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Europäische Bürgerbeauftragte Empfehlungsentwurf an die Europäische Kommission in der Beschwerdesache 1902/2004/GG

(In Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten(1))

DIE BESCHWERDE

Hintergrund

Im Jahre 1998 reichten zwei örtliche Bedienstete der Vertretung der Kommission in Österreich eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragten ein. Die Beschwerde betraf das Versäumnis der Kommission, für die örtlichen Bediensteten ihrer Vertretung in Wien eine Zusatzversicherung abzuschließen (367/98/(VK)/GG). Der Fall wurde abgeschlossen, nachdem die Kommission einen Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten angenommen hatte. Die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall gehörte damals zu den Beschwerdeführern.

Auf Beschluss der Kommission vom 10. Mai 2001 wurde die Beschwerdeführerin vom Dienst suspendiert, weil schwer wiegende Vorwürfe gegen sie erhoben worden waren. Gleichzeitig räumte die Kommission der Beschwerdeführerin die Möglichkeit ein, zu diesen Vorwürfen gehört zu werden. Die Anhörung fand am 12. Oktober 2001 statt.

Mit Beschluss vom 31. Januar 2002 entließ die Kommission die Beschwerdeführerin fristlos. Die Beschwerdeführerin focht diese Entscheidung bei einem österreichischen Gericht an. Der Fall ist derzeit anhängig. Angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin vorgetragen hatte, sie könne als Betriebsrätin von der Kommission nicht fristlos entlassen werden, sprach ihr Letztere am 14. Juni 2002 schriftlich die Kündigung aus (sollte das Dienstverhältnis bis dato nicht rechtswirksam aufgelöst sein).

Daraufhin forderte die Beschwerdeführerin Zugang zu bestimmten Dokumenten, auf die sich die Kommission bei ihrer Entscheidung gestützt hatte. Dieser Antrag führte zur Beschwerdesache 242/2003/GG, die abgeschlossen wurde, nachdem die Kommission der Beschwerdeführerin Zugang zu Teilen der betreffenden Dokumente gewährt hatte. Bei dieser Untersuchung nahmen die Dienststellen des Bürgerbeauftragten Einsicht in die Akte der Kommission, die sich in Brüssel befand.

Die vorliegende Beschwerde

Im Zuge der Untersuchung des Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 242/2003/GG hatte die Kommission der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eröffnet, ihre Personalakte in Wien einzusehen. Die Beschwerdeführerin machte von dieser Möglichkeit Gebrauch.

Am 11. März 2004 reichte die Beschwerdeführerin eine interne Beschwerde bei der Generaldirektion der Kommission („GD“) Presse und Kommunikation wegen Verstoßes gegen „Art. 26 und 24 des Statuts für die Beamten und sonstigen Bediensteten bei den Europäischen Gemeinschaften“ ein.

Gemäß Artikel 24 des Statuts der Beamten leisten die Gemeinschaften ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.

Artikel 26 des Statuts für Beamte der EU schreibt Folgendes vor:

„Die Personalakte des Beamten enthält:

(a) sämtliche sein Dienstverhältnis betreffenden Schriftstücke sowie jede Beurteilung seiner Befähigung,

(b) die Stellungnahmen des Beamten zu den Vorgängen nach Buchstabe a).

Alle Schriftstücke sind in ein Verzeichnis aufzunehmen, fortlaufend zu nummerieren und lückenlos einzuordnen; das Organ darf Schriftstücke nach Buchstabe a) dem Beamten nur dann entgegenhalten oder gegen ihn verwerten, wenn sie ihm vor Aufnahme in die Personalakte mitgeteilt worden sind. (…)

Für jeden Beamten darf nur eine Personalakte geführt werden.

Der Beamte hat auch nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst das Recht, seine vollständige Personalakte einzusehen und gegebenenfalls eine Kopie davon anzufertigen.“

In ihrer Beschwerde an die GD Presse und Kommunikation trug die Beschwerdeführerin vor, dass in ihrer Personalakte mehrere Dokumente ohne ihr Wissen abgelegt worden seien. Andererseits sei der Großteil ihrer Stellungnahmen (einschließlich jener, die von ihr mit „Kopie für den Personalakt“ versehen wurden) zu Dokumenten, die sich in der Personalakte befanden, nicht in der Akte enthalten. Die Beschwerdeführerin führte zwei Dokumente aus ihrer Personalakte (gekennzeichnet als „IV/18“ und „IV/19“) als Beispiele an. Der bestehende Inhalt ihrer Personalakte zeichne ein verzerrtes Bild der Fakten. Es werde eine „parallele“ Personalakte in Brüssel geführt, die Dokumente enthalte, die größtenteils nicht in ihrer Personalakte in Wien erschienen. Abschließend führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Personalakte keine Elemente zur Rechtfertigung ihrer Entlassung enthalte, das heißt keinerlei Dokumente aus der Zeit nach ihrer im Mai 2001 erfolgten Suspendierung vom Dienst.

Ferner machte die Beschwerdeführerin geltend, dass die Kommission ihr den Zugang zur gesamten Akte in Brüssel hätte gewähren müssen. Außerdem erhob sie Einspruch gegen den Beschluss der Entlassung und behielt sich alle weiteren Rechte vor.

