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Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an den Entwurf einer Empfehlung an den Rat der Europäischen Union im Zusammenhang mit der Beschwerde 2395/2003/GG
Specialioji ataskaita
Byla 2395/2003/GG - Atidaryta Ketvirtadienis | 18 gruodžio 2003 - Rekomendacijos Antradienis | 09 lapkričio 2004 - Specialioji ataskaita Ketvirtadienis | 18 gruodžio 2003 - Sprendimas Pirmadienis | 17 spalio 2005
(Unterbreitet gemäß Artikel 3 Absatz 7 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten[1])
Zusammenfassung
Dieser Sonderbericht betrifft die Frage, ob der Rat, wenn er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber zusammentritt, immer öffentlich tagen sollte. Die Untersuchung dieser Sache durch den Bürgerbeauftragten beruht auf einer Beschwerde vom Dezember 2003. Der Öffentlichkeitsgrad von Tagungen des Rates, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, wird derzeit durch die Geschäftsordnung des Rates beschränkt. Daher müsste der Rat, um die Öffentlichkeit zu all diesen Tagungen zuzulassen, lediglich seine Geschäftsordnung ändern. Dass der Rat dies nicht tut, stellt nach Ansicht des Bürgerbeauftragten einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar. Diese Feststellung beruht auf folgenden Überlegungen: (a) In Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union ist der allgemeine Grundsatz festgelegt, dass Entscheidungen des Rates und der anderen Organe und Institutionen der Gemeinschaft „möglichst offen" getroffen werden; (b) der Rat hat keine triftigen Gründe angeführt, warum es ihm nicht möglich ist, seine Geschäftsordnung zu ändern, um die betreffenden Tagungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Der Rat vertrat die Auffassung, dass Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union lediglich darauf hinweise, dass die künftige Union möglichst offen sein sollte, was aber zu dem Zeitpunkt, in dem der EU-Vertrag abgefasst wurde, noch nicht möglich gewesen sei. Bei der Erreichung dieses Ziels spielt jedoch der Zeitfaktor eine wichtige Rolle. Daher kann sich die Analyse nach Ansicht des Bürgerbeauftragten nicht auf die Bestimmungen beschränken, die durch den Vertrag von Amsterdam eingeführt wurden, sondern muss den nachfolgenden Entwicklungen Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Rat selbst in seiner 2000 angenommenen neuen Geschäftsordnung Bestimmungen eingeführt hat, nach denen die Tagungen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, in stärkerem Maße öffentlich sind. Damit hat der Rat nach Ansicht des Bürgerbeauftragten deutlich gemacht, dass Schritte unternommen werden müssen und können, um die Transparenz seiner gesetzgeberischen Tätigkeit zu erhöhen. Darüber hinaus bestätigt die Annahme der neuen Geschäftsordnung im Jahr 2000, dass ein solches Vorgehen im Rahmen des derzeit geltenden Gemeinschaftsrechts möglich war und ist.
Im vorliegenden Fall beriefen sich die Beschwerdeführer auf eine Bestimmung des Vertrags über eine Verfassung für Europa, nach der der Rat öffentlich tagt, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungstätigkeiten berät oder abstimmt (Artikel 50 Absatz 2 des Vertrags). Um jegliche Zweifel auszuschließen, sei darauf hingewiesen, dass der Sonderbericht des Bürgerbeauftragten auf den bestehenden Verträgen und dem geltenden Gemeinschaftsrecht, nicht jedoch auf dem Vertrag über eine Verfassung für Europa beruht.
Die Beschwerde
Der Standpunkt der Beschwerdeführer
Im Dezember 2003 beschwerten sich die Beschwerdeführer, ein der CDU („Christlich Demokratische Union Deutschlands") angehörendes MdEP und ein Vertreter der Jugendorganisation der gleichen Partei, beim Bürgerbeauftragten darüber, dass die Tagungen des Rates, wenn er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber zusammentritt, nur in dem durch Artikel 8 und 9 der Geschäftsordnung des Rates vom 22. Juli 2002[2] (ABl. 2002 L 230, S. 7) vorgegebenen Maße öffentlich sind.
Kontaktaufnahme zwischen den Beschwerdeführern und dem Rat
Am 18. September 2003 richteten die Beschwerdeführer einen offenen Brief betreffend diese Frage an den Rat.
Am 19. November 2003 beantwortete Herr Solana, der Generalsekretär des Rates, den offenen Brief der Beschwerdeführer im Namen des Rates. Herr Solana wies darauf hin, dass Artikel 8 der Geschäftsordnung des Rates den Kompromiss wiedergebe, auf den sich der Europäische Rat auf seiner Tagung in Sevilla geeinigt hätte. Die einer Abstimmung über Rechtsetzungsakte vorausgehenden Beratungen des Rates seien bereits öffentlich und würden dem interessierten Publikum mit audiovisuellen Mitteln zugänglich gemacht. Dies gelte auch für die Vorstellung der wichtigsten Rechtsetzungsvorschläge der Kommission und die anschließende Aussprache im Rat. Damit sei in der Praxis bereits heute ein wesentlicher Teil der Tätigkeit des Rates als Gesetzgeber öffentlich. Darüber hinaus seien beinahe alle Dokumente des Rates, die sich auf seine Rechtsetzungstätigkeit beziehen würden, in Anwendung der Verordnung Nr. 1049/2001 zugänglich. Die zu gewährleistende Öffentlichkeit der legislativen Beratungen des Rates sei ein Anliegen, das ‑ wie die Beratungen des Konvents zeigten - breite Unterstützung finde. Der Vorschlag der Beschwerdeführer solle deshalb im Rahmen der Vorbereitung der Umsetzung des neuen Vertrags über eine Verfassung für Europa erneut geprüft werden.
