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Europäische Bürgerbeauftragte Empfehlungsentwurf an die Europäische Kommission in der Beschwerdesache 3317/2004/GG

(In Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten(1))

DIE BESCHWERDE

Der Sachverhalt

Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung schuldet er dieser eine beträchtliche Geldsumme (rund 358 000 EUR). Dieser Behauptung (die der Beschwerdeführer bestreitet) liegt offenbar die Auffassung der deutschen Finanzverwaltung zugrunde, dass bestimmte Vermögenswerte, die dem Beschwerdeführer gehören, jedoch im Ausland liegen, in Deutschland versteuert werden sollten.

Im November 2003 forderte die Stadt, in welcher der Beschwerdeführer lebt, diesen auf, seinen Reisepass abzugeben, da davon auszugehen sei, dass er sich durch Absetzung ins Ausland seinen oben genannten steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen suche. Die Stadt ordnete darüber hinaus an, die Gültigkeit des Personalausweises des Beschwerdeführers auf Deutschland zu beschränken, weswegen er das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtmäßig verlassen konnte.

Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein.

Am 30. März 2004 wandte sich der Beschwerdeführer an die Europäische Kommission, um die Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit nach Artikel 18 EG-Vertrag zu rügen. Er machte geltend, dass aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgehe, dass nationale Regelungen, die den grenzüberschreitenden Verkehr behindern, verboten seien. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-415/93, Bosman, Slg. 1995, I-4921. Zudem führte er an, dass die Voraussetzungen für Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Gesundheit in seinem Fall nicht erfüllt seien.

Am 6. Mai 2004 bestätigte die Kommission den Eingang dieses Schreibens und bat den Beschwerdeführer um weiterführende Informationen. In Beantwortung eines weiteren an sie gerichteten Schreibens des Beschwerdeführers vom 18. Mai 2004 ersuchte die Kommission diesen mit Schreiben vom 3. Juni 2004 um eine Kopie seines Widerspruchs, die er anschließend übermittelte.

Am 16. Juni 2004 wies die Kommission darauf hin, dass der Beschwerdeführer ihrer Auffassung nach wegen Steuervergehen verurteilt worden sei. Sie teilte ihm mit, dass dieser Sachverhalt nicht durch das Gemeinschaftsrecht geregelt werde, da kein Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweise. In diesem Zusammenhang verwies die Kommission auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in den verbundenen Rechtssachen C-64/96 und C-65/96, Uecker und Jacquet, Slg. 1997, I-3171. Zudem wies sie unter Bezugnahme auf das Urteil in der Rechtssache C-180/83, Hans Moser gegen Land Baden-Württemberg, Slg. 1984, I-2539 darauf hin, dass „rein hypothetische“ Berufsaussichten in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft keinen hinreichend engen Bezug zum Gemeinschaftsrecht darstellen, um die Anwendung der Bestimmungen über die Freizügigkeit zu rechtfertigen.

In seiner Antwort vom 23. Juni 2004 stellte der Beschwerdeführer klar, dass er nicht strafrechtlich verurteilt, sondern sein Recht auf Freizügigkeit durch eine Behördenentscheidung eingeschränkt worden sei. Grund für diese Entscheidung sei die Tatsache gewesen, dass er Vermögenswerte im Ausland besitze. Das Unterhalten eines Wertpapierdepots im Ausland sei durch die Kapitalverkehrsfreiheit des EG-Vertrags geschützt. Der Beschwerdeführer betonte zudem, dass es in seinem Fall um die konkrete Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit gehe, da er für seinen Arbeitgeber die Betreuung ausländischer Kunden im Ausland übernehmen wolle und eine bereits gebuchte Urlaubsreise ins Ausland aufgrund der Entscheidung der Stadt, in der er lebt, nicht habe antreten können. Des weiteren stelle die Entscheidung der Stadt eine unverhältnismäßige Maßnahme dar. In seinem Schreiben berief sich der Beschwerdeführer auf die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen C-18/95, Terhoeve, Slg. 1999, I-345 und C-357/98, Yiadom, Slg. 2000, I-9265.