In ihrer Beschwerde an den Bürgerbeauftragten vom Juni 2004 bezog sich die Beschwerdeführerin auf ihre Beschwerde vom 11. März 2004 und wies darauf hin, dass sie von der Kommission bisher keine Antwort auf ihre Beschwerde erhalten habe. Somit bestand ihr grundlegender Vorwurf darin, dass die Kommission ihren Pflichten in Bezug auf ihre Personalakte nicht nachgekommen sei.


DIE UNTERSUCHUNG

Die Vorgehensweise des Bürgerbeauftragten

Die Beschwerde wurde der Kommission zur Stellungnahme übermittelt. Um möglichen Unklarheiten vorzubeugen, wies der Bürgerbeauftragte die Kommission und die Beschwerdeführerin darauf hin, dass sich die vorliegende Untersuchung lediglich auf Fragen zur Personalakte der Beschwerdeführerin beziehe und somit nicht die anderen im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. März 2004 erwähnten Punkte umfasse (wie die Frage des Zugangs zu der Akte in Brüssel und die Entscheidung der Kommission, die Beschwerdeführerin zu entlassen).

Die Stellungnahme der Kommission

In ihrer Stellungnahme verwies die Kommission auf die Entscheidung vom 21. Juni 2004, mit der sie das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. März 2004 beantwortet hatte. Die Kommission bedauerte, dass diese Antwort verzögert erfolgt war.

In besagtem Schreiben vom 21. Juni 2004 lehnte die Kommission die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 11. März 2004 ab, da die Artikel 24 und 26 des Statuts nicht auf örtliche Bedienstete anwendbar seien und die so genannte „Personalakte“ in der Vertretung in Wien keine Akte im Sinne von Artikel 26 des Statuts sei.

Ferner führte die Kommission aus, dass es, auch wenn diese Artikel in diesem Fall gelten würden, nicht zulässig wäre, die Akte, die dem Europäischen Bürgerbeauftragten vorgelegt wurde, mit der „Personalakte“ eines Beamten zu vergleichen. Bei der dem Europäischen Bürgerbeauftragten vorgelegten Akte handele es sich lediglich um eine Arbeitsakte, die sich ausschließlich auf das gegen die Beschwerdeführerin eingeleitete Disziplinarverfahren beziehe. Ferner habe die Beschwerdeführerin in diesem Verfahren Zugang zu allen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte vom 8. Mai 2001 aufgeführten Dokumente gehabt, auf die sich die Kommission stützte. Genau dies sei von Artikel 26 des Statuts im Falle von Beamten beabsichtigt (d. h., dass Beschlüsse nicht auf der Grundlage von Informationen gefasst werden, die diesen nicht bekannt sind).

Die Anmerkungen der Beschwerdeführerin

In ihren Anmerkungen erhielt die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde aufrecht. Außerdem ging sie näher auf die Anwendung von Artikel 24 des Statuts ein. Es habe eine öffentliche Vorverurteilung ihrer Person lange vor ihrer Anhörung stattgefunden. Zudem seien ihr in der Anhörung Fragen gestellt worden, die in keinerlei Zusammenhang mit den Beschwerdepunkten standen.

Weitere Untersuchungen

Nach eingehender Prüfung der Stellungnahme der Kommission und der Anmerkungen der Beschwerdeführerin erwiesen sich weitergehende Untersuchungen als erforderlich.

Ersuchen um weitere Auskünfte

Am 12. Oktober 2004 ersuchte der Europäische Bürgerbeauftragte die Kommission, (1) zu erklären, warum es sich ihrer Ansicht nach bei der so genannten „Personalakte“ in der Vertretung in Wien nicht um eine Akte im Sinne von Artikel 26 des Beamtenstatuts handele, obwohl doch (a) die Kommission in ihrer Antwort vom 25. September 2003 auf ein Auskunftsersuchen des Bürgerbeauftragten im Rahmen der Untersuchung zur Beschwerde 242/2003/GG darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerdeführerin von ihrem Recht auf Einsichtnahme in ihre Personalakte am Sitz der Vertretung in Wien Gebrauch machen könne und (b) die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente der Kommission (mit der Bezeichnung „IV/18“ und „IV/19“) klar darauf hinwiesen, dass sie in die „Personalakte“ der Beschwerdeführerin aufgenommen werden sollten, (2) die Natur und den Zweck der „Personalakte“ der Beschwerdeführerin zu erklären und darzulegen, auf welcher Rechtsgrundlage diese Akte geführt wurde, (3) zu erläutern, ob sie der Ansicht sei, dass die „Personalakte“ der Beschwerdeführerin in ihrer Vertretung in Wien nicht (a) sämtliche das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin betreffenden Schriftstücke sowie jede Beurteilung ihrer Befähigung, Leistung und Führung und (b) die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zu den Vorgängen nach Buchstabe (a) enthalten muss, sowie (4) zu erklären, warum die „Personalakte“ der Beschwerdeführerin in ihrer Vertretung in Wien nicht die Anmerkungen der Beschwerdeführerin zu den Dokumenten „IV/18“ und „IV/19“ sowie keine nach dem Zeitpunkt der Suspendierung der Beschwerdeführerin im Mai 2001 erstellten Dokumente enthält.