Die Argumente der Beschwerdeführer
In ihrer Beschwerde an den Bürgerbeauftragten führten die Beschwerdeführer folgende Argumente ins Feld:
Die Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass der Rat neben dem Europäischen Parlament das Gesetzgebungsorgan der Europäischen Union sei. Seine Entscheidungen würden sich auf das Leben der Bürger Europas auswirken. Trotz dieser zentralen Bedeutung tage der Rat nur in Ausnahmefällen und nur beschränkt öffentlich.
Die Beschwerdeführer stellten fest, dass Artikel 49 Absatz 2 des Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa, der im Jahre 2003 vom Konvent erstellt wurde, wie folgt lautet:
„Das Europäische Parlament tagt öffentlich; dies gilt auch für den Ministerrat, wenn er über Gesetzgebungsvorschläge berät oder beschließt."
Nach Auffassung der Beschwerdeführer würde eine Vielzahl von rechtlichen und politischen Gründen dafür sprechen, die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates schon jetzt zu ermöglichen.
Die Beschwerdeführer wiesen darauf hin, dass die Öffentlichkeit der Tagungen des Rates, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhalte, mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung ohnehin zur politischen Praxis werde. Das Ergebnis des Konvents und die Reaktionen auf europäischer und nationaler Ebene ließen aber keinen Zweifel daran, dass in Europa die Überzeugung entstanden sei, dass es richtig sei, dass der Rat öffentlich tagen solle, weil dies das Vertrauen der Bürger in die in Brüssel getroffenen Entscheidungen stärken würde.
Sie machten ferner geltend, dass die derzeitige Praxis des Rates nicht mit dem in Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegten Ziel in Einklang stehe, wonach die Entscheidungen in der Union „möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden". Die Transparenz des gemeinschaftlichen Handelns müsse heutzutage als allgemeiner Rechtsgrundsatz begriffen werden, der sich in der Geschäftsordnung des Rates voll und ganz widerspiegeln sollte.
Der Ausschluss der Öffentlichkeit diene auch keinen höherrangigen Zielen; vielmehr würden dadurch lediglich die Regierungen in den Mitgliedstaaten vor genauer Beobachtung durch die europäische Öffentlichkeit bewahrt. Dem Prozess der europäischen Einigung und den Bürgern würden daraus nur Nachteile erwachsen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführer sollte die Geschäftsordnung des Rates dahin gehend geändert werden, dass vorgesehen wird, der Rat solle in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber immer öffentlich tagen.
Die Untersuchung
Die Stellungnahme des Rates
Der Bürgerbeauftragte leitete die Beschwerde an den Rat zwecks Stellungnahme weiter.
In seiner Stellungnahme machte der Rat folgende Anmerkungen:
Der Rat erkenne die große Bedeutung des Grundsatzes der Offenheit an, der unter anderem in Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegt sei. Die betreffende Bestimmung sei jedoch allgemein formuliert und stelle eher auf ein Ziel ab, als dass sie eine absolute Regel enthalte. Der Wortlaut der Vorschrift sei programmatisch, was eindeutig aus der Formulierung „stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union ... dar" hervorgehe.
Die derzeitige Praxis im Rat hinsichtlich der Öffentlichkeit seiner Tagungen stehe mit seiner Geschäftsordnung im Einklang. Die Beschwerdeführer schienen aber zu argumentieren, dass die Geschäftsordnung selbst einen Missstand darstelle. Die Annahme der Geschäftsordnung (deren unmittelbare Rechtsgrundlage Artikel 207 Absatz 3 des EG-Vertrags sei) sei eine politische und institutionelle Angelegenheit. Artikel 8 und 9 der Geschäftsordnung seien aufgrund eines Kompromisses geändert worden, der auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2002 in Sevilla zwischen den Mitgliedstaaten erzielt worden sei.
In dem Entwurf eines Vertrags über eine Verfassung für Europa sei vorgesehen, dass der Rat öffentlich tage, wenn er über Gesetzgebungsvorschläge berate oder beschließe. Allein die Tatsache, dass eine solche Vorschrift in die Verfassung (bzw. den Entwurf) aufgenommen worden sei, bestätige, dass es hier nicht um einen Missstand oder um Verwaltungspraxis gehe, sondern dass es sich um eine rechtliche und politische Frage handele, die nicht in den Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten falle.
