder ob Urteile angemessen begründet sind.
Schließlich ist noch nachdrücklich zu betonen, daß dieser Ombudsmann, der der klassische parlamentarische Ombudsmann sein dürfte, durchaus öffentlich tätig ist. Seine Akten und die Ergebnisse seiner Arbeit sind in der Regel allgemein zugänglich. Der Ombudsmann wird für eine bestimmte Zeit gewählt, und eine Amtsenthebung erfordert triftige Gründe. Eine Wiederwahl ist möglich.
Lange Zeit folgte nur ein Land dem Beispiel Schwedens: Finnland, das 1917 unabhängig wurde, verankerte das Amt des parlamentarischen Ombudsmanns in seiner Verfassung von 1919. Erst 1955 führte Dänemark den Ombudsmann ein, der für die meisten entsprechenden Einrichtungen, zumindest in den Ländern des Commonwealth und beim Europäischen Bürgerbeauftragten, Modellfunktion erlangte.
Oft wird auf das skandinavische Modell Bezug genommen, doch sind das dänische und das norwegische Ombudsmann-Amt (geschaffen 1964) offenkundig anders konzipiert. Man könnte sie vielleicht als moderner bezeichnen; wenn man jedoch nur die Befugnisse betrachtet, handelt es sich hierbei in vielerlei Hinsicht um eine erheblich abgeschwächte Alternative.
Der dänische Ombudsmann verfügt über keine Befugnisse zur strafrechtlichen Verfolgung, kann aber durch einen Anklagevertreter Verfahren einleiten. Er kontrolliert im Grunde genommen nicht die Rechtsstaatlichkeit, sondern konzentriert sich eher auf etwaige Mißstände in der üblichen Verwaltungspraxis. Er hat nicht das Recht, das Justizwesen zu überwachen, und behandelt die meisten ihm vorgelegten Fälle vertraulich. Dieses Modell hat sich weltweit durchgesetzt; 1963 wurde es zunächst in Neuseeland und in den sechziger und siebziger Jahren schließlich auch in vielen weiteren Ländern eingeführt. Ende 1995 hatten 75 Länder, darunter auch 27 europäische Länder, einen Ombudsmann, wenn auch zum Teil mit anderer Bezeichnung. Nachdem sich nunmehr auch Belgien und Griechenland hierzu entschlossen haben, ist der Ombudsmann auf nationaler Ebene heute in 12 Mitgliedstaaten der Europäischen Union eine feste Einrichtung.
In Luxemburg und Deutschland besteht das Recht, auf nationaler Ebene beim Parlament Petitionen einzureichen. In Italien gibt es bislang nur auf regionaler und auf Gemeindeebene Ombudsmänner; von Zeit zu Zeit werden im italienischen Parlament entsprechende Vorlagen eingebracht.
Weshalb war es das dänische Modell, das zur Grundlage für viele der Ombudsmanneinrichtungen wurde? Meiner Meinung nach gibt es dafür drei Gründe: Erstens ist das Kontrollsystem flexibler und weniger gewichtig als das des schwedischen Modells, stießen doch in vielen Ländern vor allem die Überwachung der Gerichte und das Recht, strafrechtliche Verfolgungen durchzuführen, auf heftige Kritik. Zweitens liegt sein Schwerpunkt auf der Verhütung schlechter Verwaltungsarbeit und der Beilegung von Streitigkeiten zwischen den Bürgern und der Verwaltung sowie auf der Entwicklung besserer Verhaltensnormen innerhalb der Verwaltung, was Länder mit einer fest verankerten parlamentarischen Demokratie mehr anzusprechen scheint. Und drittens hat der erste dänische Ombudsmann, Stephan Hurwitz, der Ombudsmannidee weltweit große Popularität verschafft.
Natürlich haben viele Länder durch eigene Ausgestaltungen ihren Beitrag zu diesem Modell geleistet: Frankreich und das Vereinigte Königreich mit dem politischen Filter - eine Beschwerde ist nur mit der Einwilligung eines Mitglieds des Parlaments oder eines Senators zulässig -, Spanien mit seinem weitreichenden, wirkungsvollen Netz regionaler Ombudsmänner in den autonomen Gemeinschaften und Sie hier in Österreich mit Ihrer aus drei Volksanwälten bestehenden Volksanwaltschaft mit einem in der Verfassung verankerten Mandat und dem unabhängigen Recht, die öffentliche Verwaltung zu kontrollieren.
Welches ist nun das beste System, worin besteht die eigentliche Aufgabe eines Ombudsmannes, und gibt es den klassischen parlamentarischen Ombudsmann überhaupt?