Die Antwort der Kommission

In ihrer Antwort führte die Kommission Folgendes aus:

Artikel 26 des Statuts gelte nur für Beamte und nicht für örtliche Bedienstete; die Beschwerdeführerin sei jedoch als örtliche Bedienstete beschäftigt gewesen. Die entsprechenden Regelungen für örtliche Bedienstete hätten früher keine Verweisung auf diesen Artikel enthalten. Der neu gefasste Artikel 11 der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften (mit den am 1. Mai 2004 in Kraft getretenen Änderungen), dem zufolge Artikel 26 des Statuts ebenfalls für Bedienstete auf Zeit gilt, sei nunmehr auch gemäß Artikel 81 der Beschäftigungsbedingungen entsprechend auf Vertragsbedienstete anwendbar. Diese neuen Vorschriften gälten jedoch nicht für Fälle, die sich in der Vergangenheit abgespielt haben.

Die in der Vertretung der Kommission in Österreich geführte Personalakte sei die einzige Personalakte, die die Kommission als Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin für die Zwecke der Personalverwaltung angelegt habe. Das Recht der Kommission hierzu ergebe sich in diesem Fall aus dem österreichischen Recht. Die Bestimmungen über die Führung der Personalakten der örtlichen Bediensteten der Kommission fänden sich in der Verwaltungsmitteilung Nr. 119 vom 13. Februar 1985(2). Die Vertretungen der Kommission seien ferner an ihre Pflicht zur Führung von Personalakten erinnert worden, so z. B. durch ein Schreiben der GD Presse und Kommunikation vom 26. Oktober 2000(3).

Nach österreichischem Recht seien Arbeitgeber nicht zur Führung von Personalakten verpflichtet. Die Kommission sei daher rechtlich nicht verpflichtet gewesen, in die Personalakte alle Unterlagen über die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin sowie über ihre Befähigung, Leistung und dienstliche Führung aufzunehmen. Ebenso wenig sei sie nach österreichischem Recht verpflichtet gewesen, in die Personalakte persönliche Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zu einzelnen Vorkommnissen aufzunehmen.

Die von der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Dokument „IV/19“ vorgelegten Unterlagen hätten nicht in die Personalakte aufgenommen werden müssen. Das Dokument „IV/19“ sei in die Akte aufgenommen worden, nachdem die Beschwerdeführerin am Vortag mündlich angewiesen worden war, Abwesenheiten mitzuteilen. Die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen hätten lediglich die von ihr für ihre teilweise Abwesenheit angegebenen medizinischen Gründe betroffen und seien demgemäß in ihrer medizinischen Akte und nicht in ihrer Personalakte abzulegen gewesen.

Die Kommission räumte ein, dass das Schreiben, auf das sich die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Dokument „IV/18“ bezog, nicht zusammen mit diesem Dokument in ihrer Personalakte abgelegt worden sei. Da dieser Vorfall über vier Jahre zurückliege, lasse sich heute nicht mehr feststellen, wie es zu dieser Unterlassung gekommen sei. Hingegen treffe die Behauptung der Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom 11. März 2004, in ihrer Personalakte fehle ein Großteil ihrer Stellungnahmen und Erwiderungen, nicht zu. Soweit die Beschwerdeführerin Stellungnahmen und Erwiderungen zu Vorgängen abgegeben habe, die in ihrer Personalakte vermerkt sind, seien sie auch in dieser Akte abgelegt worden. Die Beschwerdeführerin könne ihre Behauptungen nur in zwei Fällen untermauern, von denen einer hier eindeutig nicht einschlägig sei.

Die Personalakte der Beschwerdeführerin ende im Mai 2001, da sie am 10. Mai 2001 von ihren Aufgaben entbunden wurde. Das Disziplinarverfahren sei von der Generaldirektion Presse und Kommunikation durchgeführt worden. Da diese Generaldirektion in Brüssel angesiedelt ist, habe sie in Brüssel ordnungsgemäß eine Akte über das Disziplinarverfahren geführt.

Die Anmerkungen der Beschwerdeführerin

In ihren Anmerkungen erhielt die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde aufrecht und machte folgende weitere Ausführungen:

Nach einem von Herrn P. erstellten internen Bericht in Bezug auf den Besuch des Verwaltungsassistenten in der Vertretung vom 2. Juli 1999 sei die Leitung aufgefordert worden, bestimmte Richtlinien bei der Führung der Personalakten zu beachten, u. a. jene, wonach alle abgelegten Schriftstücke von den lokalen Beschäftigten gegenzuzeichnen sind.

Aus den von der Kommission zitierten Schriftstücken vom 13. November 1985 und vom 26. Oktober 2000 gehe unmissverständlich hervor, dass die Personalakten der lokalen Bediensteten analog zu jenen von Beamten zu führen seien. In dem Dokument vom 26. Oktober 2000 werde darauf verwiesen, dass die Personalakten ausschließlich in der Vertretung zu führen sind.

Die Argumentation der Kommission in Bezug auf „IV/19“ sei nicht nachvollziehbar. Aus dem entsprechenden Dokument gehe klar hervor, dass ihr (der Beschwerdeführerin) ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst unterstellt wurde. In ihrer Antwort habe sie sich gegen diesen ungerechtfertigten Vorwurf zur Wehr gesetzt. Ihre Antwort betreffe nicht nur die medizinischen Gründe für ihre Abwesenheit, sondern sei die Reaktion auf eine völlig haltlose Beschuldigung. Der Vorfall beschreibe daher sehr gut und exemplarisch, wie die damalige Leitung durch selektive Aktenführung versucht habe, den Eindruck zu erwecken, sie käme ihren Dienstpflichten nicht nach bzw. würde sich irgendwelcher Verfehlungen schuldig machen.