Der Rat wies ferner auf die bestehenden Vorkehrungen zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Rates als Gesetzgeber hin, u. a. den möglichen Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001.
Vor diesem Hintergrund vertrat der Rat die Auffassung, dass kein Missstand vorliege und dass die von den Beschwerdeführern aufgeworfene Frage außerhalb des Aufgabenbereichs des Bürgerbeauftragten liege.
Die Anmerkungen der Beschwerdeführer
In ihren Anmerkungen erhielten die Beschwerdeführer ihre Beschwerde aufrecht. Sie führten an, die Tatsache, dass Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union eine allgemein formulierte Zielsetzung und keine absolute Regel darstelle, stehe nicht im Gegensatz zu ihrer Forderung, dass der Rat öffentlich tagen solle. Vielmehr ergebe sich gerade aus der programmatischen Bedeutung der Bestimmung und dem Ziel „möglichst" offen getroffener Entscheidungen das Gebot, dieses Prinzip in der Praxis zu fördern. Für ein Organ der Gesetzgebung wie den Rat stelle die Öffentlichkeit der Tagungen die klassische Form der Offenheit der Entscheidungsfindung dar, wie sie von den gesetzgebenden Kammern aller Mitgliedstaaten der Union praktiziert werde.
Die Befugnis zur Organisation seiner inneren Angelegenheiten entbinde den Rat nicht von seiner Verpflichtung, die Grundsätze der Union zu beachten und zu fördern. Die tatsächliche Ausgestaltung der Geschäftsordnung und deren Umsetzung könnten daher im Konflikt mit höherrangigen Prinzipien stehen und insoweit auch einen Missstand darstellen.
Mit dem Abschluss der Arbeiten im Zusammenhang mit dem Entwurf eines Verfassungsvertrags im Juli 2003 sei eine qualitativ neue Entwicklung bezüglich des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Tagungen, die der Rat als Gesetzgeber abhalte, festzustellen. Spätestens mit der Annahme der Verfassung durch die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten werde aus diesem Grundsatz ein allgemeiner Rechtsgrundsatz.
Weitere Untersuchungen
Nach sorgfältiger Prüfung der Stellungnahme des Rates und der Anmerkungen der Beschwerdeführer stellte sich die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen heraus.
Ersuchen um weitere Informationen
Der Bürgerbeauftragte richtete deshalb Ende Juni 2004 ein Schreiben an den Rat, in dem er feststellte, dass Artikel 49 Absatz 2 des Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa auch in den Verfassungsvertrag aufgenommen worden sei, der vom Europäischen Rat auf seiner Tagung in Brüssel wenige Tage zuvor angenommen wurde. Der Bürgerbeauftragte wies darauf hin, dass dieser Vertrag zwar von den Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert, aber von allen Mitgliedstaaten akzeptiert worden sei. Er stellte ferner fest, dass die Geschäftsordnung des Rates vom Rat angenommen werde, d. h. von den Vertretern der Mitgliedstaaten.
Vor diesem Hintergrund ersuchte der Bürgerbeauftragte den Rat, ihm mitzuteilen, welche Hindernisse (falls es solche geben sollte) nunmehr, da der Verfassungsvertrag (einschließlich der oben genannten Bestimmung) von den Mitgliedstaaten angenommen worden sei, seines Erachtens der Durchführung der von den Beschwerdeführern geforderten Änderung seiner Geschäftsordnung im Wege stünden.
Die Antwort des Rates
In seiner Antwort unterstrich der Rat erneut, dass er der Frage der Transparenz große Bedeutung beimesse. Er stellte fest, dass der Verfassungsvertrag noch von den Mitgliedstaaten ratifiziert werden müsse. Allein schon die Tatsache, dass die betreffende Bestimmung dem Teil I des Verfassungsvertrags hinzugefügt worden sei, verdeutliche, dass es sich bei dem Beschwerdegegenstand um eine politische und verfassungsrechtliche Frage und nicht etwa um einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit handele.
Abschließend vertrat der Rat erneut die Ansicht, dass kein Missstand vorliege, da er in voller Übereinstimmung mit den geltenden einschlägigen Vorschriften gehandelt habe.
Die Anmerkungen der Beschwerdeführer
Es gingen keine Anmerkungen der Beschwerdeführer ein.
Der Empfehlungsentwurf Bürgerbeauftragten
Der Empfehlungsentwurf
Am 9. November 2004 übermittelte der Bürgerbeauftragte dem Rat den nachstehenden Entwurf einer Empfehlung gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten:
„Der Rat der Europäischen Union sollte seine Weigerung, öffentlich zu tagen, wann immer er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber tätig wird, überprüfen."
