Entscheidung der Europäischen Bürgerbeauftragten in der Beschwerde 894/2015/PMC betreffend die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in Bezug auf die Bearbeitung eines Antrags auf Zugang der Öffentlichkeit zu bestimmten Berichten über klinische Studien
Päätös
Kanteluasia 894/2015/PMC - Tutkittavaksi otetut kantelut, pvm Keskiviikkona | 17 kesäkuuta 2015 - Päätökset, pvm Perjantaina | 09 lokakuuta 2015 - Toimielin, jota kantelu koskee Euroopan lääkevirasto ( Ei hallinnollista epäkohtaa , Tutkimusta ei syytä jatkaa )
Die Beschwerde betraf einen Antrag auf Zugang der Öffentlichkeit zu verschiedenen Berichten über klinische Studien, die der EMA vorliegen und einen Impfstoff gegen Hepatitis-A und Hepatitis-B betreffen. Die EMA gewährte Zugang zu den Dokumenten, schwärzte jedoch bestimmte Informationen, um personenbezogene Daten und geschäftliche Interessen zu schützen. Während der Beschwerdeführer grundsätzlich der EMA zustimmte, dass personenbezogene Daten geschützt werden müssen, trug er vor, dass die EMA wohl der Einfachheit halber ganze Seiten geschwärzt habe. Die Bürgerbeauftragte stellte fest, dass die EMA den Antrag des Beschwerdeführers sorgfältig bearbeitet hatte. Insbesondere stellte sie keinen Missstand in der Verwaltungstätigkeit in Bezug auf die Entscheidung der EMA, personenbezogene Daten zu schwärzen, wie etwa die Namen der Verfasser und Mitverfasser der Berichte, fest. Die Bürgerbeauftragte war ferner der Ansicht, dass es keinen hinreichenden Anlass für weitere Untersuchungen der Entscheidung der EMA gab, den Zugang zu medizinischen Artikeln und Studien, die in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, zu verweigern, da diese Veröffentlichungen leicht online zugänglich sind.
Der Hintergrund der Beschwerde
1. Ende 2014 reichte ein deutscher Staatsangehöriger bei der EMA einen Antrag auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten ein, die über 20 Berichte über klinische Studien über Hepatitis-A und Hepatitis-B betreffen (im Folgenden: HAB-Studien). Die EMA antwortete, dass sich sein Antrag auf eine sehr große Anzahl von Dokumenten beziehe, von denen jedes einzelne vor der Offenlegung geprüft werden müsse. Sie teilte mit, dass sie daher nicht in der Lage sein werde, unmittelbar auf den Antrag auf Zugang zu reagieren. In den folgenden Monaten gewährte die EMA schrittweise Zugang zu den einschlägigen Dokumenten.
2. Beispielsweise gewährte die EMA Ende April 2015 Zugang zur HAB-Studie 121 (Seiten 1-1 500). Auf der Grundlage der Ausnahmen in der Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten[1] schwärzte die EMA jedoch bestimmte Informationen, um personenbezogene Daten und geschäftliche Interessen zu schützen[2]. Die EMA stellte fest, dass der Beschwerdeführer, sollte er mit den Schwärzungen nicht einverstanden sein, einen Zweitantrag stellen könne.
3. Mitte Mai 2015 setzte der Beschwerdeführer die EMA darüber in Kenntnis, dass er mit ihrer Bearbeitung seines Antrags auf Zugang ab einer gewissen Studie nicht einverstanden sei. Er stellte fest, dass ab dieser Studie die EMA ganze Seiten geschwärzt habe. Er bat daher die EMA um Überprüfung ihres Standpunkts.
4. Im Mai 2015 antwortete die EMA und informierte den Beschwerdeführer insbesondere darüber, dass es gemäß den einschlägigen Bestimmungen erforderlich sei, personenbezogene Daten zu entfernen[3], um die Privatsphäre und die persönlichen Daten einer natürlichen Person zu schützen, wenn ein Dokument für dritte Parteien freigegeben wird. Beispielsweise stellten jegliche Informationen, durch die Patienten, direkt oder indirekt, identifiziert werden könnten, personenbezogene Daten dar. Desweiteren verwies die EMA auf ihre Empfehlungen zur Transparenz[4], die vorsähen, das personenbezogene Daten, wie Geburtsdatum, berichtendes Land und Patienten-Identifikations-Codes geschwärzt werden müssen, um Anonymität zu garantieren.