Wie sie bereits in ihrem Schreiben vom 11. März 2004 betont habe, handele es sich in Bezug auf die Dokumente „IV/18“ und „IV/19“ nur um zwei beliebige Beispiele.

Die Beschwerdeführerin fügte eine umfassende Liste von Schriftstücken der Vertretung bei, die ohne ihr Wissen in der Personalakte abgelegt wurden, sowie der fehlenden Stellungnahmen, die sie explizit für die Aufnahme in ihre Personalakte gekennzeichnet hatte. Nach Angabe der Beschwerdeführerin wurden mindestens 12 ihrer Stellungnahmen, die sie zur Aufnahme in die Personalakte gekennzeichnet hatte, nicht aufgenommen, während gleichzeitig fast 30 Schriftstücke der Verwaltung ohne ihr Wissen abgelegt wurden. Die Beschwerdeführerin fügte ferner die Kopie einer E Mail vom 29. September 2000 bei, mit der sie die Verwaltung der Vertretung über ihren Arzttermin am Vormittag des 3. Oktober 2000 informiert hatte.

DIE ENTSCHEIDUNG

1 Einleitende Bemerkungen

1.1 Die ursprüngliche, im Juni 2004 eingereichte Beschwerde betraf den Umgang der Kommission mit der Personalakte der Beschwerdeführerin, erwähnte jedoch auch einige weitere Fragen. In den Schreiben, mit denen die Kommission und die Beschwerdeführerin über die Einleitung der Untersuchung informiert wurden, wies der Bürgerbeauftragte, um möglichen Unklarheiten vorzubeugen, darauf hin, dass sich die vorliegende Untersuchung lediglich auf Fragen zur Personalakte der Beschwerdeführerin beziehe und somit nicht die anderen im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 11. März 2004 erwähnten Punkte umfasse (wie die Frage des Zugangs zu der Akte in Brüssel und die Entscheidung der Kommission, die Beschwerdeführerin zu entlassen).

1.2 In ihren Anmerkungen zur Stellungnahme der Kommission ging die Beschwerdeführerin näher auf Artikel 24 des Statuts ein, auf den sie sich bereits in ihrer Beschwerde berufen hatte. Es habe eine öffentliche Vorverurteilung ihrer Person lange vor ihrer Anhörung stattgefunden. Zudem seien ihr in der Anhörung Fragen gestellt worden, die in keinerlei Zusammenhang mit den Beschwerdepunkten standen. Der Bürgerbeauftragte hält es nicht für angemessen, die aktuelle Untersuchung auf diese zusätzlichen Fragen auszuweiten. Dadurch würde sich die Untersuchung der ursprünglichen Vorwürfe der Beschwerdeführerin zwangsläufig verzögern, was nach Ansicht des Bürgerbeauftragten nicht im Interesse der Beschwerdeführerin liegt. Der Beschwerdeführerin steht es jedoch frei, eine neue Beschwerde in Bezug auf diese Fragen einzureichen.

2 Der Vorwurf, dass die Kommission ihren Aufgaben in Bezug auf die Personalakte der Beschwerdeführerin nicht nachgekommen sei

2.1 Die Beschwerdeführerin war als örtliche Bedienstete bei der Vertretung der Kommission in Wien tätig. Auf Beschluss der Kommission vom 10. Mai 2001 wurde die Beschwerdeführerin vom Dienst suspendiert, weil schwer wiegende Vorwürfe gegen sie erhoben worden waren. Mit Beschluss vom 31. Januar 2002 entließ die Kommission die Beschwerdeführerin fristlos. Die Beschwerdeführerin focht diese Entscheidung bei einem österreichischen Gericht an, wo der Fall derzeit anhängig ist. Daraufhin forderte die Beschwerdeführerin Zugang zu bestimmten Dokumenten, auf die sich die Kommission bei ihrer Entscheidung gestützt hatte. Dieser Antrag führte zur Beschwerdesache 242/2003/GG, die abgeschlossen wurde, nachdem die Kommission der Beschwerdeführerin Zugang zu Teilen der entsprechenden Dokumente gewährt hatte. Bei dieser Untersuchung nahmen die Dienststellen des Bürgerbeauftragten Einsicht in die Akte der Kommission, die sich in Brüssel befand.