Der Europäische Bürgerbeauftragte gab die folgende Begründung für diesen Empfehlungsentwurf:
1 Der Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten
1.1 Gemäß Artikel195 des EG-Vertrags hat der Bürgerbeauftragte die Aufgabe, Missstände bei der Tätigkeit der Organe oder Institutionen der Gemeinschaft zu untersuchen. Der Vertrag enthält keine Definition des Begriffs „Missstand". Im Jahresbericht für 1997[3] bot der Bürgerbeauftragte, nachdem das Europäische Parlament um Klärung gebeten hatte, die folgende Begriffsbestimmung an: „Ein Missstand ergibt sich, wenn eine öffentliche Einrichtung nicht im Einklang mit für sie verbindlichen Regeln oder Grundsätzen handelt." Diese Definition wurde in der Folge vom Europäischen Parlament begrüßt[4].
1.2 Vor diesem Hintergrund führte der Bürgerbeauftragte an, dass die Tatsache, dass die gegenwärtige Praxis des Rates im Einklang mit der von ihm selbst angenommenen Geschäftsordnung steht, nicht bedeute, dass kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit vorliegen könne. Eine von einem Organ oder einer Einrichtung der Gemeinschaft angenommene Maßnahme kann immer noch einen Missstand darstellen, wenn sie nicht einem für dieses Organ oder diese Einrichtung verbindlichen Grundsatz entspricht.
1.3 Der Rat machte offenbar geltend, dass die Entscheidung über das Ausmaß, in dem er die Öffentlichkeit zu den Tagungen zulasse, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhalte, eine politische Entscheidung sei, die außerhalb des Aufgabenbereichs des Bürgerbeauftragten liege. Der Bürgerbeauftragte erkannte an, dass die Annahme der Geschäftsordnung des Rates auf der Grundlage von Artikel 207 Absatz 3 des EG-Vertrags eine politische und institutionelle Angelegenheit ist, über die der Rat selbst zu entscheiden hat. Die vorliegende Beschwerde betreffe jedoch nicht die Art und Weise, in der der Rat seine inneren Verfahren organisiert, sondern die Frage, ob die Öffentlichkeit von den Tagungen des Rates, die er als Gesetzgeber abhält, ausgeschlossen werden kann. Wie die Beschwerdeführer zu Recht festgestellt hätten, tagen die Gesetzgebungsorgane in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union öffentlich. Gemäß Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union sollten die Entscheidungen in der Union „möglichst offen" getroffen werden. Unter diesen Umständen vertrat der Bürgerbeauftragte die Auffassung, dass der Rat nicht zweifelsfrei nachgewiesen habe, dass die Frage des Zugangs der Öffentlichkeit zu seinen Tagungen eine rein politische Frage ist, die deshalb keiner Prüfung unterliegen sollte.
1.4 Der Rat hat ferner angeführt, dass allein schon die Tatsache, dass eine Bestimmung wie Artikel 49 Absatz 2 dem Teil I des Entwurfs des Verfassungsvertrags hinzugefügt worden sei, verdeutliche, dass es sich beim Beschwerdegegenstand um eine politische und verfassungsrechtliche Frage und nicht um einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit handele. Dieses Argument überzeugte den Bürgerbeauftragten nicht. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass die Bürger sich selbst über die Tätigkeit der Gesetzgebungsorgane informieren können. Das beste Mittel, um dies zu erreichen, bestehe zweifelsohne darin, die Öffentlichkeit zu den Beratungen der betreffenden Gesetzgebungsorgane zuzulassen. Angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Offenheit in diesem Bereich sei es nicht verwunderlich, dass eine Bestimmung, in der dieser Grundsatz verankert wird, zunächst in den Entwurf eines Verfassungsvertrags und anschließend in den Vertrag über eine Verfassung für Europa aufgenommen wurde, der von den Mitgliedstaaten auf der Tagung des Europäischen Rates im Juni 2004 in Brüssel angenommen wurde[5].
1.5 Um einem etwaigen Missverständnis vorzubeugen, erachtete der Bürgerbeauftragte es für sinnvoll, darauf hinzuweisen, dass die vorliegende Beschwerde nicht die gesetzgeberische Tätigkeit des Rates als solche betraf, sondern die Frage, ob die Tagungen des Rates, wenn er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber zusammentritt, öffentlich sein sollten.
1.6 Vor diesem Hintergrund vertrat der Bürgerbeauftragte die Auffassung, dass die in der vorliegenden Beschwerde aufgeworfene Frage in seinen Aufgabenbereich gemäß Artikel 195 des EG-Vertrags fiel.
2 Die mangelnde Öffentlichkeit der Tagungen des Rates, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält
2.1 Die Beschwerdeführer machten im Wesentlichen geltend, dass die derzeitige Praxis des Rates, die Öffentlichkeit nicht zu allen Tagungen zuzulassen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhalte, nicht im Einklang mit dem in Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Ziel stehe, wonach die Entscheidungen in der Union „möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden".
2.2 Der Rat erkannte die große Bedeutung des Grundsatzes der Offenheit an, der unter anderem in Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union niedergelegt ist. Die betreffende Bestimmung sei jedoch allgemein formuliert und stelle eher auf ein Ziel ab, als dass sie eine absolute Regel enthalte, und der Wortlaut der Vorschrift sei programmatisch. Der Rat vertrat deshalb die Ansicht, dass seine derzeitige Praxis, die den Artikeln 8 und 9 seiner Geschäftsordnung entspreche, keinen Missstand darstelle.