1974 definierte die Internationale Anwaltsvereinigung den Begriff "Ombudsmann" folgendermaßen:
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"Ein in der Verfassung verankertes oder durch die gesetzgebende Körperschaft oder das Parlament geschaffenes Amt unter der Leitung eines unabhängigen hochrangigen Vertreters des öffentlichen Dienstes, der der gesetzgebenden Körperschaft oder dem Parlament verantwortlich ist, der Beschwerden von ihrer Rechte beraubten Personen gegen Regierungsstellen, Beamte und Arbeitgeber entgegennimmt oder von Amts wegen handelt und die Befugnis besitzt, Untersuchungen durchzuführen, Verbesserungsmaßnahmen zu empfehlen und Berichte zu erstellen."
Dies ist nach wie vor eine der besten Definitionen, durch die man das Amt des Ombudsmannes zu umschreiben suchte.
Anläßlich der Sechsten Internationalen Ombudsmannkonferenz vom 21. Oktober 1996 in Buenos Aires machte der frühere parlamentarische Vertreter von Neuseeland, Sir John Robertson, in einem umfassenden und interessanten Beitrag die eher pessimistische Aussage, es gebe kein unverfälschtes Modell der Institution des Ombudsmannes, weil jedes Land das Konzept nach seinen eigenen Anforderungen in seine Verfassung und sein politisches System integriert habe.
Ferner erklärte er,
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"daß zu viel Zeit dafür aufgewandt wird, über die Modelle, die weltweit entwickelt werden, zu diskutieren". Und er schloß seine Ausführungen mit der Bemerkung, daß "es letztlich darauf ankommt, inwieweit von Unabhängigkeit überhaupt die Rede sein kann, wenn Vollzugsverfahren der Regierung kritisiert werden, die Regierung für ihre Fehler verantwortlich gemacht wird und sowohl bei der Regierung als auch bei den Regierten Glaubwürdigkeit und Vertrauen hergestellt werden sollen".
Dem Großteil dieser Ausführungen konnte ich zustimmen. Die eben zitierte Aussage weckte in mir jedoch einige Zweifel. Ich spürte eine gewisse Resignation angesichts der derzeitigen Entwicklung der Einrichtung des Ombudsmannes in einigen Ländern, die im Bereich der Menschenrechte wenig Erfolge vorzuweisen haben.
Eine allzu pragmatische Haltung könnte zu einer Verwässerung der Anforderungen für das Amt eines Ombudsmannes führen und sie auf ein Niveau sinken lassen, auf dem etwa das chinesische Ministerium, das sich mit Beschwerden befaßt, oder Fidel Castro selbst beginnen könnten, sich als Ombudsmänner zu bezeichnen.
Selbst wenn der klassische parlamentarische Ombudsmann an sich nur in einigen wenigen Ländern existiert und alle Völker das Recht haben müssen, ihre Modelle zur Kontrolle der öffentlichen Hand entsprechend ihren Verfassungsbedingungen zu gestalten, sollte der erfolgreichen Tätigkeit eines Ombudsmannes stets eine idealistische und unerschütterliche internationale Überzeugung zugrunde liegen.
Diese Überzeugung sollte folgende Bereiche umfassen:
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das in der Verfassung verankerte Mandat, eine Wahl durch das Parlament in geheimer Abstimmung, eine wirkliche Unabhängigkeitsgarantie, den freien Zugang für den Beschwerdeführer und das Recht auf Eigeninitiative, ein weitreichendes Mandat und ausreichende Befugnisse, um unter der Aufsicht der gesetzgebenden Gewalt Untersuchungen durchzuführen und Berichte zu verfassen.
Ich kann gut verstehen, daß dies nicht in allen Ländern und unter allen Umständen möglich ist, und ich respektiere das Recht der Länder, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, doch sollte auf der Grundlage der Merkmale des klassischen parlamentarischen Ombudsmannes stets ein optimales Ziel angestrebt werden. Die Internationale Ombudsmannbewegung muß sich den Grundsätzen der konstitutionellen Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Menschenrechte vorbehaltlos verpflichten, selbst wenn hierbei eine idealistische Komponente mit im Spiel ist. Es ist vielleicht niemals möglich, die Sterne zu erreichen, doch haben die Sterne schon so manchem Seemann in aufgewühlter See den Weg gewiesen.
Im heutigen Europa stehen Ombudsmänner und ähnliche Einrichtungen vor allem vor zwei Herausforderungen: einerseits der wachsenden Notwendigkeit, das Völker- und Gemeinschaftsrecht zu kennen und anzuwenden, und andererseits den raschen Veränderungen in der öffentlichen Verwaltung durch Privatisierungen und die Erteilung öffentlicher Dienstleistungsaufträge nach außen. Früher bestand die größte internationale Herausforderung in der Überwachung der Einhaltung der Internationalen Menschenrechtskonventionen auf nationaler Ebene. Dank der aktiven Rolle, die der Europarat mit seinen halbjährlich stattfindenden Rundtischgesprächen für Ombudsmänner seit 1985 spielt, ist diese Aufgabe fester Bestandteil der meisten Ombudsmanneinrichtungen.
