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Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an den Empfehlungsentwurf an den Rat der Europäischen Union in der Beschwerdesache 917/2000/GG

 

(erstellt in Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 7 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten[1])

Beschwerde

Die Beschwerde wurde im Juli 2000 durch die private Organisation Statewatch eingereicht. Der Beschwerdeführerin zufolge können die maßgeblichen Tatsachen wie folgt zusammengefasst werden:

Die Beschwerdeführerin hatte Kopien der Tagesordnungen und 'Beratungsergebnisse' von Tagungen des Rates der Europäischen Union zum Thema Justiz und Inneres erhalten. Sie hatte festgestellt, dass viele der in den 'Beratungsergebnissen' aufgeführten Dokumente in den Tagesordnungen dieser Tagungen nicht erschienen. Darüber hinaus hatte sie erfahren, dass eine Reihe von Dokumenten, wie z.B. Arbeitsunterlagen und SN-Dokumente (Dokumente ohne Nummer), generell weder in den Tagesordnungen noch in den 'Beratungsergebnissen' aufgeführt wurden.

Die Beschwerdeführerin richtete am 27. Januar 1999 ein Schreiben an den Rat mit der Bitte um Bereitstellung „aller Arbeitsunterlagen, Non-papers, Tagungsunterlagen, SN-Dokumente (Dokumente ohne Nummer) etc.„, die im Januar 1999 den Teilnehmern bestimmter Tagungen vorgelegt, jedoch nicht in den Tagesordnungen dieser Tagungen aufgeführt worden waren. In seinem Antwortschreiben vom 24. März 1999 vertrat der Rat die Ansicht, dass Anträge auf Zugang zu Dokumenten gemäß Beschluss 93/731/EG des Rates vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten[2] Informationen enthalten müssten, die die eindeutige Ermittlung der angeforderten Dokumente ermöglichten. Der Rat machte geltend, dass er die betreffenden Dokumente, sofern vorhanden, nicht bestimmen konnte. Nach Auffassung des Rates könne dies nur auf Grundlage der Tagesordnungen bzw. der 'Beratungsergebnisse' erfolgen, die der Beschwerdeführerin bereits zugesandt worden seien bzw. durch diese angefordert werden könnten.

Die Beschwerdeführerin reichte in der Folge einen Zweitantrag ein, in dem sie darauf hinwies, dass keine Garantie für die Gewährung des Zugangs zu den vom Rat genannten 'Beratungsergebnissen' bestehe. Sie betonte außerdem, dass es durchaus der Fall sein könne, dass Dokumente der genannten Art nicht in den Tagesordnungen oder 'Beratungsergebnissen' aufgeführt seien, obwohl sie Teil des Beschlussverfahrens seien. Die Beschwerdeführerin hatte folglich den Eindruck, dass der Rat weder eine Liste noch ein Verzeichnis aller vorab verteilten oder den Tagungsteilnehmern vorgelegten Dokumente führe. In seiner Entscheidung über den Zweitantrag setzte der Rat die Beschwerdeführerin davon in Kenntnis, dass er auf Grundlage der 'Beratungsergebnisse' weitere 79 Dokumente ermitteln habe können, die den Tagungsteilnehmern vorgelegt worden seien und dass der Zugang zu 15 dieser Dokumente verwehrt werde, wobei sich unter den aufgeführten Dokumenten nur ein SN-Dokument befinde.

In einem anderen Antrag vom 25. Januar 1999 ersuchte die Beschwerdeführerin um Zugang zu „allen Dokumenten (Restreint, Limite, Non-papers, Tagungsunterlagen, Arbeitsunterlagen, SN-Dokumente und alle anderen Dokumente etc.)", die den Tagungsteilnehmern der Arbeitsgruppe ,Polizeiliche Zusammenarbeit' (Expertentagung - Überwachung des Fernmeldeverkehrs) am 3./4. September 1998 vorgelegt worden waren. Die Antwort des Rates war fast identisch mit derjenigen, die auf den oben erwähnten Antrag gegeben wurde. Die Beschwerdeführerin reichte einen Zweitantrag ein, in dem sie darauf hinwies, dass anlässlich dieser 2-tägigen Tagung über fünf wesentliche Fragen laut Tagesordnung lediglich ein 4-seitiges Dokument (das der Rat offen gelegt hatte) vorgelegt worden sei. Der Rat ließ die Beschwerdeführerin in seiner Entscheidung über den Zweitantrag wissen, dass er auf Grundlage der ,Beratungsergebnisse' zwei weitere Dokumente ermittelt habe, die beide zugänglich seien.

Laut Beschwerdeführerin hat der Rat folgende Anweisung gegeben, als sein öffentliches Dokumentenregister am 1. Januar 1999 online zur Verfügung gestellt wurde:

„Vertrauliche Dokumente (,Confidential'), Dokumente für den internen Gebrauch ('Restreint'), SN-Dokumente sowie Non-papers werden nicht in das öffentliche Register aufgenommen. Deshalb werden solche Dokumente in offiziellen Dokumenten des Rates künftig nicht mehr erwähnt (dies gilt insbesondere für vorläufige Tagesordnungen und Beratungsergebnisse)." 