2.3 Der Bürgerbeauftragte stimmte mit dem Rat darin überein, dass Artikel 1 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union keine präzise Vorschrift, sondern eher einen allgemeinen Grundsatz enthält. Das ändere jedoch nichts an der Tatsache, dass mit dieser Bestimmung die Organe und Einrichtungen angewiesen werden, dafür zu sorgen, dass alle Entscheidungen auf der Ebene der EU „möglichst" offen getroffen werden. Der Bürgerbeauftragte war deshalb der Ansicht, dass geprüft werden sollte, ob es möglich wäre, die Öffentlichkeit zu allen Tagungen des Rates zuzulassen, die der Rat in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, und ob es, falls dem so ist, dennoch gute Gründe dafür gibt, dies nicht zu tun.
2.4 Der Bürgerbeauftragte stellte fest, dass, wie der Rat selbst betont hatte, einige der Tagungen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, entsprechend den in Artikel 8 und 9 der Geschäftsordnung des Rates festgelegten Bestimmungen bereits öffentlich sind. Diese Geschäftsordnung hat sich der Rat, der aus je einem Vertreter jedes Mitgliedstaats besteht (Artikel 203 des EG-Vertrags), selbst gegeben. Der Bürgerbeauftragte stellte fest, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Oktober 2004 den Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet haben, der ausdrücklich die Bestimmung enthält, dass der Rat öffentlich tagen solle, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berät oder abstimmt. Obwohl dieser Vertrag noch nicht von den Mitgliedstaaten nach ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Verfahren ratifiziert worden sei, deutete nach Ansicht des Bürgerbeauftragten allein die Tatsache, dass die Vertreter der Mitgliedstaaten glaubten, einer solchen Bestimmung zustimmen zu können, darauf hin, dass es möglich wäre, schon jetzt die Öffentlichkeit zu allen entsprechenden Tagungen zuzulassen. In Anbetracht der Möglichkeit, dass er in diesem Zusammenhang wichtige Überlegungen außer Acht gelassen haben könnte, bat der Bürgerbeauftragte den Rat im Juni 2004 schriftlich darum, ihm mitzuteilen, welche Hindernisse, falls es solche geben sollte, seines Erachtens der Durchführung der von den Beschwerdeführern geforderten Änderung seiner Geschäftsordnung im Wege standen. In seiner Antwort nannte der Rat kein solches Hindernis. Der Bürgerbeauftragte war daher der Ansicht, dass der Rat beschließen könnte, die Öffentlichkeit zu allen Tagungen zuzulassen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, es sei denn, es gäbe gute Gründe dafür, dies nicht zu tun.
2.5 Der Bürgerbeauftragte unterzog die vom Rat vorgebrachten Argumente einer sorgfältigen Prüfung. Der Rat berief sich jedoch auf keine höherrangigen Grundsätze oder Ziele, die ihn berechtigen könnten, die Zulassung der Öffentlichkeit zu den Tagungen, zu denen er als Gesetzgeber zusammentritt, abzulehnen. Der Bürgerbeauftragte stellte im Gegenteil fest, dass der Rat unterstrichen hatte, er messe der Frage der Transparenz große Bedeutung bei. In seinem Schreiben an die Beschwerdeführer vom 19. November 2003 hatte der Generalsekretär des Rates anerkannt, dass die Öffnung der legislativen Beratungen des Rates ein Anliegen sei, das weitestgehende Unterstützung finde.
2.6 In seiner Stellungnahme wies der Rat auf die bestehenden Mittel zur Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Tätigkeit des Rates als Gesetzgeber hin, u. a. die Möglichkeit, sich gemäß der Verordnung Nr. 1049/2001 Zugang zu Dokumenten zu verschaffen. Der Bürgerbeauftragte vertrat die Ansicht, dass diese Mittel, so wichtig und empfehlenswert sie auch sein mögen, ohne Belang für diese Untersuchung seien, in der es um den Zugang zu den Tagungen des Rates und nicht um die Information über diese Tagungen gehe.
3 Schlussfolgerung
In Anbetracht der vorangegangenen Erwägungen gelangte der Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass die Weigerung des Rates, öffentlich zu tagen, wann immer er als Gesetzgeber tätig wird, ohne für diese Weigerung gute Gründe anzuführen, einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstellte.
Die ausführliche Stellungnahme des Rates
Nachdem er den Empfehlungsentwurf erhalten hatte, übermittelte der Rat am 17. Februar 2005 gemäß Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten eine ausführliche Stellungnahme.
In seiner ausführlichen Stellungnahme machte der Rat folgende Anmerkungen:
Nach Artikel 2 Absatz 1 des Statuts des Bürgerbeauftragten erstrecke sich das Mandat des Bürgerbeauftragten darauf, Missstände bei der „Tätigkeit" der Organe und Institutionen der Gemeinschaft aufzudecken. Bei der Geschäftsordnung des Rates handle es sich nicht um eine „Tätigkeit" des Rates im eigentlichen Sinne. In der Geschäftsordnung werde vielmehr geregelt, wie der Rat seine Tätigkeit ausübt.