Da die Europäische Menschenrechtskonvention in den meisten Mitgliedstaaten zum innerstaatlichen Recht gehört, ergibt sich kein Problem in bezug auf die Kontrollbefugnis.
In jüngster Zeit hat sich auf Veranlassung des Europäischen Bürgerbeauftragten für die nationalen Ombudsmänner die Notwendigkeit ergeben, genauer zu prüfen, wie das Gemeinschaftsrecht und die durch den Vertrag von Maastricht geschaffenen Rechte der europäischen Bürger auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Zwar bringen vor allem die Bestimmungen über die Freizügigkeit der europäischen Bürger viel Arbeit mit sich, doch glaube ich nicht, daß dies für die nationalen Ombudsmänner eine zu große Belastung darstellen wird. Ich freue mich, bestätigen zu können, daß die Österreichische Volksanwaltschaft von Anfang an voll an dieser internationalen Aufgabe mitgewirkt hat.
Die Umgestaltung und Modernisierung des öffentlichen Bereichs, Möglichkeiten für Einsparungen oder politische Überzeugungen führen zu tiefgreifenden Veränderungen bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben. Ich bin der Auffassung, daß wir hier erst am Anfang eines langen Entwicklungsprozesses stehen.
Mißstände, Bürokratie und mangelndes Entgegenkommen im Publikumsverkehr beschränken sich nicht nur auf den öffentlichen Bereich, sondern finden sich leider auch in der Privatwirtschaft. Für den Bürger, der ein Anrecht auf eine öffentliche Dienstleistung hat, macht es keinen Unterschied, ob er von einer öffentlichen Einrichtung oder einer privaten Firma schlecht bedient wird.
In einer Rechtsgesellschaft ist es daher notwendig, den Bürgern auch dann das Beschwerderecht zu sichern, wenn eine öffentliche Aufgabe von einer Privatgesellschaft oder einer Vereinigung übernommen wird. Meiner Ansicht nach sind die nationalen Ombudsmänner verpflichtet, sich aktiv um die erforderlichen Änderungen der Gesetze oder auch der Verfassung zu bemühen, um eine wirksame Kontrolle der Bürgerrechte in diesem Bereich zu gewährleisten. Dies sollte sowohl für öffentliche Stellen als auch für private Partner gelten, solange die Tätigkeit traditionell öffentlich ist und im wesentlichen aus öffentlichen Mitteln finanziert wird. In dem Streben nach mehr Flexibilität im öffentlichen Dienst sollte das Recht der Bürger auf faire Behandlung nicht vergessen werden.
Es heißt, die Einrichtung des parlamentarischen Ombudsmannes sei die wichtigste Entwicklung der Verfassung in diesem Jahrhundert. Der schwedische Ombudsmann Claes Eklundh zitiert manchmal einen alten religiösen Text aus Schweden, wonach Christus Gottes Ombudsmann auf Erden ist. Als ich parlamentarischer Ombudsmann in Finnland war, hatte ich einen Assistenten, der den Ombudsmann gerne mit dem Heiligen Nikolaus verglich: Er kommt aus dem Norden und tut den Menschen nur Gutes.
Manchmal wird der Ombudsmann mit Batman, Superman oder Robin Hood verglichen. Hier besteht keine Deckungsgleichheit. Diese Denkweise bringt jedoch das Bedürfnis und die Hoffnung der Menschen zum Ausdruck, daß irgendwo hinter dem riesigen, grauen Verwaltungsapparat jemand sein müßte, der dem Mann auf der Straße zu seinem legitimen Recht verhilft.
Ich möchte betonen, daß kein Ombudsmann eine professionell geführte öffentliche Verwaltung und ihre Dienstleistungen oder eine gut funktionierende Justiz, die die Eckpfeiler einer demokratischen Gesellschaft sind, ersetzen kann. Ein aktiver und engagierter Ombudsmann kann die Qualität der Verwaltung aus der Sicht der Bürger verbessern und ihr einen menschlicheren und sozialeren Anstrich geben, indem er den Bürgern zu ihrem Recht verhilft.
Durch unsere Erfolge sind wir für die Bürger unserer Zeit zu einem einzigartigen Werkzeug geworden. Diesen Weg wollen wir fortsetzen!
Ich möchte die Österreichische Volksanwaltschaft anläßlich ihres zwanzigjährigen Bestehens zu ihren umfassenden Leistungen und ihren vielgepriesenen Erfolgen während dieser beiden Jahrzehnte aufs herzlichste beglückwünschen. Sie haben sich unermüdlich für ein humaneres und sozialeres öffentliches Umfeld in Österreich eingesetzt. Ich möchte wünschen, daß Sie hoffnungsvoll, in tiefer Überzeugung und mit voller Kraft der Zukunft entgegengehen und all die Streitigkeiten und Probleme bereinigen können, mit denen Sie auf Ihrem Weg konfrontiert werden.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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