Die Untersuchung
5. Die Bürgerbeauftragte leitete eine Untersuchung im Hinblick auf die Beschwerde ein und stellte den folgenden Beschwerdepunkt und die folgende Forderung fest:
1) Die EMA hat zu Unrecht ganze Seiten geschwärzt.
2) Die EMA sollte den Zugang der Öffentlichkeit entsprechend der anwendbaren Regeln über den Zugang zu Dokumenten gewähren.
6. Während der Beschwerdeführer grundsätzlich zustimmt, dass personenbezogene Daten geschützt werden müssen, ersuchte er die Bürgerbeauftragte zu prüfen, ob die EMA bei der Bearbeitung seines Antrags auf Zugang entsprechend der anwendbaren Regeln über den Zugang zu Dokumenten gehandelt habe. Der Beschwerdeführer begehrte insbesondere Auskunft darüber, ob alle geschwärzten Angaben – einschließlich der Namen der Verfasser und Mitverfasser von medizinischen Studien und den „Testergebnissen und Krankheiten“ – von der Ausnahme in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten[5] gedeckt sind.
Akteneinsicht
7. Um die Schlüssigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu prüfen, entschied die Bürgerbeauftragte, Einsicht in die Akten zu nehmen. Da sich die Bedenken des Beschwerdeführers auf zahlreiche HAB-Studien mit sehr vielen Seiten bezogen, war das Untersuchungsteam der Bürgerbeauftragten der Ansicht, dass es im Hinblick auf den angemessenen Einsatz öffentlicher Mittel angezeigt sei, zunächst eine beispielhafte HAB-Studie zu untersuchen. Die gewählte Studie war die HAB-Studie 121 (Seiten 1-1 500). Alle HAB-Studien, zu denen dem Beschwerdeführer Zugang gewährt wurde, beziehen sich jedoch auf die gleiche zugrunde liegende Angelegenheit (klinische Studien über Hepatitis-A und Hepatitis-B) und folgen einem sehr ähnlichen allgemeinen Aufbau, wie die vom Beschwerdeführer eingereichten Dokumente zeigen.
8. Gemäß den Regeln über die Akteneinsicht ersuchte die EMA die Bürgerbeauftragte, den Bericht als vertraulich zu behandeln[6].
9. Nach sorgfältiger Prüfung des eingesehenen Berichts durch das Untersuchungsteam der Bürgerbeauftragten wurde der Beschwerdeführer über die erste Einschätzung des Untersuchungsteams informiert, dass der Standpunkt der EMA angemessen erscheine und es keinen Hinweis gebe, dass die Schwärzungen über die Notwendigkeit des Schutzes personenbezogener Daten und geschäftlicher Interessen hinausgingen. Dem Beschwerdeführer wurde die Möglichkeit gegeben, zur ersten Einschätzung des Untersuchungsteams eine Stellungnahme abzugeben. Er wurde darüber informiert, dass die Bürgerbeauftragte diese Anmerkungen in ihrer endgültigen Bewertung der Beschwerde berücksichtigen würde.
10. Der Beschwerdeführer legte seine Stellungnahme vor, in der er der ersten Einschätzung des Untersuchungsteams widersprach und auf die Anmerkungen verwies, die er in seiner Beschwerde vorgetragen hatte und um deren Bearbeitung durch die Bürgerbeauftragte er gebeten hatte.
Würdigung durch die Bürgerbeauftragte
11. Die Prüfung der vom Beschwerdeführer bereitgestellten Dokumente, wie auch die Akteneinsicht der Bürgerbeauftragten, bestätigen die Behauptung des Beschwerdeführers, dass die EMA ganze Seiten in den HAB-Studien geschwärzt hat. Die geschwärzten Textpassagen beziehen sich auf zwei Kategorien, zum einen auf Daten in Bezug auf die Verfasser und Mitverfasser sowie Patienten der einschlägigen klinischen Studien und zum anderen auf medizinische Artikel und Studien, die in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden.