Der Rat könne dem Bürgerbeauftragten nicht zustimmen, was dessen Unterscheidung zwischen der Weise, in der der Rat seine internen Verfahren organisiert, und der Tatsache anbelangt, dass die Öffentlichkeit nicht zu allen Tagungen des Rates zugelassen ist, auf denen legislative Angelegenheiten behandelt werden. Die Entscheidung, welchen Öffentlichkeitsgrad eine Ratstagung haben soll, sei ja eine der politischen Entscheidungen, die der Rat treffe, wenn er seine internen Verfahren organisiert. Die Organisation der Arbeiten des Rates habe große Bedeutung für die Mitglieder des Rates. Die Tatsache, dass die gegenwärtigen Regelungen die Folge einer in Sevilla getroffenen politischen Entscheidung des Europäischen Rates ‑ der höchsten politischen Instanz der Europäischen Union ‑ seien, mache bereits deutlich, wie politisch heikel diese Angelegenheit sei.
Der Rat sei daher weiterhin der Meinung, dass die vorliegende Beschwerde über das Mandat des Bürgerbeauftragten hinausgehe.
In Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag heiße es: „ Dieser Vertrag stellt eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas dar, in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden" (Hervorhebungen hinzugefügt). Die Argumentation des Bürgerbeauftragten scheine sich auf die unrichtige Annahme zu stützen, die hervorgehobenen Worte seien überflüssig. Artikel 1 Absatz 2 sei nicht unmittelbar anwendbar. Noch wichtiger sei, dass Artikel 1 Absatz 2 vom Wortlaut her programmatischen Charakter habe. Diese Formulierung erlaube es nicht, den Rechtsrahmen, in dem die Union handelt, nach Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag zu bewerten; dieser Wortlaut weise bestenfalls darauf hin, dass die künftige Union möglichst offen sein sollte, was aber zu dem Zeitpunkt, in dem der EU-Vertrag abgefasst wurde, noch nicht möglich gewesen sei.
In der Tat heiße es in dem entsprechenden Passus von Artikel 3 EU-Vertrag: „Die Union verfügt über einen einheitlichen institutionellen Rahmen, der die Kohärenz und Kontinuität der Maßnahmen zur Erreichung ihrer Ziele unter gleichzeitiger Wahrung und Weiterentwicklung des gemeinschaftlichen Besitzstands sicherstellt."
In Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag sei vorgesehen:
„Der Rat gibt sich eine Geschäftsordnung.
Der Rat legt zur Anwendung des Artikels 255 Absatz 3 in seiner Geschäftsordnung die Bedingungen fest, unter denen die Öffentlichkeit Zugang zu Dokumenten des Rates erhält. Für die Zwecke dieses Absatzes bestimmt der Rat die Fälle, in denen davon auszugehen ist, dass er als Gesetzgeber tätig wird, damit in solchen Fällen umfassenderer Zugang zu den Dokumenten gewährt werden kann, gleichzeitig aber die Wirksamkeit des Beschlussfassungsverfahrens gewahrt bleibt. In jedem Fall werden, wenn der Rat als Gesetzgeber tätig wird, die Abstimmungsergebnisse sowie die Erklärungen zur Stimmabgabe und die Protokollerklärungen veröffentlicht."
Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag habe keinen Vorrang vor Artikel 207 EG-Vertrag. Beide Artikel seien Bestimmungen des Primärrechts. Da Artikel 1 Absatz 2 nicht einmal einen Grundsatz darstelle, der gegenwärtiges Recht begründet, sondern ein eher allgemeines langfristiges Ziel beschreibe, könne er nicht der ausdrücklichen und klaren Formulierung von Artikel 207 EG-Vertrag übergeordnet sein.
Überdies stamme der Wortlaut sowohl von Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag als auch von Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag aus dem Amsterdamer Vertrag, was zeige, dass die erstgenannte Bestimmung keine Überlegungen widerspiegele, die jüngeren Datums wären als die der letztgenannten Bestimmung. Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag bringe vielmehr praktisch zum Ausdruck, inwieweit das in Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag beschriebene Ziel nach Auffassung der Autoren der Verträge umgesetzt werden kann, was die Arbeit des Rates anbelangt.
Abschließend erklärte der Rat, dass er der Überzeugung sei, dass seine gegenwärtige Geschäftsordnung keinen Missstand darstelle.
Die Anmerkungen der Beschwerdeführer
In ihren Anmerkungen erhielten die Beschwerdeführer ihre Beschwerde aufrecht und machten folgende weitere Anmerkungen:
Da es sich sowohl bei Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag als auch bei Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag um Vorschriften des Primärrechts handele, stünden sie normenhierarchisch auf der gleichen Stufe. Insofern sei es richtig, dass Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag keinen Vorrang vor Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag habe.