Die Beschwerdeführerin vertrat den Standpunkt, dass es keine Rechtfertigung für die bewusste Verbannung solcher Dokumente von Tagesordnungen, ,Beratungsergebnissen' und aus dem öffentlichen Register gebe. Sie begründete ihre Ansicht damit, dass die Bürger ohne Vorliegen einer vollständigen Liste der vom Rat berücksichtigten Dokumente nicht in der Lage seien, sich ein vollständiges Bild von den Beratungen zu machen. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, dass der Rat in keinem der beiden Fälle darauf hingewiesen habe, dass weitere Nachforschungen angestellt worden waren, um festzustellen, welche Dokumente den Teilnehmern der entsprechenden Tagungen vorgelegt worden waren. Auch habe der Rat keine Dokumentenliste bereitgestellt oder diesen Punkt angesprochen.

Die Beschwerdeführerin stellte im Wesentlichen folgende Behauptungen auf: 

  1. Der Rat habe es versäumt, die durch die Beschwerdeführerin angeforderten Dokumente bereitzustellen, das heißt 1.) alle Arbeitsunterlagen, Non-papers, Tagungsunterlagen, SN-Dokumente (Dokumente ohne Nummer) etc., die den Teilnehmern bestimmter Tagungen im Januar vorgelegt worden waren und die die Beschwerdeführerin am 27. Januar 1999 angefordert hatte, und 2.) alle Dokumente (Restreint, Limite, Non-papers, Tagungsunterlagen, Arbeitsunterlagen, SN-Dokumente und alle anderen Dokumente etc.), die den Teilnehmern einer Tagung der Arbeitsgruppe ,Polizeiliche Zusammenarbeit' (Expertentagung - Überwachung des Fernmeldeverkehrs) am 3./4. September 1998 vorgelegt worden waren.
  2. Der Rat habe es versäumt, eine Liste all dieser Dokumente bereitzustellen bzw. zu führen.

Untersuchung

Die Beschwerde wurde an den Rat der Europäischen Union mit der Bitte um Stellungnahme weitergeleitet.

Stellungnahme des Rates  

Der Rat gab in seiner Stellungnahme die folgenden Erläuterungen:

Im vorliegenden Fall seien 85 Dokumente ermittelt worden, von denen 68 an die Beschwerdeführerin freigegeben worden seien. Allgemein gesagt, werfe die vorliegende Beschwerde grundsätzlich die Frage nach der Arbeitsweise des Rates auf.

Im Gegensatz zu den Vorschriften einiger Mitgliedstaaten werde in den Vorschriften des Rates über den Zugang zu Dokumenten nicht zwischen vorbereitenden und endgültigen Dokumenten unterschieden: Beide fielen in den Anwendungsbereich des Beschlusses 93/731, wenn sie sich „im Besitz des Rates" einschließlich seiner Vorbereitungsgremien (Ausschüsse und Arbeitsgruppen) befänden. Nicht alle vorbereitenden Dokumente seien jedoch gleicher Natur. 

Einerseits gebe es Dokumente, die trotz ihres vorbereitenden Charakters zu einem bestimmten Grad insofern ,endgültig' seien, als sie als Ergebnis eines vorläufigen Beratungsprozesses betrachtet werden könnten und/oder als das genaue Abbild des Standes der Beratungen im Rat über einen bestimmten Gegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt (wie zum Beispiel die endgültige Fassung der ,Beratungsergebnisse', die den jeweiligen Standpunkt der Delegationen zu einem bestimmten Gegenstand widerspiegelten). Solche Dokumente erhielten im Allgemeinen die Form offizieller Dokumente, die - mit Ausnahme einer sehr kleinen Anzahl von Dokumenten, die als ,confidential' (vertraulich), ,secret' (geheim) oder ,top secret' (streng geheim) eingestuft würden und die Sicherheits- und Verteidigungsfragen oder militärisches oder nicht-militärisches Krisenmanagement zum Inhalt hätten - im öffentlichen Register der Ratsdokumente zumindest mit ihrer Dokumentennummer aufgeführt seien.

Andererseits gebe es Schriftstücke, die lediglich Vorüberlegungen einer Einzelperson oder einer sehr kleinen Personengruppe zu den Beratungen des Rates darstellten und die in bestimmten Mitgliedstaaten wahrscheinlich nicht als ,endgültige' oder ,offizielle', der Öffentlichkeit zugängliche Dokumente betrachtet würden. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn das Generalsekretariat den Entwurf eines Vermerks oder eines Berichts, der den jeweiligen Standpunkt der Delegationen zu einem bestimmten Beratungsgegenstand zusammenfasse, an die Mitglieder der betreffenden Arbeitsgruppe oder des betreffenden Ausschusses verteile: In diesem Stadium gebe ein solcher Entwurf lediglich die persönliche Einschätzung eines einzelnen Beamten wieder, die durchaus unvollständig oder unkorrekt sein könne. Gerade diese Art von Schriftstücken werde für gewöhnlich als Non-Papers, SN-Dokumente oder Arbeitsunterlagen oder auf andere informelle Art verteilt. Deren gemeinsames Merkmal bestehe in ihrer ausschließlich vorübergehenden, vorbereitenden Natur: Wenn sie inhaltlich bestätigt würden oder die in ihnen dargestellten Vorstellungen durch die betreffende Gruppe oder den betreffenden Ausschuss aufgenommen würden, fänden sie schließlich in einem Dokument ihren Niederschlag, das im öffentlichen Register auffindbar sei.