Im Zuge der Untersuchung des Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 242/2003/GG hatte die Kommission der Beschwerdeführerin die Möglichkeit eingeräumt, ihre Personalakte in Wien einzusehen. Die Beschwerdeführerin machte von dieser Möglichkeit Gebrauch. Danach legte sie bei der Generaldirektion der Kommission („GD“) Presse und Kommunikation Beschwerde darüber ein, dass in ihrer Personalakte mehrere Dokumente ohne ihr Wissen abgelegt worden seien und dass der Großteil ihrer Stellungnahmen (einschließlich jener, die von ihr mit „Kopie für den Personalakt“ versehen wurden) zu Dokumenten, die sich in der Personalakte befanden, nicht in der Akte enthalten sei. Die Beschwerdeführerin führte zwei Dokumente aus ihrer Personalakte (gekennzeichnet als „IV/18“ und „IV/19“) als Beispiele an. Der bestehende Inhalt ihrer Personalakte zeichne ein verzerrtes Bild der Fakten. Es werde eine „parallele“ Personalakte in Brüssel geführt, die Dokumente enthalte, die größtenteils nicht in ihrer Personalakte in Wien erschienen. Abschließend führte die Beschwerdeführerin aus, dass ihre Personalakte keine Elemente zur Rechtfertigung ihrer Entlassung enthalte, das heißt keinerlei Dokumente aus der Zeit nach ihrer im Mai 2001 erfolgten Suspendierung vom Dienst.

In ihrer Beschwerde an den Bürgerbeauftragten vom Juni 2004 bezog sich die Beschwerdeführerin auf ihre an die Kommission gerichtete Beschwerde vom 11. März 2004 und wies darauf hin, dass sie von der Kommission bisher keine Antwort auf ihre Beschwerde erhalten habe. Somit bestand ihr grundlegender Vorwurf darin, dass die Kommission ihren Pflichten in Bezug auf ihre Personalakte nicht nachgekommen sei.

In ihrer Beschwerde berief sich die Beschwerdeführerin auf Artikel 26 des Statuts für Beamte der EU, der Folgendes vorschreibt:

„Die Personalakte des Beamten enthält:

(a) sämtliche sein Dienstverhältnis betreffenden Schriftstücke sowie jede Beurteilung seiner Befähigung,

(b) die Stellungnahmen des Beamten zu den Vorgängen nach Buchstabe a).

Alle Schriftstücke sind in ein Verzeichnis aufzunehmen, fortlaufend zu nummerieren und lückenlos einzuordnen; das Organ darf Schriftstücke nach Buchstabe a) dem Beamten nur dann entgegenhalten oder gegen ihn verwerten, wenn sie ihm vor Aufnahme in die Personalakte mitgeteilt worden sind. (…)

Für jeden Beamten darf nur eine Personalakte geführt werden.

Der Beamte hat auch nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst das Recht, seine vollständige Personalakte einzusehen und gegebenenfalls eine Kopie davon anzufertigen.“

2.2 In ihrer Stellungnahme argumentierte die Kommission, dass Artikel 26 des Statuts nicht auf örtliche Bedienstete anwendbar sei und die so genannte „Personalakte“ in der Vertretung in Wien daher keine Akte im Sinne von Artikel 26 des Statuts sei. Die Kommission führte weiter an, dass die Beschwerdeführerin in dem gegen sie angestrengten Disziplinarverfahren Zugang zu allen Dokumenten gehabt habe, auf die sich die Kommission stützte. Genau dies sei von Artikel 26 des Statuts im Falle von Beamten beabsichtigt (d. h., dass Beschlüsse nicht auf der Grundlage von Informationen gefasst werden, die diesen nicht bekannt sind).

In ihrer Antwort auf ein Ersuchen des Bürgerbeauftragten um weitere Auskünfte erklärte die Kommission, dass die in der Vertretung in Wien geführte Personalakte die einzige Personalakte sei, die sie als Arbeitgeberin der Beschwerdeführerin für die Zwecke der Personalverwaltung angelegt habe. Das Recht der Kommission hierzu ergebe sich in diesem Fall aus dem österreichischen Recht. Die Vorschriften über die Führung der Personalakten der örtlichen Bediensteten der Kommission fänden sich in der Verwaltungsmitteilung Nr. 119 vom 13. Februar 1985. Die Vertretungen der Kommission seien ferner an ihre Pflicht zur Führung von Personalakten erinnert worden, so z. B. durch ein Schreiben der GD Presse und Kommunikation vom 26. Oktober 2000. Die Kommission sei nach österreichischem Recht nicht verpflichtet gewesen, in die Personalakte alle Unterlagen über die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin sowie über ihre Befähigung, Leistung und dienstliche Führung aufzunehmen. Ebenso wenig sei die Kommission nach österreichischem Recht verpflichtet gewesen, in die Personalakte persönliche Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zu einzelnen Vorkommnissen aufzunehmen.

Die von der Beschwerdeführerin in Bezug auf das Dokument „IV/19“ vorgelegten Unterlagen seien nicht in die Personalakte, sondern in ihre medizinische Akte aufzunehmen gewesen. Die Kommission räumte ein, dass das Schreiben, auf das sich die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Dokument „IV/18“ bezog, nicht zusammen mit diesem Dokument in ihrer Personalakte abgelegt worden sei. Es treffe jedoch nicht zu, dass ein Großteil ihrer Stellungnahmen und Erwiderungen in ihrer Personalakte fehlt. Die Beschwerdeführerin könne ihre Behauptungen nur in zwei Fällen untermauern, von denen einer hier eindeutig nicht einschlägig sei.

Die Kommission führte ferner aus, dass die Personalakte der Beschwerdeführerin im Mai 2001 endete, da sie am 10. Mai 2001 vom Dienst suspendiert wurde. Das Disziplinarverfahren sei von der GD Presse und Kommunikation durchgeführt worden. Da diese Generaldirektion in Brüssel angesiedelt ist, habe die Kommission in Brüssel ordnungsgemäß eine Akte über das Disziplinarverfahren geführt.