Nichtsdestotrotz entfalte Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag für die Union Rechtswirkungen, da es sich bei dieser Norm um einen rechtsverbindlichen „Grundsatz" der Union handele. Folglich müsse der Gesichtspunkt der „möglichst offenen Entscheidungen" bei jeder Entscheidung der Union in die Abwägung mit einbezogen werden. Mit der Pflicht der Organe zur Einbeziehung des Grundsatzes der Offenheit in ihre Entscheidungen korrespondiere die Pflicht zur rechtlichen Überprüfung der grundlegenden Verfahrensregelungen am Maßstab des Artikels 1 Absatz 2 EU-Vertrag.
Der Wortlaut des Artikels 1 Absatz 2 EU-Vertrag, nach dem „dieser Vertrag [...] eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas [darstellt], in der Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden" widerspreche dem nicht, da es sich bei der Verwirklichung um einen Prozess handele, der bereits mit dem Vertrag von Amsterdam begonnen wurde.
Die Einschätzung der ausführlichen Stellungnahme des Rates durch den Bürgerbeauftragten
Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass der Rat seinem Standpunkt vor allem aus zwei Gründen widerspricht. Erstens vertritt der Rat die Auffassung, dass die vorliegende Beschwerde nicht in den Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten falle. Zweitens liegt nach Ansicht des Rates gar kein Misstand in der Verwaltungstätigkeit vor.
Mit Blick auf den erstgenannten Einwand sei daran erinnert, dass der Bürgerbeauftragte gemäß Artikel 195 EG-Vertrag die Aufgabe hat, Missstände bei der Tätigkeit der Organe oder Institutionen der Gemeinschaft, mit Ausnahme des Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz in Ausübung ihrer Rechtsprechungsbefugnisse zu untersuchen. Die vorliegende Beschwerde betrifft die Frage, ob der Rat in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber öffentlich tagen sollte. Der Bürgerbeauftragte vertritt die Auffassung, dass Ratstagungen „Tätigkeiten" des Rates im Sinne von Artikel 195 EG-Vertrag darstellen. Darüber hinaus ist es für den Bürgerbeauftragten schwer nachvollziehbar, warum die Annahme einer Geschäftsordnung durch den Rat nicht auch als „Tätigkeit" einer Institution der Gemeinschaft betrachtet werden sollte.
In Bezug auf das Argument des Rates, die vorliegende Beschwerde betreffe eine politische Entscheidung, die nicht in den Aufgabenbereich des Bürgerbeauftragten falle, sei daran erinnert, dass die Beschwerde nicht die Art und Weise betrifft, in der der Rat seine inneren Verfahren organisiert, sondern die Frage, ob die Öffentlichkeit von den Tagungen des Rates, die er als Gesetzgeber abhält, ausgeschlossen werden kann. Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass der Rat geltend macht, dass die Entscheidung über das Ausmaß, in dem er die Öffentlichkeit zu den Tagungen zulässt, zu den politischen Entscheidungen gehöre, die vom Rat zu treffen sind. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten und gemäß den nachstehenden Darlegungen lässt sich dieser Standpunkt schwer mit Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag vereinbaren. Zwar legt Artikel 207 EG-Vertrag fest, dass es Sache des Rates ist, sich eine Geschäftsordnung zu geben; er besagt jedoch nicht, dass der Öffentlichkeitsgrad von Tagungen des Rates, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, als politische Angelegenheit zu betrachten ist, über die der Rat selbst zu entscheiden habe. Unabhängig von der Frage, welche Wirkung Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag beizumessen ist, sei darauf hingewiesen, dass nach dieser Bestimmung Entscheidungen in der Union „möglichst offen" getroffen werden sollten. Es ist keine Rede davon, dass der Grad der Offenheit vom politischen Willen der betreffenden Institutionen oder Organe der EU abhängen soll. Daher ist der Bürgerbeauftragte nach wie vor der Überzeugung, dass die vorliegende Beschwerde in seinen Aufgabenbereich fällt.
Was die Sachfrage betrifft, so hat der Rat Recht, wenn er auf den vollständigen Wortlaut von Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag hinweist, wonach der Vertrag „eine neue Stufe bei der Verwirklichung einer immer engeren Union der Völker Europas [darstellt], in der die Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden". Der Bürgerbeauftragte stimmt mit dem Rat überein, dass gemäß dieser Bestimmung darauf hingearbeitet werden soll, dass „Entscheidungen möglichst offen [...] getroffen werden". Der Auffassung des Rates, dass Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag als programmatische Bestimmung zu betrachten sei, die keine Rechtswirkung habe, kann sich der Bürgerbeauftragte jedoch nicht anschließen.
Die betreffende Klausel in Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag wurde durch den Vertrag von Amsterdam eingeführt, der am 2. Oktober 1997 unterzeichnet wurde und 1999 in Kraft trat. Wie der Rat ganz richtig feststellte, stammt der derzeitige Wortlaut von Artikel 207 Absatz 3 EG-Vertrag ebenfalls aus dem Vertrag von Amsterdam. Artikel 207 Absatz 3 enthält jedoch keinerlei Festlegung, die den Rat daran hindern würde, die Öffentlichkeit zu Tagungen zuzulassen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält. Daher ist der Verweis auf diese Vorschrift nach Ansicht des Bürgerbeauftragten nicht schlüssig.