Der Rat stimmte mit der Ansicht überein, dass eine ordnungsgemäße Verwaltung ein Register mit Bezugsnummern zu allen Dokumenten der ersten Kategorie voraussetze mit Ausnahme einer sehr kleinen Anzahl von Dokumenten, deren spezieller Inhalt einer besonderen Behandlung bedürfe. Der Rat vertrat jedoch nicht die Auffassung, dass es erforderlich oder zweckdienlich sei, ein vollständiges, zentrales Verzeichnis und Register über jedes noch so vorläufige oder vorübergehende Schriftstück zu führen, das an seine Mitglieder oder deren Vertreter verteilt werde. Dies würde die Verwaltung seines Generalsekretariats in der Tat sehr stark belasten. Im Hinblick auf die Forderung der Beschwerdeführerin, solche Schriftstücke in den Tagesordnungen bzw. den 'Beratungsergebnissen' der betreffenden Tagungen zu nennen, wies der Rat darauf hin, dass der Zugang zu Dokumenten in ihrer bestehenden Form in den Vorschriften des Rates über den Zugang zu Dokumenten vorgesehen sei, nicht jedoch die Verpflichtung des Rates, Dokumente in jedem einzelnen zur Information verbreiteten anderen Schriftstück oder sonstigen Datenträger aufzuführen.

Das Hauptproblem sei es natürlich zu bestimmen, ab wann ein Entwurf oder ein informelles Schriftstück als Dokument zu betrachten sei, das registriert und archiviert werden sollte. Diese Frage werde zurzeit im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Kommission für eine Verordnung auf Grundlage von Artikel 255 Absatz 2 des EG-Vertrages erörtert. Deshalb sehe sich der Rat in diesem Stadium nicht in der Lage, einen bestimmten Standpunkt hinsichtlich der Kriterien einzunehmen, die zu diesem Zweck anzuwenden seien. 

Bemerkungen der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin erhielt ihre Beschwerde in ihren Bemerkungen aufrecht und machte folgende weitere Erläuterungen:

Entgegen den Behauptungen des Rates könnten die „Überlegungen" einer „Einzelperson" mehr oder weniger von Bedeutung sein, wenn diese Person zum Beispiel der Generalsekretär des Rates sei. Ebenso könne ein durch eine „sehr kleine Personengruppe" vorgelegtes Dokument die Position einer oder mehrerer Regierungen zum Ausdruck bringen oder einen nahezu endgültigen Entwurf einer Maßnahme darstellen. In einer Demokratie sei es eine höchst gefährliche Vorstellung zu argumentieren, dass Dokumente nicht verzeichnet, archiviert, registriert oder Bürgern zugänglich gemacht werden sollten, wenn sie durch eine „Einzelperson" oder eine „sehr kleine Personengruppe" verfasst worden seien.

Der springende Punkt sei nicht, ob Dokumente „ausschließlich vorübergehender, vorbereitender Natur" ihren Niederschlag im abschließenden Dokument fänden, sondern vielmehr, dass der Bürger ein Recht habe zu wissen, welche Argumente ausgetauscht, welche angenommen und welche abgelehnt worden seien. Die Bürger hätten ein Recht zu wissen, welche Einflüsse bei der Entwicklung einer bestimmten Politik von öffentlichem Interesse zum Tragen gekommen seien.

In dem Beschluss 93/731 werde nicht zwischen „offiziellen Dokumenten" und Dokumenten, die „ausschließlich vorübergehender und vorbereitender Natur" seien, unterschieden. Dort werde ,Dokument' definiert als ein Dokument, das sich im Besitz des Rates befinde. Die Antwort des Rats zeige somit, dass er sich nicht an diese Definition halte.

Die vom Rat vertretene Ansicht, dass das Führen eines vollständigen Zentralverzeichnisses und die Registrierung eines jeden Schriftstücks, das an die Mitglieder und Vertreter des Rates verteilt werde, die Verwaltung sehr stark belasten würde, sei unvereinbar mit einer guten Verwaltungspraxis, ganz zu schweigen von grundlegenden demokratischen Normen.

Die Beschwerdeführerin legte eine Kopie der ,Beratungsergebnisse' der Tagung vom 3./4. September 1998 bei, die sie zwischenzeitlich erhalten habe. Sie wies darauf hin, dass dort - abgesehen von jenen Dokumenten, die vom Rat in seiner Entscheidung zum Ersuchen der Beschwerdeführerin um Zugang genannt würden - einige weitere den Tagungsteilnehmern vorgelegte Dokumente aufgeführt seien. Die Beschwerdeführerin meinte im Hinblick auf dieses Dokument, dass der Rat die ,Ergebnisse' gelinde gesagt nur einer teilweisen Überprüfung unterzogen habe. 

Die Beschwerdeführerin bat den Bürgerbeauftragten deshalb, dem Rat gegenüber eine Empfehlung auszusprechen.

Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten

Der Bürgerbeauftragte richtete am 1. März 2001 in Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten folgenden Empfehlungsentwurf an den Rat: 

„1.) Der Rat der Europäischen Union sollte den Antrag der Beschwerdeführerin erneut prüfen und Zugang zu den angeforderten Dokumenten gewähren, es sei denn, eine oder mehrere der in Artikel 4 des Beschlusses 93/731 genannten Ausnahmen sind anwendbar.

