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Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an den Empfehlungsentwurf an die Europäische Kommission in der Beschwerdesache 242/2000/GG
Special Report
Case 242/2000/GG - Opened on Thursday | 24 February 2000 - Recommendation on Thursday | 10 May 2001 - Special report on Thursday | 24 February 2000 - Decision on Tuesday | 17 December 2002
(in Übereinstimmung mit Art. 3 (7) des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten[1])
Die Beschwerde
Die Beschwerdeführerin, Frau P., ist im früheren Ministerium für Umwelt, Verkehr und Regionen (Department of the Environment, Transport and the Regions - DETR) in London tätig. Im November 1999 fiel ihr eine Stellenanzeige auf, in der die Europäische Kommission Stellen für abgeordnete nationale Sachverständige für eine Tätigkeit in der Generaldirektion VII (Verkehr) der Kommission anbot. Auf Grund ihrer bis dahin ausgeübten Tätigkeit im Verkehrssektor reichte die Beschwerdeführerin eine Bewerbung ein. Das DETR erklärte sich bereit, ihre Bewerbung zu unterstützen und ihr Gehalt während der Dauer der Abordnung fortzuzahlen.
In Artikel 2 (1) der Vorschriften der Europäischen Kommission für die Abordnung von nationalen Sachverständigen zur Kommission[2] ist festgelegt, dass nationale Sachverständige, die zur Kommission abgeordnet werden, „während der gesamten Dauer der Abordnung auf Vollzeitbasis" arbeiten. Die Beschwerdeführerin hat einen Sohn, der zur fraglichen Zeit 11 Monate alt war. Als sie von der betreffenden Vorschrift Kenntnis erlangte, setzte sie sich mit dem Leiter des Referats, dessen Name in der Stellenanzeige genannt wurde, in Verbindung, um ihn zu fragen, ob sie auf Teilzeitbasis arbeiten könne, um einige Zeit mit ihrem Sohn verbringen zu können. Die Beschwerdeführerin war bereit, an vier Tagen in der Woche zu arbeiten. Der Referatsleiter teilte ihr mit, er sähe keinen Grund, weshalb sie nicht auf Teilzeitbasis arbeiten solle.
Da die Beschwerdeführerin jedoch keine weitere Nachricht erhielt, rief sie die Kommission im Januar 2000 erneut an. Ihr wurde bei dieser Gelegenheit mitgeteilt, dass es eine Reorganisation gegeben habe und dass für die betreffende Stelle nunmehr einen anderen Referatsleiter gebe. Letztgenannter unterrichtete die Beschwerdeführerin darüber, dass er ihre Bewerbung nur für den Fall berücksichtigen würde, dass sie auf Vollzeitbasis arbeitete. Unter diesen Umständen sah sich die Beschwerdeführerin gezwungen, ihre Bewerbung zurückzuziehen.
Die Beschwerdeführerin vertrat die Auffassung, dass die Vorschrift gegen die Teilzeitarbeit eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts darstelle, weil davon aller Voraussicht nach mehr Frauen als Männer betroffen seien und Frauen im Allgemeinen im Rahmen der Kinderbetreuung mehr Verpflichtungen als Männer hätten.
Die Untersuchung
Die Beschwerde wurde der Kommission zur Stellungnahme übermittelt.
Die Stellungnahme der Kommission
In ihrer Stellungnahme führte die Kommission Folgendes aus:
In ihrem am 1. März 2000 angenommenen Weißbuch legte die Kommission ein Reformprogramm im Hinblick auf eine grundlegende Überprüfung der Arbeitspraktiken, der Programmplanung hinsichtlich der Tätigkeiten und des Managements der personellen und finanziellen Ressourcen auf. Die Kommission war dem Ziel verpflichtet, ein vorbildlicher Arbeitgeber zu sein. Das Prinzip der systematischen Prüfung von Fragen des Geschlechts würde ein grundlegender Parameter für die Reform sein. Im Rahmen der Aktionen würden auch Maßnahmen ergriffen, die darauf abzielten, die Teilzeitarbeit zu erleichtern.