Der Bürgerbeauftragte nimmt die Auffassung des Rates zur Kenntnis, Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag weise bestenfalls darauf hin, dass die künftige Union möglichst offen sein sollte, was aber zu dem Zeitpunkt, in dem der EU-Vertrag abgefasst wurde, noch nicht möglich gewesen sei. Selbst wenn diese Auffassung richtig wäre, hat der Rat jedoch nach Ansicht des Bürgerbeauftragten zwei wichtige Erwägungen nicht angemessen berücksichtigt: Erstens besagt Artikel 1 Absatz 2 EU-Vertrag klar und deutlich, dass Entscheidungen in der Europäischen Union „möglichst offen" getroffen werden sollen und gibt damit unmissverständlich die Entwicklungsrichtung für die Union und ihre Institutionen vor. Somit besteht für den Rat, was die Entwicklungsrichtung betrifft, kein Ermessensspielraum bzw. keine politische Entscheidungsfreiheit. Der Rat hat jedoch keine objektiven Gründe dafür angeführt, die es ihm verbieten würden, sich in diese Richtung zu bewegen und die Öffentlichkeit zu den Tagungen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, zuzulassen. Zweitens spielt der Zeitfaktor bei der Erreichung dieses Ziels eine wichtige Rolle. Daher kann sich die Analyse nach Ansicht des Bürgerbeauftragten nicht auf die Bestimmungen beschränken, die durch den Vertrag von Amsterdam eingeführt wurden, sondern muss den nachfolgenden Entwicklungen Rechnung tragen. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass der Rat selbst in der 2000 angenommenen neuen Geschäftsordnung Bestimmungen eingeführt hat, nach denen die Tagungen, die er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber abhält, in stärkerem Maße öffentlich sind. Damit hat der Rat nach Ansicht des Bürgerbeauftragten deutlich gemacht, dass Schritte unternommen werden müssen und können, um die Transparenz seiner gesetzgeberischen Tätigkeit zu erhöhen. Darüber hinaus bestätigt die Annahme der neuen Geschäftsordnung im Jahr 2000, dass ein solches Vorgehen im Rahmen des derzeit geltenden Gemeinschaftsrechts möglich war und ist.
In ihrer Beschwerde machten die Beschwerdeführer geltend, dass die Annahme des Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa im Jahr 2003 und seine Unterzeichnung durch alle Mitgliedstaaten im Jahr 2004 wichtige Ereignisse darstellten, die für ihren Fall relevant seien. Dieser Vertrag wurde noch nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert und ist daher noch nicht in Kraft getreten. Um jegliche Zweifel auszuschließen, sei darauf hingewiesen, dass die Bewertung des vorliegenden Falls durch den Bürgerbeauftragten auf den bestehenden Verträgen und dem geltenden Gemeinschaftsrecht, nicht jedoch auf dem Vertrag über eine Verfassung für Europa beruht.
Der Bürgerbeauftragte bleibt daher bei seiner Auffassung, dass die Tatsache, dass der Rat es ablehnt, öffentlich zu tagen, wann immer er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber tätig ist, ohne gute Gründe für diese Weigerung anzuführen, einen Missstand darstellt.
Die Empfehlung des Bürgerbeauftragten
In Anbetracht des Vorstehenden richtet der Bürgerbeauftragte seinen Empfehlungsentwurf nunmehr in Gestalt folgender Empfehlung wie folgt an den Rat:
Der Rat der Europäischen Union sollte seine Weigerung, öffentlich zu tagen, wann immer er in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber tätig wird, überprüfen.
Das Europäische Parlament könnte die Annahme der Empfehlung als Entschließung in Erwägung ziehen.
Strassburg, den 4. Oktober 2005
Professor Dr. Nikiforos DIAMANDOUROS
[1]Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. 1994 L 113, S. 15.
[2]ABl. L 230 vom 28.8.2002, S. 7. Der Wortlaut dieser Bestimmungen ist im Entwurf einer Empfehlung des Bürgerbeauftragten im Zusammenhang mit dem vorliegenden Fall zitiert, die (in englischer und in deutscher Sprache) auf der Internetseite des Bürgerbeauftragten abrufbar ist (http://www.euro-ombudsman.eu.int).
[3]Siehe S. 22-23.
[4]Siehe Jahresbericht 2002 des Europäischen Bürgerbeauftragten, S. 19.
[5]Es mag sinnvoll sein, darauf hinzuweisen, dass Artikel 49 Absatz 2 des Entwurfs eines Verfassungsvertrags zu Artikel 50 Absatz 2 des Vertrags über eine Verfassung für Europa wurde und dass der Wortlaut leicht abgeändert wurde Die entsprechende Bestimmung lautet nun wie folgt: „Das Europäische Parlament tagt öffentlich; dies gilt auch für den Rat, wenn er über Entwürfe zu Gesetzgebungsakten berät oder abstimmt."
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