2.)   Der Rat sollte eine Liste oder ein Register mit allen dem Rat vorgelegten Dokumenten führen und den Bürgern diese Liste bzw. dieses Register zur Verfügung stellen."

Der Europäische Bürgerbeauftragte gab die folgende Begründung für den Empfehlungsentwurf: 

1   Versäumnis der Bereitstellung von Dokumenten  

1.1 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Rat es versäumt habe, die von ihr angeforderten Dokumente bereitzustellen, das heißt 1.) alle Arbeitsunterlagen, Non-papers, Tagungsunterlagen, SN-Dokumente (Dokumente ohne Nummer) etc., die den Teilnehmern bestimmter Tagungen im Januar vorgelegt worden seien und die sie am 27. Januar 1999 angefordert habe, sowie 2.) alle Dokumente (Restreint, Limite, Non-papers, Tagungsunterlagen, Arbeitsunterlagen, SN-Dokumente und alle anderen Dokumente etc.), die den Teilnehmern der Tagung der Arbeitsgruppe 'Polizeiliche Zusammenarbeit' (Expertentagung - Überwachung des Fernmeldeverkehrs) am 3./4. September 1998 vorgelegt worden seien.

1.2 Der Rat äußerte sich nicht ausdrücklich zu diesem Punkt der Beschwerde. Aus seinen Erläuterungen zur zweiten Behauptung der Beschwerdeführerin konnte jedoch geschlossen werden, dass der Rat der Meinung war, der Ratsbeschluss 93/731/EG vom 20. Dezember 1993 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten[3] erstrecke sich nicht auf die fraglichen Dokumente und er müsse folglich keinen Zugang zu diesen Dokumenten gewähren. Der Rat regte an, einen Unterschied zu machen zwischen Dokumenten, die trotz ihres vorbereitenden Charakters zu einem bestimmten Grad endgültig seien einerseits, und Dokumenten, die ausschließlich vorübergehender, vorbereitender Natur seien andererseits. Der Rat ging wohl davon aus, dass die Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten nur auf die erste dieser beiden Kategorien Anwendung fänden.

1.3 Artikel 1 Absatz 1 des Beschlusses 93/731 enthält folgende Bestimmung: „Die Öffentlichkeit erhält Zugang zu den Dokumenten des Rates gemäß den Bedingungen dieses Beschlusses". 'Dokument des Rates' wird in Artikel 1 Absatz 2 definiert als „vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 2 unabhängig vom Datenträger jedes im Besitz des Rates befindliche Schriftstück mit bereits vorhandenen Informationen."

1.4 Der Beschluss 93/731 ist im Zusammenhang mit dem Verhaltenskodex für den Zugang der Öffentlichkeit zu Rats- und Kommissionsdokumenten[4] zu sehen, der durch Rat und Kommission am 6. Dezember 1993 verabschiedet wurde und auf den in der einleitenden Erklärung des Beschlusses 93/731 Bezug genommen wird. Dieser Verhaltenskodex sieht unter anderem Folgendes vor: „Die Öffentlichkeit erhält möglichst umfassenden Zugang zu den Dokumenten der Kommission und des Rates." Auf dieser Grundlage kam das Gericht erster Instanz zu folgender Schlussfolgerung: „Der Beschluss 93/731 dient der Umsetzung des Grundsatzes eines weitestmöglichen Zugangs der Bürger zur Information zum Zweck der Stärkung des demokratischen Charakters der Organe sowie des Vertrauens der Öffentlichkeit in die Verwaltung."[5]

1.5 In Anbetracht dieser Bestimmungen vertrat der Bürgerbeauftragte die Ansicht, dass nichts ersichtlich sei, das die durch den Rat vorgeschlagene Unterscheidung untermauern könnte. Der Beschluss 93/731 erstreckt sich auf den Zugang zu jedem Dokument im Besitz des Rates, ungeachtet dessen, welcher Natur dieses ist. Dies stimmt mit dem im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundsatz der Offenheit überein. Der Bürgerbeauftragte schloss sich dem Standpunkt der Beschwerdeführerin an, dass Bürger das Recht haben sollten zu wissen, welche Dokumente dem Rat vorgelegt worden seien, um feststellen zu können, welche Einflüsse bei der Entwicklung einer bestimmten Politik von öffentlichem Interesse zum Tragen gekommen seien. Es erschien sinnvoll hinzuzufügen, dass dies - in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschluss 93/731 eine Reihe von Ausnahmefällen festlegt, in denen der Zugang rechtmäßig verwehrt werden kann - keiner Verpflichtung zur Gewährung des Zugangs zu all diesen Dokumenten durch den Rat gleichkommt.