2.3 Ehe sich der Bürgerbeauftragte mit dem Vorwurf der Beschwerdeführerin befasst, gilt es eine Vorfrage zu klären. In ihrer Stellungnahme argumentierte die Kommission, dass sich ihr Recht zur Führung von Personalakten für ihre Bediensteten in der Vertretung in Wien aus dem österreichischen Recht ergebe und dass der Arbeitgeber nach österreichischem Recht nicht zur Führung solcher Akten verpflichtet sei. Der Bürgerbeauftragte stellt jedoch fest, dass die Kommission nicht erklärt hat, ihr sei die Führung von Personalakten nach österreichischem Recht untersagt. Ferner geht aus den ihm vorliegenden Belegen hervor, dass sich die Kommission entschied, Personalakten für ihre örtlichen Bediensteten zu führen, und dazu in ihrer Verwaltungsmitteilung Nr. 119 vom 13. Februar 1985 interne Anweisungen erließ. Unter diesen Umständen steht einer Untersuchung des Bürgerbeauftragten zur Art des Umgangs der Kommission mit der Personalakte der Beschwerdeführerin nichts im Wege.

2.4 Im Interesse der guten Verwaltungspraxis muss sichergestellt werden, dass die Personalakte eines Bediensteten eines Organs oder einer Institution der Gemeinschaft (1) sämtliche sein Dienstverhältnis betreffenden Schriftstücke sowie jede Beurteilung seiner Befähigung, Leistung und Führung sowie (2) die Stellungnahmen des Bediensteten zu den Vorgängen nach Ziffer (1) enthält. Diese Verpflichtung ist in Artikel 26 des Statuts niedergelegt, sofern es um Beamte geht. Es trifft zu, dass die Beschäftigungsbedingungen für örtliche Bedienstete vor ihrer Änderung am 1. Mai 2004 nicht ausdrücklich vorsahen, dass Artikel 26 des Statuts für Beamte der EU auch für örtliche Bedienstete gelten solle. Allerdings ist auf die Verwaltungsmitteilung Nr. 119 vom 13. Februar 1985 hinzuweisen, wonach die Personalakten von örtlichen Bediensteten „analog zu jenen der Beamten“ zu führen sind und daher bestimmte Schriftstücke enthalten müssen, die in einem dieser Anweisung beigefügten Verzeichnis aufgeführt sind. In einem Schreiben der GD Presse und Kommunikation vom 26. Oktober 2000 wurden die Verantwortlichen mit genau der gleichen Formulierung („[p]ar analogie avec les dossiers personnels des fonctionnaires“) an die Vorschriften zur Führung der Personalakten von örtlichen Bediensteten erinnert. Ferner ist anzumerken, dass das der Anweisung von 1985 beigefügte Verzeichnis einen ausdrücklichen Verweis (unter Punkt G) auf die Pflicht enthält, in die Personalakte jegliche Anmerkungen des Bediensteten zu Berichten über seine Befähigung, Leistung und dienstliche Führung („les observations éventuelles de l'agent à leur sujet“) aufzunehmen. Nicht zuletzt hat die Kommission selbst eingeräumt, dass die Stellungnahme der Beschwerdeführerin zum Dokument „IV/18“ in diesem Fall in der Personalakte hätte abgelegt werden müssen. In Anbetracht dessen vertritt der Bürgerbeauftragte die Ansicht, dass es sich bei Artikel 26 des Statuts um die Kodifizierung von Pflichten handelt, die sich aus dem Grundsatz der guten Verwaltungstätigkeit ergeben, und dass diese Pflichten der Kommission daher auch für örtliche Bedienstete galten, und zwar bereits vor Inkrafttreten der Vorschrift, der zufolge Artikel 26 ausdrücklich analog auch auf örtliche Bedienstete anzuwenden ist.

2.5 Dem Bürgerbeauftragten selbst lag die in Wien geführte Personalakte der Beschwerdeführerin nicht vor. Allerdings geht aus den Informationen der Beschwerdeführerin wie auch der Kommission hervor, dass diese Akte keinerlei Dokumente in Bezug auf das Disziplinarverfahren enthält, das gegen die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Suspendierung vom Dienst im Mai 2001 eingeleitet wurde. In ihrer Antwort auf das Ersuchen des Bürgerbeauftragten um weitere Auskünfte erklärte die Kommission, dass die Dokumente über das Disziplinarverfahren in einer Akte in Brüssel abgelegt worden seien, da dieses Verfahren von der DG Presse und Kommunikation durchgeführt wurde, die in Brüssel angesiedelt ist. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten ist diese Erklärung nicht akzeptabel. Das Verzeichnis, das der internen Anweisung der Kommission vom 13. Februar 1985 zur Führung der Personalakten von örtlichen Bediensteten beigefügt wurde, enthält einen Abschnitt H mit dem Titel „Disziplinarangelegenheiten“ („Questions disciplinaires“). Somit ist offensichtlich, dass Dokumente zu Disziplinarverfahren in der Personalakte eines örtlichen Bediensteten abzulegen sind. Ferner sei angemerkt, dass gemäß Artikel 26 des Statuts (aus dem sich Pflichten ergeben, die wie bereits erwähnt auch für örtliche Bedienstete gelten) für jeden Mitarbeiter nur eine Personalakte geführt werden darf. Auf denselben Grundsatz scheint sich die Kommission in Punkt 3 ihrer Mitteilung vom 26. Oktober 2000 zu beziehen, wonach die Personalakten „ausschließlich“ in der Vertretung zu führen sind. Der Bürgerbeauftragte erkennt an, dass es unter den von der Kommission geschilderten Bedingungen sinnvoll ist, eine Arbeitskopie der mit dem Disziplinarverfahren zusammenhängenden Dokumente in derjenigen Dienststelle zu führen, die dieses Verfahren durchführt(4). Die Pflicht, die eigentlichen Dokumente in der in Wien geführten Personalakte der Beschwerdeführerin abzulegen, bleibt jedoch hiervon unberührt. Das Versäumnis der Kommission, dies im vorliegenden Fall zu tun, stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