In ihrer Antwort vom 20. Juli 2004 wies die Kommission darauf hin, dass der Beschwerdeführer sich offenbar in erster Linie auf die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie die einschlägigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts stütze. Zudem befinde er sich in einem recht fortgeschrittenen Verfahrensstadium bei den zuständigen deutschen Gerichten. Nach Ansicht der Kommission sei es jedoch nicht klar, ob die Befassung des nationalen Gerichts eine aufschiebende Wirkung für die Ausreiseuntersagung zur Folge gehabt habe. Die Kommission führte zudem an, dass der Beschwerdeführer den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) befassen könne, was die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte betreffe, und dass nach Artikel 234 EG-Vertrag allein der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Wege der Vorabentscheidung über die Auslegung des Vertrags entscheiden könne. Der Kommission zufolge war aufgrund der verfügbaren Ausführungen eine abschließende Bewertung des Falls nicht möglich.

In seiner Antwort vom 1. August 2004 wiederholte der Beschwerdeführer seinen Standpunkt. Er betonte zudem, dass es zu diesem Zeitpunkt nur eine Behördenentscheidung gebe, dass der Fall bisher von keinem Gericht behandelt werde und dass sein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung gehabt habe. Daher beantragte er bei der Kommission die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen die Bundesrepublik Deutschland.

Am 18. September 2004 wurde sein Schreiben von der Kommission beantwortet. Sie bestätigte ihre Auffassung, dass Artikel 18 EG-Vertrag unter den aktuellen Umständen nicht anwendbar sei. Der Kommission zufolge ändere die Tatsache, dass der Beschwerdeführer sich als „potenzieller“ Empfänger von Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten erachte, nichts an dieser Schlussfolgerung. Sie betonte, dass bisher nur ein Generalanwalt von „potenziellen Gemeinschaftstouristen“ gesprochen habe, dass der Europäische Gerichtshof dieser Meinung jedoch nicht gefolgt sei. Sie wies zudem darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2003 zwei ähnliche Rechtssachen behandelt habe und schlug vor, dass der Beschwerdeführer sich selbst an diesen Gerichtshof wenden könne. Des weiteren regte die Kommission an, er könne sich schriftlich an das Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf wenden.

Beschwerde 2847/2004/AS

Am 4. Oktober 2004 wandte sich der Beschwerdeführer an den Bürgerbeauftragten (Beschwerde 2847/2004/AS) und machte eine Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit durch die Kommission geltend. Er führte an, dass er zwei Reisen in europäische Länder gebucht habe, die er aufgrund der Entscheidung der Stadt, in der er lebt, nicht habe antreten können. In seinem Schreiben bezog er sich unter anderem auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-10790, Masgio, Slg. 1991, I-1119. Da der Beschwerdeführer kein Belegmaterial zur Verfügung gestellt hatte (und keine Telefonnummer angegeben hatte, unter der das Büro des Bürgerbeauftragten ihn hätte erreichen können), wurde diese Beschwerde am 27. Oktober 2004 auf der Grundlage von Artikel 195 abgelehnt (keine ausreichenden Gründe für eine Untersuchung).

Die vorliegende Beschwerde

Mit Schreiben vom 1. November 2004 (das am 2. November 2004 per Fax gesandt wurde) übermittelte der Beschwerdeführer dem Bürgerbeauftragten Kopien seines Schriftwechsels mit der Kommission. Dieses Schreiben wurde vom Bürgerbeauftragten als neue Beschwerde registriert, in der der Beschwerdeführer im Wesentlichen behauptete, dass die Kommission es unterlassen habe, seine Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Deutschland angemessen zu bearbeiten.