1.6 Der Bürgerbeauftragte war sich der Tatsache bewusst, dass Artikel 255 Absatz 2 des EG-Vertrags die Verabschiedung einer Verordnung über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten von Europäischem Parlament, Rat und Kommission innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam vorsieht. Eine solche Verordnung war jedoch noch nicht verabschiedet worden. Wie der Bürgerbeauftragte bereits in seinem Empfehlungsentwurf in der Beschwerdesache 916/2000/GG erläutert hatte, vertrat er den Standpunkt, dass bei der Untersuchung der Frage von Missständen in der Verwaltung seine erste und oberste Aufgabe darin bestehe, festzustellen, ob die Verwaltung „rechtswidrig gehandelt hat". Der Bürgerbeauftragte war der Ansicht, dass sich die Untersuchung dieser Frage notwendigerweise auf das bestehende Recht stützen müsse.

1.7 Auf Grundlage dieser Überlegungen gelangte der Bürgerbeauftragte zu der Ansicht, dass der Ansatz des Rats im vorliegenden Fall zu einem Missstand in der Verwaltung führte.

2   Versäumnis, eine Liste mit allen betreffenden Dokumenten bereitzustellen oder zu führen

2.1  Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass der Rat durch das Versäumnis, eine Liste mit allen betreffenden Dokument bereitzustellen bzw. durch das Versäumnis, diese Dokumente systematisch zu registrieren und zu archivieren, gegen die Grundsätze einer ordentlichen Verwaltung verstoßen habe.

2.2  Der Rat führte ins Feld, dass es nicht erforderlich oder zweckdienlich sei, ein vollständiges zentrales Register und Verzeichnis über jedes noch so vorläufige oder vorübergehende Schriftstück, das an seine Mitglieder oder deren Vertreter verteilt werde, zu führen. Dies würde nach Meinung des Rates die Verwaltung seines Generalsekretariats sehr stark belasten. Darüber hinaus wies der Rat darauf hin, dass in seinen Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten der Zugang zu Dokumenten in ihrer bestehenden Form vorgesehen sei, nicht jedoch die Verpflichtung des Rates, Dokumente in jedem einzelnen zur Information verbreiteten anderen Schriftstück oder sonstigen Datenträger aufzuführen.

2.3  Der Bürgerbeauftragte vertrat die Auffassung, dass die Behauptung der Beschwerdeführerin zwei zu unterscheidende Aspekte umfasse, nämlich die Frage, ob der Zugang zu einer Dokumentenliste gewährt werden müsse und die Frage, ob der Rat verpflichtet sei, eine solche Liste zu führen.

2.4  Der Beschluss 93/731 regelt den Zugang zu Dokumenten, die sich „im Besitz" des Rates befinden. Der Bürgerbeauftragte fasste die Erläuterungen des Rates in dem Sinne auf, dass dieser keine vollständige Liste aller anlässlich seiner Tagungen vorgelegten Dokumente führe. Da die Beschwerdeführerin nicht in der Lage war, das Gegenteil zu beweisen, vertrat der Bürgerbeauftragte die Ansicht, dass die Beanstandung der Beschwerdeführerin, der Rat durch sein Versäumnis, ihr zu einer solchen Liste Zugang zu gewähren, einen Missstand in der Verwaltung begangen, keinen Erfolg haben könne.

2.5  Der Bürgerbeauftragte war jedoch der Meinung, dass eine andere Schlussfolgerung im Hinblick auf das Versäumnis des Rates, eine solche Liste zu führen, gerechtfertigt sei. Das Gemeinschaftsrecht gewährt den Bürgern ein Recht auf Zugang zu Dokumenten, die sich im Besitz des Rates befinden. Wie oben bereits erläutert, erstreckt sich dieses Recht auf alle Dokumente, die sich im Besitz des Rates befinden, ungeachtet dessen, welcher Natur sie sind. Es ist jedoch offensichtlich, dass die Ausübung dieses Rechts ernsthaft beeinträchtigt oder gar unmöglich gemacht werden könnte, wenn ein Bürger noch nicht einmal weiß, welche Dokumente sich in den Händen des Rates befinden. Der vorliegende Fall stellt eine gutes Beispiel für die Schwierigkeiten dar, die in solchen Fällen auftreten würden. Der Rat hatte sich in seiner ursprünglichen Antwort auf das Ersuchen der Beschwerdeführerin um Zugang zu allen Dokumenten, die den Tagungsteilnehmern vom 3./4. September 1998 vorgelegt worden waren, auf den Standpunkt gestellt, dass die entsprechenden Dokumente nicht präzise genug bestimmt worden seien. Der Rat führte in seiner Entscheidung über den Zweitantrag der Beschwerdeführerin eine Reihe von Dokumenten auf und erklärte, dass diese auf Grundlage der ,Beratungsergebnisse' ermittelt worden seien. Der Text dieser ,Beratungsergebnisse', der von der Beschwerdeführerin nachträglich vorgelegt worden war, zeigte jedoch, dass den Teilnehmern der betreffenden Tagung weitere Dokumente vorgelegt worden waren.

2.6  In Anbetracht dieser Umstände vertrat der Bürgerbeauftragte die Position, dass die Durchsetzung der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung die Aufnahme aller dem Rat vorgelegten Dokumente in einem den Bürgern zugänglichen Verzeichnis oder Register voraussetzt, wenn den Bürgern die Möglichkeit der ordnungsgemäßen Ausübung ihres Rechts auf Zugang zu Dokumenten eingeräumt werden soll. Der zusätzliche Verwaltungsaufwand, den diese Maßnahme für den Rat nach sich ziehen würde, müsste angesichts der grundlegenden Bedeutung des Rechts der Bürger auf Zugang zu Dokumenten im Besitz des Rates in Kauf genommen werden, um Offenheit und Transparenz des Beschlussverfahrens des Rates zu gewährleisten.