2.6 In Bezug auf Dokument „IV/19“ stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass es sich um eine E Mail handelt, die der Vorgesetzte der Beschwerdeführerin, Herr K., am 3. Oktober 2000 an die Beschwerdeführerin sandte und von der mehrere andere Personen, darunter der Leiter der Vertretung, Kopien erhielten. In dieser E-Mail warf Herr K. der Beschwerdeführerin vor, sie habe ihre Abwesenheit bis 9.30 Uhr eingetragen, sei jedoch an diesem Tag erst gegen Mittag in die Vertretung gekommen, ohne ihren unmittelbaren Dienstvorgesetzten, den Empfang oder die Verwaltung ex ante informiert zu haben. Auch von einer nachträglichen Erklärung sei ihm nichts bekannt gewesen. Daraus schloss Herr K. auf ein unerlaubtes Fernbleiben vom Dienst. In ihrer Antwort vom selben Tage führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe Herrn K. bereits am 29. September 2000 per E-Mail darüber informiert, dass sie am „Dienstagfrüh“ (also am Vormittag des 3. Oktober 2000) einen Termin im Krankenhaus wahrnehmen werde und nicht genau angeben könne, wie viel Zeit dies in Anspruch nehmen wird. Ferner erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie der Verwaltung ein ärztliches Attest übergeben habe. Aus diesem Dokument geht hervor, dass sie sich am betreffenden Tag bis um 11.00 Uhr im Krankenhaus aufhielt. Ein weiteres von der Beschwerdeführerin vorgelegtes Dokument (ein ärztliches Attest vom 27. September 2000) hätte nach Ansicht des Bürgerbeauftragten tatsächlich nicht in der Personalakte, sondern in ihrer medizinischen Akte abgelegt werden müssen. Der Bürgerbeauftragte ist jedoch der Ansicht, dass hinsichtlich der E-Mail der Beschwerdeführerin an Herrn K. vom 3. Oktober 2000 und dem Nachweis der im Krankenhaus verbrachten Zeit eine andere Schlussfolgerung zu ziehen ist. In ihrer E-Mail wies die Beschwerdeführerin den Vorwurf von Herrn K. zurück, dass sie dem Dienst unerlaubt ferngeblieben sei. In Anbetracht der Tatsache, dass die E-Mail von Herrn K. vom 3. Oktober 2000 in der Personalakte der Beschwerdeführerin abgelegt wurde, hätte nach Ansicht des Bürgerbeauftragten zumindest auch die Antwort der Beschwerdeführerin vom selben Tage dort abgelegt werden müssen. Da dies nicht erfolgt ist, zeichnet die Personalakte der Beschwerdeführerin tatsächlich ein verzerrtes Bild der Fakten(5). Die Unterlassung der Ablage (zumindest) der E-Mail der Beschwerdeführerin vom 3. Oktober 2000 stellt nach Auffassung des Bürgerbeauftragten ebenfalls einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

2.7 Aus den vorstehenden Ausführungen geht hervor, dass die Kommission es versäumt hat, die Stellungnahmen der Beschwerdeführerin zu den Dokumenten „IV/18“ und „IV/19“ in ihrer Personalakte abzulegen. Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass die Beschwerdeführerin diese Dokumente als beliebige Beispiele von Dokumenten anführte, die in ihrer Personalakte hätten abgelegt werden müssen. Die Beschwerdeführerin fügte ihren Anmerkungen zur Antwort der Kommission auf das Ersuchen um weitere Auskünfte eine umfassende Liste von Schriftstücken bei, die ohne ihr Wissen in der Personalakte abgelegt wurden, sowie der nicht abgelegten Stellungnahmen, die explizit für die Aufnahme in ihre Personalakte gekennzeichnet waren. Die Argumentation der Kommission, dass die Beschwerdeführerin ihre Behauptungen nur in zwei Fällen untermauern könne, ist daher nicht zutreffend. Doch selbst wenn sich bei näherer Prüfung herausstellen sollte, dass keine der von der Beschwerdeführerin erwähnten zusätzlichen Stellungnahmen in ihre Personalakte hätte aufgenommen werden müssen, würde dies nichts daran ändern, dass ihre Stellungnahmen zu den Dokumenten „IV/18“ und „IV/19“ in ihrer Personalakte hätten abgelegt werden müssen. In diesem Zusammenhang weist der Bürgerbeauftragte darauf hin, dass die Kommission zwar einräumte, dass das Dokument „IV/18“ hätte abgelegt werden müssen, jedoch nicht angab, ob dies in der Zwischenzeit erfolgt war.