DIE UNTERSUCHUNG

Die Stellungnahme der Kommission

In ihrer Stellungnahme führte die Kommission Folgendes aus:

Am 30. März 2004 habe der Beschwerdeführer bei der Kommission beantragt, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einzuleiten. Gemäß der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht (KOM(2002) 141 endg., ABl. 2002 C 244, S. 5) sei dieses Schreiben als Beschwerde (Nummer 2004/4462) registriert worden, was dem Beschwerdeführer am 27. Mai 2004 mitgeteilt worden sei.

Am 16. Juni bzw. 18. September 2004 habe die Kommission dem Beschwerdeführer ihre Auffassung mitgeteilt, dass seine Situation in die innerstaatliche Zuständigkeit Deutschlands und demnach nicht unter Artikel 18 EG-Vertrag falle. Zudem habe sie ihn auf die Möglichkeit hingewiesen, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder das Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf zu wenden.

Mit Schreiben vom 27. September 2004 habe Beschwerdeführer den Standpunkt der Kommissionsdienststellen gerügt. Die Kommission habe sein Schreiben nicht beantwortet, da es gegenüber dem vorangegangenen Schreiben keine neuen Gesichtspunkte enthalten habe und daher als gleichlautendes Schreiben habe angesehen werden können (siehe Kapitel „Behandlung von Anfragen“ des Kodexes für gute Verwaltungspraxis der Kommission).

Am 9. Dezember 2004 hätten die zuständigen Dienststellen der Kommission beim Generalsekretariat beantragt, das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Die deutschen Behörden hätten der Kommission in der Zwischenzeit mitgeteilt, dass die den Beschwerdeführer betreffenden Einschränkungen noch immer gültig seien und die Sache am 17. Dezember 2004 noch beim Regierungspräsidium von Baden-Württemberg, der Widerspruchsbehörde des Beschwerdeführers, anhängig gewesen sei. Letztere habe der Kommission mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer beim zuständigen Verwaltungsgericht keine vorläufige Entscheidung beantragt habe, was möglich gewesen sei.

Die Dienststellen der Kommission hätten alles ihnen Mögliche getan, um die Fragen des Beschwerdeführers zu beantworten und ihm zu helfen, andere Rechtsbehelfe außerhalb des Gemeinschaftsrechts zu finden. Sie hätten ihm jedoch erklärt, dass der von ihm vorgelegte Sachverhalt nicht unter das Gemeinschaftsrecht falle. Was den Antrag des Beschwerdeführers auf Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens angehe, so seien die Verfahren für die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht eingehalten worden.

Weitere Untersuchungen

Nach einer eingehenden Prüfung der Stellungnahme der Kommission erschienen weitere Untersuchungen erforderlich.

Das Ersuchen um ergänzende Auskünfte

Am 28. Februar 2005 bat der Bürgerbeauftragte daher die Kommission, zu erläutern, wie sie im vorliegenden Fall die in Punkt 10 ihrer Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht vorgesehenen Schutzmaßnahmen eingehalten habe. Punkt 10 dieser Mitteilung sieht vor, dass die Kommission (1) den Beschwerdeführer unterrichtet, wenn sie das Verfahren einstellen will, und (2) ihn auffordert, binnen vier Wochen etwaige Bemerkungen mitzuteilen.

Die Antwort der Kommission

In ihrer Antwort auf dieses Ersuchen um ergänzende Auskünfte wies die Kommission darauf hin, dass im vorliegenden Falle gemäß Punkt 11 der Mitteilung ein vereinfachtes Verfahren angewandt worden sei. Die Kommission bedauerte, dass der Beschwerdeführer von ihrer Absicht, die Einstellung des Verfahrens vorzuschlagen, nicht förmlich informiert worden sei, wie dies in Punkt 10 der Mitteilung vorgesehen sei.

Die Anmerkungen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer übermittelte seine Anmerkungen zweimal, einmal nach Erhalt einer Kopie der Stellungnahme der Kommission und ein zweites Mal nach Kenntnisnahme der Antwort der Kommission auf das Ersuchen um ergänzende Auskünfte. Der Inhalt seines zweiten Schreibens ist jedoch nahezu identisch mit dem des ersten Schreibens.