2.7  Aufgrund dieser Überlegungen kam der Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass das Versäumnis des Rates, eine Liste oder ein Register aller dem Rat vorgelegten Dokumente zu führen, auch einen Missstand in der Verwaltung darstellte. Da eine einvernehmliche Regelung nicht möglich erschien, erstellte der Bürgerbeauftragte in Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten einen Empfehlungsentwurf an den Rat.

Detaillierte Stellungnahme des Rates

Nach Eingang des Empfehlungsentwurfs legte der Rat in Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten am 28. Mai 2001 eine detaillierte Stellungnahme vor.

In seiner detaillierten Stellungnahme gab der Rat die folgenden Erläuterungen ab: 

„1. Was den zweiten Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten anbelangt, möchte der Rat durch eine Vorbemerkung klarstellen, dass er sich der Schlussfolgerung des Bürgerbeauftragten voll und ganz anschließt, derzufolge sich der Beschluss 93/731/EG auf den Zugang zu jedem Dokument im Besitz des Rates, ungeachtet dessen, welcher Natur dieses ist, erstreckt. Er hat nie behauptet, dass die Vorschriften über den Zugang zu Dokumenten nur auf Dokumente Anwendung finden, die zu einem bestimmten Grad endgültig sind, nicht aber auf Texte ausschließlich vorübergehender, vorbereitender Natur. Worauf der Rat in seinen Bemerkungen zur Beschwerde hinauswollte, war, dass diese Unterscheidung sachdienlich für die Frage ist, ob es eine ordentliche Verwaltung erforderlich macht, ein vollständiges Verzeichnis aller noch so kurzlebigen, schriftlichen Texte, die an die Teilnehmer einer Tagung des Rates oder eines seiner Vorbereitungsgremien verteilt werden, zu führen.

2.  Der Rat erkennt an, dass es triftige Gründe für das Führen eines Registers aller Dokumente - ungeachtet ihrer Kategorie oder Form, ob offiziell oder inoffiziell - gibt, die dem Rat oder einem seiner Vorbereitungsgremien vorgelegt werden und die eine Grundlage ihrer Beratungen und Erörterungen bilden oder Einfluss auf das Beschlussverfahren dieses Organs haben oder den Stand der Beratungen zu einem bestimmten Gegenstand zusammenfassen.

3. (...)

4.  (...) 

5.  Als Antwort auf diese Empfehlung räumt der Rat ein, dass - im Gegensatz zu seiner derzeitigen Praxis - auch inoffizielle Dokumente, die die oben dargestellten Kriterien (Punkt 2) erfüllen, in das öffentliche Register aufgenommen werden sollten. Der Rat nimmt den zweiten Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten deshalb an.

6.  Um diesen umsetzen zu können, werden die Dienste des Generalsekretariats angewiesen, alle Dokumente, die dem Rat oder einem seiner Vorbereitungsgremien vorgelegt werden und die eine Grundlage der Beratungen des Rates oder der Erörterungen in einem seiner Vorbereitungsgremien bilden oder Einfluss auf das Beschlussverfahren dieses Organs haben oder den Stand der Beratungen zu einem bestimmten Gegenstand zusammenfassen, so weit als möglich in Form von offiziellen Dokumenten zu verteilen oder - wenn dies aufgrund von außergewöhnlichen Umständen nicht möglich ist - sobald wie möglich in diese Form zu übertragen.

7.  Das bedeutet jedoch nicht, dass jedes einzelne noch so kurzlebige Schrift- oder Textstück, das an die Teilnehmer einer Tagung des Rates oder eines seiner Vorbereitungsgremien verteilt wird, in ein öffentliches Register aufgenommen werden muss. Abgesehen von den Dokumenten, die eine der Grundlagen der Erörterungen einer Tagung einer Arbeitsgruppe, eines Ausschusses oder einer anderen Instanz innerhalb des Rates bilden, kommt es in der Praxis vor, dass während der Tagungen andere Texte - z.B. Formulierungsvorschläge des Ratsvorsitzes, eines Delegierten eines Mitgliedstaates, eines Vertreters der Kommission oder eines Beamten des Generalsekretariats - an Delegationen verteilt werden. Diese Schriftstücke haben oft lediglich die Funktion, mündliche Erklärungen zu ersetzen oder zu ergänzen. Die Zeitspanne ihrer 'Lebensdauer' ist in der Regel sehr begrenzt: Entweder werden die Vorschläge unmittelbar in der Tagung, in der sie vorgebracht werden, abgelehnt - in diesem Fall werden sie nicht aufbewahrt - oder ihr Inhalt wird in ein später aufzusetzendes Dokument aufgenommen, das die Erörterungen einer Tagung zusammenfasst. In diesen Fällen ergibt sich auf der einen Seite kein offensichtlicher Vorteil für das Prinzip der Transparenz, wenn das getippte oder als Manuskript vorliegende Originalschriftstück, auf dem der Text zunächst verbreitet wurde, ins Register aufgenommen wird, da sein Inhalt entweder später Eingang in ein Dokument findet, das im öffentlichen Register erscheint, oder sich während des Beratungsprozesses aus irgendeinem Grund als wertlos erwiesen hat. Auf der anderen Seite würde es die Verwaltung des Generalsekretariats des Rates sehr stark belasten, wenn ein vollständiges Register all dieser Schriftstücke geschaffen und geführt würde, und dadurch alles in allem dem Grundsatz einer ordnungsgemäßen Verwaltung zuwiderlaufen [Auslassung der Fußnote].