2.8 Was den Vorwurf der Beschwerdeführerin angeht, es seien Dokumente ohne ihr Wissen abgelegt worden, so stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass die Kommission sich offenbar darauf beruft, sie hätte sich ohnehin nicht auf irgendwelche Dokumente stützen können, ohne der Beschwerdeführerin eine Stellungnahme zu diesen Dokumenten zu ermöglichen. Der Bürgerbeauftragte merkt an, dass Dokumente nach Buchstabe a) des Artikels 26 des Statuts „dem Beamten nur dann entgegengehalten oder gegen ihn verwertet werden können, wenn sie ihm vor Aufnahme in die Personalakte mitgeteilt worden sind.“ Mit dieser Vorschrift werden die Beamten (bzw. bei Pflichten, die örtliche Bedienstete betreffen, die Bediensteten) vor der Verwendung von Dokumenten geschützt, die ohne ihr Wissen in der Personalakte abgelegt wurden. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten ist es jedoch im Interesse einer guten Verwaltungspraxis erforderlich, diesen negativen Schutz durch die positive Pflicht zu ergänzen, der betreffenden Person die Möglichkeit zu geben, zu einem Dokument vor dessen Ablage in der Personalakte Stellung zu nehmen(6). Es liegt auf der Hand, dass ein Beamter oder Bediensteter sich nicht zu Dokumenten äußern (und um Ablage dieser Äußerungen in seiner Personalakte ersuchen) kann, wenn er von diesen Dokumenten keine Kenntnis hat. Der Bürgerbeauftragte stellt jedoch fest, dass die Beschwerdeführerin inzwischen Einsicht in ihre Personalakte genommen und ermittelt hat, welche Dokumente diese enthält. Er weist ferner darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde und insbesondere in ihren Anmerkungen zur Antwort der Kommission auf das Ersuchen um weitere Auskünfte detailliert aufgelistet hat, welche Dokumente und Stellungnahmen noch in ihre Personalakte aufgenommen werden müssen. Da der Bürgerbeauftragte einen Empfehlungsentwurf an die Kommission richten wird, in der er sie auffordert, diese Dokumente und Stellungnahmen mit Blick auf ihre Aufnahme in die Personalakte der Beschwerdeführerin zu prüfen (siehe unten), sind weitere Untersuchungen hinsichtlich des Versäumnisses der Kommission, die Beschwerdeführerin zu Dokumenten zu konsultieren, die in ihrer Personalakte abgelegt wurden, nicht erforderlich.

2.9 Unter diesen Umständen ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass die Kommission ihrer Pflicht in Bezug auf die Personalakte der Beschwerdeführerin nicht nachgekommen ist, da sie nicht alle entsprechenden Dokumente darin abgelegt hat.

3 Schlussfolgerung

In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen richtet der Bürgerbeauftragte gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Status des Bürgerbeauftragten folgenden Empfehlungsentwurf an die Kommission:

Empfehlungsentwurf

Die Kommission sollte die Dokumente, auf die sich die Beschwerdeführerin bezogen hat, mit Blick auf deren Aufnahme in die Personalakte prüfen und der Beschwerdeführerin Zugang zur ordnungsgemäß neugefassten Akte gewähren.

Die Kommission und die Beschwerdeführerin werden von diesem Empfehlungsentwurf in Kenntnis gesetzt. Gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Bürgerbeauftragten muss die Kommission bis zum 31. Mai 2004 eine ausführliche Stellungnahme abgeben. Die ausführliche Stellungnahme könnte in der Annahme der Entscheidung des Bürgerbeauftragten und einer Beschreibung der Maßnahmen bestehen, die zur Umsetzung des Empfehlungsentwurfs ergriffen werden.

Straßburg, den 28. Februar 2005

 

P. Nikiforos DIAMANDOUROS


(1) Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. L 113 vom 4.5.1994, S. 15.

(2) Eine Kopie dieser Verwaltungsmitteilung wurde von der Kommission beigefügt.

(3) Eine Kopie dieses Dokuments wurde ebenfalls von der Kommission beigefügt.

(4) Gemäß Punkt 3 des Schreibens der Kommission vom 26. Oktober 2000 dürfen Kopien der Dokumente in der Personalakte auf Anforderung nach Brüssel gesandt werden.

(5) Anzumerken ist, dass das von der Beschwerdeführerin eingereichte ärztliche Attest offenbar belegt, dass diese das Krankenhaus am 3. Oktober 2000 erst um 11.00 Uhr verließ. Ferner stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass die Beschwerdeführerin ihrer Stellungnahme zur Antwort der Kommission auf das Ersuchen um weitere Auskünfte eine Kopie ihrer E-Mail vom 29. September 2000 beifügte, in der sie Herrn K. über ihre bevorstehende Abwesenheit am 3. Oktober 2000 informiert hatte.

(6) Wenn die Stellungnahme von Herrn P., auf die sich die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme zur Bitte der Kommission um weitere Informationen bezog, tatsächlich das beinhaltet, was die Beschwerdeführerin behauptet, dann teilt die Kommission offenbar selbst diese Ansicht.