In seinen Anmerkungen führte der Beschwerdeführer Folgendes aus:

Über den von ihm am 4. Dezember 2003 eingelegten Widerspruch sei noch immer nicht entschieden worden. Auch in dieser langen Bearbeitungsdauer liege eine Verletzung seines Grundrechts auf Freizügigkeit.

Die Entscheidung der Stadt verstoße gegen die Artikel 18 und 39 EG-Vertrag, da sie ihn an einer Ausreise aus Deutschland hindere. Sie sei weder durch die öffentliche Sicherheit, noch durch die öffentliche Ordnung, noch durch die Volksgesundheit gerechtfertigt (Artikel 39 Absatz 3 EG-Vertrag). Die Freizügigkeitsrechte dürften nicht aus fiskalischen Gründen beschränkt werden. Der Passentzug solle ihn daran hindern, im Ausland zu arbeiten, weil die Steuerforderungen im Inland einfacher als im Ausland vollstreckt werden könnten. Diese Gründe der Verwaltungsvereinfachung reichten aber zur Rechtfertigung einer Beschränkung der Freizügigkeitsrechte ebenfalls nicht aus.

In diesem Zusammenhang nahm der Beschwerdeführer auf weitere Urteile des Europäischen Gerichtshofs Bezug.

DIE ENTSCHEIDUNG

1 Einleitende Bemerkung

1.1 Der Beschwerdeführer ist deutscher Staatsangehöriger. Nach Ansicht der deutschen Finanzverwaltung schuldet er dieser eine beträchtliche Geldsumme (rund 358 000 EUR). Im November 2003 forderte die Stadt, in welcher der Beschwerdeführer lebt, diesen auf, seinen Reisepass abzugeben, da davon auszugehen sei, dass er sich durch Absetzung ins Ausland seinen oben genannten steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen suche. Die Stadt ordnete darüber hinaus an, die Gültigkeit des Personalausweises des Beschwerdeführers auf Deutschland zu beschränken, weswegen er das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nicht rechtmäßig verlassen konnte. Gegen diese Entscheidung legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein.

Am 30. März 2004 wandte sich der Beschwerdeführer an die Europäische Kommission, um die Verletzung seines Rechts auf Freizügigkeit nach Artikel 18 EG-Vertrag zu rügen. Er machte geltend, dass aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgehe, dass nationale Regelungen, die den grenzüberschreitenden Verkehr behindern, verboten seien. Zudem führte er an, dass die Voraussetzungen für Beschränkungen des EG-Vertrags aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Ordnung und Gesundheit in seinem Fall nicht erfüllt seien. Im Laufe seines weiteren Schriftwechsels mit der Kommission machte der Beschwerdeführer geltend, dass er Vermögenswerte im Ausland besitze, für seinen Arbeitgeber die Betreuung ausländischer Kunden im Ausland übernehmen wolle und zwei bereits gebuchte Urlaubsreisen ins Ausland aufgrund der Entscheidung der Stadt nicht habe antreten können.

Am 27. Mai 2004 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sein Schreiben als Beschwerde (Nummer 2004/4462) registriert wurde.

In zwei Schreiben vom 16. Juni bzw. 18. September 2004 teilte die Kommission dem Beschwerdeführer ihre Auffassung mit, dass seine Situation in die innerstaatliche Zuständigkeit Deutschlands und demnach nicht unter Artikel 18 EG-Vertrag falle. Zudem wies sie ihn auf die Möglichkeit hin, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder das Zentrum für Menschenrechte der Vereinten Nationen in Genf zu wenden.

In seiner beim Bürgerbeauftragten am 2. November 2004 eingereichten Beschwerde behauptete der Beschwerdeführer, dass die Kommission es unterlassen habe, seine Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Deutschland angemessen zu bearbeiten.