8.  Was den ersten Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten anbelangt, möchte der Rat darauf hinweisen, dass er in der Folge des Antrags der Beschwerdeführerin auf Grundlage der Beratungsergebnisse bereits 85 Dokumente ermittelt hatte, von denen 68 freigegeben worden sind. Bei einer erneuten Überprüfung kam das Generalsekretariat zu dem Schluss, dass die von der Beschwerdeführerin geforderte Ermittlung weiterer Dokumente nicht möglich war. Der Rat ist deshalb der Meinung, dass der erste Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten bereits vollständig umgesetzt worden ist. 

9.  (...)"

Bewertung der detaillierten Stellungnahme des Rates durch den Bürgerbeauftragten

Mit seinem ersten Empfehlungsentwurf hatte der Bürgerbeauftragte den Rat gebeten, den Antrag der Beschwerdeführerin erneut zu prüfen und Zugang zu den angeforderten Dokumenten zu gewähren, es sei denn, eine oder mehrere der in Artikel 4 des Beschlusses 93/731 genannten Ausnahmen sind anwendbar. Der Rat vertritt die Auffassung, dass diese Empfehlung bereits in vollem Umfang umgesetzt worden sei, wobei er sich darauf stützt, dass er bereits 85 Dokumente ermittelt habe, von denen 68 an die Beschwerdeführerin freigegeben worden seien. Diese Zahlen wurden bereits in der Stellungnahme des Rates zur Beschwerde genannt. Die Beschwerdeführerin ließ dem Bürgerbeauftragten jedoch in der Folge zusammen mit ihren Bemerkungen zu dieser Stellungnahme eine Kopie der ,Beratungsergebnisse' der Tagung der Arbeitsgruppe ,Polizeiliche Zusammenarbeit' am 3./4. September 1998[6] zukommen. Dieses Dokument bezieht sich auf fünf oder sechs den Tagungsteilnehmern vorgelegte Dokumente, die in den Antworten des Rates auf den Zugangsantrag der Beschwerdeführerin nicht erwähnt werden. Aus diesem Grund ist der Bürgerbeauftragte der Meinung, dass der Rat seinen ersten Empfehlungsentwurf noch nicht in vollem Umfang umgesetzt hat.

Der Bürgerbeauftragte begrüßt die Tatsache, dass der Rat den zweiten Empfehlungsentwurf angenommen hat und Maßnahmen zur Umsetzung derselben ergreifen wird. Die Überlegungen, die im Text der Stellungnahme des Rates, insbesondere unter Punkt 7 dargestellt werden, lassen jedoch Zweifel aufkommen, ob der Empfehlungsentwurf tatsächlich umgesetzt werden wird. Der Rat akzeptiert zwar, dass „alle Dokumente, die dem Rat oder einem seiner Vorbereitungsgremien vorgelegt werden und die eine Grundlage der Beratungen des Rates oder der Erörterungen in einem seiner Vorbereitungsgremien bilden oder Einfluss auf das Beschlussverfahren dieses Organs haben oder den Stand der Beratungen zu einem bestimmten Gegenstand zusammenfassen," in die Liste oder das Register aufgenommen werden sollten. Dann jedoch nimmt er von diesen Dokumenten bestimmte ,kurzlebige' Dokumente aus, deren ,Lebensdauer' als sehr begrenzt erachtet wird. Diese Dokumente werden nirgendwo klar definiert. Der Bürgerbeauftragte schließt nicht aus, dass bestimmte „Formulierungsvorschläge", die anlässlich einer Tagung erstellt und verteilt werden, möglicherweise nicht registriert werden müssen, wenn ihr Zweck lediglich darin besteht, mündliche Erklärungen zu ersetzen (oder zu ergänzen). Diese „Formulierungsvorschläge" werden vom Rat jedoch lediglich als Beispiel genannt, und es gibt keine Gewähr dafür, dass solche Dokumente wirklich nicht mehr als eine Alternative oder eine Ergänzung einer mündlichen Erklärung sind[7]. Das Hauptkriterium des Rates zur Bestimmung solcher Dokumente scheint die sehr begrenzte Zeitspanne ihrer ,Lebensdauer' zu sein. Es ist jedoch schwer nachvollziehbar, wie dieses Kriterium objektiv angewandt werden könnte.

Ein weiterer Aspekt ist, dass die Bürger selbst dann, wenn ein Vorschlag nachträglich seinen Niederschlag in einem Dokument findet, ein Interesse daran haben können, zu erfahren, von wem der Vorschlag kam. Das gilt auch, wenn ein Vorschlag nicht angenommen wurde und sich deshalb nicht in einem solchen Dokument wiederfindet.