12. Was zunächst die Entscheidung des EMA anbelangt, die Daten in Bezug auf Verfasser und Mitverfasser der HAB-Studien zu schwärzen[7], stellt die Bürgerbeauftragte fest, dass davon ihre Namen, Lebensläufe, Unterschriften und Kontaktdaten sowie die Patienten-Identifikations-Codes betroffen sind. In der Verordnung werden personenbezogene Daten als „alle Informationen über eine bestimmte oder bestimmbare natürliche Person (im Folgenden betroffene Person)“ definiert. Als „bestimmbar wird eine Person angesehen, die direkt oder indirekt identifiziert werden kann, insbesondere durch Zuordnung zu einer Kennnummer oder zu einem oder mehreren spezifischen Elementen, die Ausdruck ihrer physischen, physiologischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität sind.“[8] In Anbetracht des Vorstehenden wird klar, dass die fraglichen Daten – mit einer möglichen, weiter unten zu diskutierenden Ausnahme – personenbezogene Daten darstellen. Was den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten, die personenbezogene Daten enthalten, anbelangt, hat der Gerichtshof festgestellt[9], dass der Antragsteller die Notwendigkeit der Übermittlung dieser personenbezogenen Daten nachzuweisen hat[10]. Die Bürgerbeauftragte stellt fest, dass der Antragsteller im vorliegenden Fall dies nicht getan hat. Die EMA hat daher eindeutig korrekt gehandelt, als sie entschieden hat, dem Beschwerdeführer die einschlägigen personenbezogene Daten nicht zugänglich zu machen. Daraus folgt, dass zu diesen personenbezogenen Daten auch kein teilweiser Zugang gewährt werden konnte.
13. Die Bürgerbeauftragte ist nicht ganz davon überzeugt, dass diese Schlussfolgerung auch für die Patienten-Identifikations-Codes gilt, da diese Informationen außer der Person, die die Nummern zugeteilt hat, niemandem ermöglichen würden, die Patienten zu identifizieren. Da diese Codes jedoch bloße Nummern darstellen, die wahrscheinlich keine zusätzlichen Wert für den Beschwerdeführer haben, wenn sie offengelegt werden, ist sie der Ansicht, dass es nicht zweckdienlich ist, diesen Aspekt der Beschwerde weiter zu untersuchen. Sollte der Beschwerdeführer jedoch daran interessiert sein, Zugang zu diesen Patienten-Identifikations-Codes zu erhalten, könnte er erwägen, sich an die EMA mit dem Ersuchen um das Überdenken ihres Standpunkts mit dem Verweis auf die Bewertung der Bürgerbeauftragten zu wenden.
14. Was zweitens die Entscheidung der EMA betrifft, die Teile der HAB-Studien zu schwärzen, die aus medizinischen Artikeln und Studien, die in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, bestehen, stellt die Bürgerbeauftragte fest, dass die EMA sich auch auf die Notwendigkeit des Schutzes geschäftlicher Interessen berief. Die Bürgerbeauftragte stellt auch fest, dass die Ausnahme der Notwendigkeit des Schutzes geschäftlicher Interessen sich auch ausdrücklich auf das geistige Eigentum erstreckt[11]. Es scheint wahrscheinlich, dass zumindest einige der Artikel und Studien, die in wissenschaftlichen Zeitschriften veröffentlicht wurden, vom Urheberrecht geschützt sind. Es ist der Bürgerbeauftragten jedoch nicht unmittelbar offensichtlich, warum die Offenlegung einer Kopie dieser Dokumente nach einem Antrag auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten dieses Urheberrecht notwendigerweise verletzen würde. Die Bürgerbeauftragte stellt in der Tat fest, dass die EMA im vorliegenden Fall dem Beschwerdeführer gegenüber – anders als in der ständigen Rechtsprechung gefordert – nicht ordnungsgemäß begründet hat, wie die Offenlegung dieser Informationen den Schutz der geschäftlichen Interessen untergraben würde. Es sollte jedoch berücksichtigt werden, dass die von der EMA dem Beschwerdeführer bereitgestellten Informationen in Bezug auf diese medizinischen Artikel und Studien dem Beschwerdeführer ermöglichen, diese Veröffentlichungen in den betreffenden Zeitschriften zu suchen. Die EMA übermittelte dem Beschwerdeführer die Namen der Verfasser und die einschlägigen Titel; ferner können die einschlägigen Artikel leicht im Internet eingesehen werden, wie eine kurze Online-Recherche der Dienststellen der Bürgerbeauftragten gezeigt hat. Die Bürgerbeauftragte ist daher der Ansicht, dass es keinen hinreichenden Anlass für weitere Untersuchungen zu diesem speziellen Aspekt gibt.