1.2 In seinen Anmerkungen zur Stellungnahme der Kommission vom April 2005 wies der Beschwerdeführer darauf hin, dass über den von ihm am 4. Dezember 2003 eingelegten Widerspruch noch immer nicht entschieden worden sei. Seiner Auffassung nach liege auch in dieser langen Bearbeitungsdauer eine Verletzung seines Grundrechts auf Freizügigkeit.

1.3 Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei der vorliegenden Untersuchung um die Frage geht, ob die Kommission die Vertragsverletzungsbeschwerde des Beschwerdeführers vom März 2004 angemessen bearbeitet hat. Da das (in Ziffer 1.2) genannte Argument der Kommission im Rahmen der Vertragsverletzungsbeschwerde offenbar nicht vorgebracht wurde, kann es in der vorliegenden Untersuchung nicht berücksichtigt werden.

2 Vorwurf der nicht angemessenen Bearbeitung der Vertragsverletzungsbeschwerde

2.1 Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Kommission seine Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Deutschland nicht angemessen bearbeitet habe.

2.2 In ihrer Stellungnahme führte die Kommission im Wesentlichen an, die Angelegenheit angemessen bearbeitet zu haben. Des weiteren war sie der Ansicht, dass die Verfahren für die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht eingehalten worden seien. Zudem wies sie darauf hin, dass die zuständigen Dienststellen der Kommission am 9. Dezember 2004 beim Generalsekretariat beantragt hatten, das Beschwerdeverfahren einzustellen.

2.3 Hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Aspekte wird zunächst darauf hingewiesen, dass in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht (KOM(2002) 141 endg., ABl. 2002 C 244, S. 5) bestimmte Schutzmaßnahmen im Hinblick auf Vertragsverletzungsbeschwerden, die der Kommission vorgelegt werden, vorgesehen sind. Punkt 10 dieser Mitteilung sieht vor, dass die Kommission (1) den Beschwerdeführer unterrichtet, wenn sie das Verfahren einstellen will, und (2) ihn auffordert, binnen vier Wochen etwaige Bemerkungen mitzuteilen. In Beantwortung einer vom Bürgerbeauftragten an sie gerichteten Frage räumte die Kommission ein, diese Voraussetzungen nicht erfüllt zu haben und bedauerte dies. Die Kommission erklärte, dass sie im vorliegenden Fall gemäß Punkt 11 der Mitteilung ein vereinfachtes Verfahren angewandt habe. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass im letzten Absatz des Punkts 11 vorgesehen ist, dass die Kommission, wenn sie beabsichtigt, dieses Verfahren anzuwenden, den Beschwerdeführer nach dem in Punkt 10 vorgesehenen Verfahren unterrichtet. Der Bürgerbeauftragte kommt daher zu dem Schluss, dass die Kommission die in Punkt 10 ihrer Mitteilung vorgesehenen Schutzbestimmungen nicht eingehalten hat. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass die Entscheidung der Kommission, das Beschwerdeverfahren einzustellen, offenbar gefällt wurde, nachdem er die Aufmerksamkeit der Kommission auf die vorliegende Beschwerde gelenkt hatte. Daher ist es umso verwunderlicher, dass die Kommission sich nicht an ihre eigene Mitteilung gehalten hat.