Der Bürgerbeauftragte räumt ein, dass die Aufnahme aller dem Rat vorgelegten Dokumente in eine den Bürgern zugängliche Liste oder ein ebensolches Register zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursacht. Er hält jedoch daran fest, dass dies im Hinblick auf die grundlegende Bedeutung des Rechts der Bürger auf Zugang zu Dokumenten im Besitz des Rates in Kauf genommen werden sollte, um die Offenheit und Transparenz des Beschlussverfahrens des Rates zu gewährleisten.

Allerdings sollte die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission[8] Berücksichtigung finden. Artikel 11 Absatz 1 dieser Verordnung, die auf der Grundlage von Artikel 255 Absatz 2 EG-Vertrag erlassen wurde, bestimmt, dass jedes dieser drei Organe der Öffentlichkeit Zugang zu einem Dokumentenregister gewährt. Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung verlangt, dass dieses Register eine Bezugsnummer für „jedes" Dokument enthält. In Artikel 11 Absatz 1 wird darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Führung eines solchen Registers festgeschrieben ist „im Hinblick auf die wirksame Ausübung der Rechte aus dieser Verordnung durch die Bürger". Artikel 1 der Verordnung legt jedoch fest, dass der Zweck der Verordnung in der Gewährleistung des größtmöglichen Zugangs zu Dokumenten besteht. Es sollte ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Verordnung gemäß Artikel 2 Absatz 3 derselben auf „alle" Dokumente, die sich im Besitz der genannten Organe befinden, Anwendung findet. Es hat nicht den Anschein, als ob die Verordnung Dokumente nach der möglichen Begrenztheit ihrer Lebensdauer unterscheidet.

Aus obigen Erwägungen zieht der Bürgerbeauftragte den Schluss, dass mit der Verordnung 1049/2001 die Rechtspflicht begründet wurde, ein öffentliches Register aller dem Rat vorgelegten Dokumente zu schaffen und zur Verfügung zu stellen. Ferner kann diese Verordnung seines Erachtens in dem Sinne ausgelegt werden, dass Zugang zu allen Dokumenten gewährt werden muss, die dem Rat zur Berücksichtigung oder Erörterung vorgelegt worden sind und die den Bürgern deshalb zur Verfügung stehen sollten. Der Bürgerbeauftragte merkt an, dass Artikel 11 Absatz 3 den Rat, die Kommission und das Europäische Parlament verpflichtet, unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen zur Einrichtung eines Registers zu ergreifen, das spätestens zum 3. Juni 2002 funktionsfähig ist.

In Anbetracht dieser Umstände vertritt der Bürgerbeauftragte die Ansicht, dass es nicht erforderlich oder zweckdienlich ist, seinen zweiten Empfehlungsentwurf als Empfehlung an den Rat zu erneuern. Der Bürgerbeauftragte nimmt jedoch die Standpunkte des Europäischen Parlaments in dieser Sache gerne entgegen, die für die Gewährleistung der korrekten Anwendung der Verordnung von großem Nutzen wären.

Empfehlung des Bürgerbeauftragten

Aus Sicht des Bürgerbeauftragten gelingt es dem Rat in seiner detaillierten Stellungnahme trotz der Annahme der beiden Empfehlungsentwürfe nicht glaubhaft darzulegen, dass der erste dieser Empfehlungsentwürfe tatsächlich umgesetzt worden ist. Aus diesem Grund formuliert der Bürgerbeauftragte den ersten Empfehlungsentwurf erneut, nun als Empfehlung an den Rat:

Der Rat der Europäischen Union sollte den Antrag der Beschwerdeführerin erneut prüfen und Zugang zu den angeforderten Dokumenten gewähren, es sei denn, eine oder mehrere der in Artikel 4 des Beschlusses 93/731 genannten Ausnahmen sind anwendbar.

Das Europäische Parlament könnte in Erwägung ziehen, die Empfehlung als Entschließung zu verabschieden.

Straßburg, 30.11.2001

Jacob Söderman

 


 

[1] Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeiten des Bürgerbeauftragten, ABl. 1994 L 113/15

[2] ABl. 1993 L 340, S. 43; geändert durch den Beschluss 96/705/EG, EGKS, Euratom des Rates vom 6. Dezember 1996 (ABl. 1996 L 325, S. 19).

[3] ABl. 1993 L 340, S. 43; geändert durch den Beschluss 96/705/EG, EGKS, Euratom des Rates vom 6. Dezember 1996 (ABl. 1996 L 325, S. 19).

[4] ABl. 1993 L 340, S. 41.

[5] Vgl. Rechtssache T-174/95, Svenska Journalistförbundet v Council, Slg. 1998, II-2289, Rdnr. 66.

[6] Dieser Umstand wird unter Punkt 2.5 des Briefes des Bürgerbeauftragten an den Rat vom 1. März 2001 erwähnt, in dem die Empfehlungsentwürfe dargelegt werden.

[7] Dem Rat zufolge haben die Dokumente, die seiner Ansicht nach nicht in das Register aufgenommen werden müssen, „oft" die Funktion, mündliche Erklärungen zu ersetzen oder zu ergänzen. Daraus dürfte man zu schließen haben, dass Dokumente, die eine solche Funktion nicht erfüllen, nach Ansicht des Rates ebenfalls nicht in die Liste oder das Register aufgenommen werden müssen.

[8] ABl. 2001 L 145, S. 43.