15. Schließlich stellt die Bürgerbeauftragte fest, dass der Beschwerdeführer scheinbar auch mit dem Schwärzen der „Testergebnisse und Krankheiten“ durch die EMA unzufrieden ist, wie unter Randnummer 6 dargestellt. Der Bürgerbeauftragten ist nicht klar, auf welche Passagen der Dokumente sich genau der Beschwerdeführer bezieht. Die einzigen Passagen, die in dieser Hinsicht einschlägig sein könnten, scheinen die im Abschnitt „Prüfungen“ (d.h. 'Audits', in der englischen Originalversion) zu sein. Während vertreten werden kann, dass „Prüfungen“ sich auf „Testergebnisse und Krankheiten“ beziehen, stellt die Bürgerbeauftragte fest, dass diese Abschnitte in der Tat die Namen der Personen auflisten, die die Einführung von testbezogenen Informationen in die einschlägigen Datenbanken für die Aufzeichnung der relevanten Daten genehmigen. Diese Angaben stellen daher eindeutig eine Ausnahme in Bezug auf den Schutz personenbezogener Daten dar, der von der EMA vorgetragen wurde (vgl. Randnummer 12 oben), wobei die Bürgerbeauftragte der Ansicht ist, dass teilweiser Zugang in Bezug auf diese Schwärzungen nicht möglich ist. Um nachvollziehen zu können, welche Teile der Dokumente der Beschwerdeführer meinte, als er sich auf „Testergebnisse und Krankheiten“ bezog, bat die Bürgerbeauftragte ihn im August 2015, ein Beispiel zu nennen. Der Beschwerdeführer antwortete allerdings nicht. Infolgedessen kann die Bürgerbeauftragte diesen Aspekt der Beschwerde nicht weiter verfolgen.
Schlussfolgerung
Ausgehend von der Untersuchung zu dieser Beschwerde schließt die Bürgerbeauftragte den Fall mit der folgenden Schlussfolgerung ab:
Es gab keinen Missstand in der Verwaltungstätigkeit in Bezug auf die Entscheidung der EMA, personenbezogene Daten zu schwärzen.
Es besteht kein Anlass für weitere Untersuchungen sonstiger Aspekte dieser Beschwerde.
Der Beschwerdeführer und die EMA werden von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt.
Emily O'Reilly
Straßburg, 09/10/2015
[1] Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission, ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43.
[2] Vgl. Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.
[3] Vgl. Artikel 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 45/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2000 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe und Einrichtungen der Gemeinschaft und zum freien Datenverkehr, ABl. 2001 L 8, S. 1.
[4] http://www.ema.europa.eu/docs/en_GB/document_library/Regulatory_and_procedural_guideline/2009/12/WC500016912.pdf
[5] Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.
[6] Der Beschwerdeführer hat daher keinen Zugang zu dem Dokument (vgl. Artikel 5 Absatz 2, Artikel 13 Absatz 3 und Artikel 14 Absatz 2 des Beschlusses des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Annahme von Durchführungsbestimmungen).
[7] Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.
[8] Vgl. Artikel 2a der Verordnung (EG) Nr. 45/2001.
[9] Rechtssache C‑28/08 P, Kommission/Bavarian Lager, Slg. 2010, I‑6055
[10] Artikel 8 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 45/2001.
[11] Artikel 4 Absatz 2 erster Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.