2.4 Was die Sache angeht, so vertritt der Bürgerbeauftragte die Auffassung, dass die Kommission zu Recht darauf hinweist, dass die Bestimmungen des EG-Vertrags zur Freizügigkeit nicht auf innerstaatliche Situationen anwendbar sind, bei denen kein Element über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweist(2). Es ist jedoch zu beachten, dass gemäß Artikel 18 EG-Vertrag jeder Unionsbürger das Recht hat, „sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten“. Dieses Recht umfasst notwendigerweise eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihren Staatsbürgern die Ausreise zu gestatten, um von dieser Freiheit Gebrauch zu machen. Der Bürgerbeauftragte stellt jedoch fest, dass der Zweck der von der zuständigen deutschen Behörde ergriffenen Maßnahme genau darin bestand, dem Beschwerdeführer die Ausreise aus Deutschland unmöglich zu machen. Zudem sei darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer erklärt hat, aus beruflichen und touristischen Gründen in andere Mitgliedstaaten reisen zu wollen. Angesichts der umfassenden Formulierung in Artikel 18 ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass durch diese Bestimmung auch das Recht der Unionsbürger geschützt ist, sich zwecks Urlaubs in andere Mitgliedstaaten zu begeben.

Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in seinem Schreiben an die Kommission vom 23. Juni 2004 geltend machte, dass er eine Urlaubsreise gebucht habe, die er aufgrund der von den deutschen Behörden ergriffenen Maßnahmen nicht habe antreten können. In seinem Schreiben an die Kommission vom 4. Oktober 2004 bezog der Beschwerdeführer sich auf zwei Reisen, die er nicht antreten konnte, eine im Juni und eine im August/September 2004. In einem Schreiben an den Bürgerbeauftragten vom 19. November 2004 (das an die Kommission weitergeleitet wurde) gab der Beschwerdeführer an, dass diese Reisen ihn nach Ungarn bzw. Österreich geführt hätten. In Anbetracht dieser Angaben ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass man nur schwer behaupten kann, die Absicht des Beschwerdeführers, von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, sei hypothetisch gewesen. In jedem Fall ist festzustellen, dass aus den Schreiben der Kommission nicht hervorgeht, dass die Kommission diese Argumente jemals berücksichtigt hat.

2.5 Unter diesen Umständen vertritt der Bürgerbeauftragte die Auffassung, dass die Kommission die Vertragsverletzungsbeschwerde, was deren Inhalt betrifft, nicht angemessen bearbeitet hat. Dies stellt einen weiteren Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

2.6 Um Zweifel auszuschließen, sei darauf hingewiesen, dass die oben genannten Erwägungen nur die Frage betreffen, ob auf die Sache des Beschwerdeführers die Bestimmungen der Gemeinschaft zur Freizügigkeit angewendet werden können. Sollte die Kommission (nach einer eingehenden Prüfung der Argumente des Beschwerdeführers) diese Frage bejahen, könnte die dann bestehende Beschränkung des Rechts auf Freizügigkeit unter Berücksichtigung der „in diesem Vertrag und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ noch immer gerechtfertigt sein. Abschließend sei auch daran erinnert, dass es, sollte die Kommission zu dem Schluss kommen, dass gegen den Vertrag verstoßen wurde, in ihrem Ermessen liegt, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten oder nicht.

3 Schlussfolgerung

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen richtet der Bürgerbeauftragte gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Status des Bürgerbeauftragten folgenden Empfehlungsentwurf an die Kommission:

Der Empfehlungsentwurf

Die Kommission sollte die vom Beschwerdeführer eingereichte Vertragsverletzungsbeschwerde erneut prüfen.

Die Kommission und der Beschwerdeführer werden von diesem Empfehlungsentwurf in Kenntnis gesetzt. Gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Bürgerbeauftragten muss die Kommission bis zum 30. September 2005 eine ausführliche Stellungnahme abgeben. Die ausführliche Stellungnahme könnte in der Annahme der Entscheidung des Bürgerbeauftragten und einer Beschreibung der Maßnahmen bestehen, die zur Umsetzung des Empfehlungsentwurfs ergriffen werden.

Straßburg, den 29. Juni 2005

 

P. Nikiforos DIAMANDOUROS


(1) Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. L 113 vom 4.5.1994, S. 15.

(2) Zusätzlich zu den von der Kommission genannten Fällen siehe auch Wölker/Grill, Kommentar zu Artikel 39 Absatz 11-13, in von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union und zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Ausgabe, Baden-Baden 2003.