Die Arbeit der abgeordneten nationalen Sachverständigen (ANS) bei der Kommission erstreckte sich über einen relativen kurzen Zeitraum (höchstens drei Jahre). Die Anzahl der für ANS vorgesehenen Stellen war relativ begrenzt und wurde von der Haushaltsbehörde festgelegt. Die Abordnung erfüllte einen doppelten Zweck. Einerseits konnte die Kommission auf das wertvolle Fachwissen, das der ANS mitbrachte, zurückgreifen. Anderseits war die Zeit, die der ANS in Brüssel verbrachte, als eine Art Förderung der Weiterbildung und Laufbahn zu sehen, was für den Arbeitgeber, der ihn oder sie abordnete, von Nutzen war. Da es sich um eine kurzfristige Maßnahme handelte, die für den abordnenden Arbeitgeber und die Kommission eine beträchtliche Investition bedeutete (der abordnende Arbeitgeber musste das Grundentgelt weiter zahlen, während er nicht unmittelbar und unverzüglich von den Diensten des Angestellten profitierte; die Kommission musste einen zusätzlichen Unterhaltszuschuss in Brüssel zahlen), galt es, dafür Sorge zu tragen, dass beide Parteien größtmöglichen Nutzen ziehen, und zwar nicht nur in Bezug auf die geleistete Arbeit, sondern auch in Bezug auf die Bereicherung durch Hinzugelerntes und Erfahrungen. Dabei verstand sich von selbst, dass jemand, der auf Teilzeitbasis arbeitete, innerhalb eines Dreijahreszeitraums nicht die gleiche Erfahrung erwerben konnte. Zudem konnte die Möglichkeit, die Dauer der Abordnung im Falle der Teilzeitarbeit beispielsweise auf sechs Jahre auszudehnen, nicht ohne weiteres in Betracht gezogen werden, denn dann wäre der grundlegende Aspekt der Kurzfristigkeit, der mit dem Begriff „Abordnung" üblicherweise einherging, nicht mehr gegeben. Im Hinblick auf diese besonderen Erwägungen bestand die derzeitige Politik der Kommission darin, für diese Abordnungen Stellen auf Vollzeitbasis vorzusehen.
Diese Regelung stellte keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts dar und galt gleichermaßen für alle verfügbaren Stellen von ANS, die bei der Kommission zu besetzen waren. Die Entscheidung, Vollzeitkräfte zu suchen, entsprach der rein sachlichen Erfordernis, dass eine einzustellende Person unabhängig von ihrem Geschlecht eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden leisten sollte.
Ungeachtet der oben stehenden Erläuterungen prüfte die Kommission allerdings die Möglichkeit einer künftigen Teilzeitarbeit von ANS, sofern diese Option mit dem Interesse des Dienstes im Einklang stand.
Bemerkungen der Beschwerdeführerin
In ihren Bemerkungen zu dieser Stellungnahme vertrat die Beschwerdeführerin die Auffassung, die Kommission habe zu Unrecht behauptet, dass allein auf Grund dessen, dass eine Person mehr Erfahrung erwerbe, wenn sie mehr Stunden arbeitete, überhaupt kein Nutzen gezogen werden könne, wenn er oder sie weniger Stunden arbeitete. Das Argument der Kommission beruhe auf jeden Fall auf einer falschen Annahme, der zufolge alle ANS drei Jahre lang auf Vollzeitbasis arbeiten würden. Tatsächlich könnten die ANS für eine Zeitspanne von drei Monaten bis drei Jahren arbeiten. Die Stellenanzeige, auf die die Beschwerdeführerin antwortete, habe sich auf Abordnungen für einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahren bezogen. Soweit der Beschwerdeführerin bekannt war, sei es nie jemanden in den Sinn gekommen zu behaupten, dass jemand, der weniger als drei Jahre arbeitete, hierdurch keine Erfahrungen hinzugewinnen würde.
Ihr Arbeitgeber war gerne bereit, ihr Entgelt während der Abordnung weiterzuzahlen. Für einen Arbeitgeber sei es jedenfalls günstiger, einen Teilzeitbeschäftigten abzuordnen als einen Vollzeitbeschäftigten. Für einen Teilzeitbeschäftigten müsse er nämlich weniger zahlen und in beiden Fällen ziehe er keinen direkten Vorteil daraus. Die Beiträge der Kommission zu den Lebenshaltungskosten fielen zu gleichen Teilen für Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigte an, da diese Kosten jeweils gleich hoch seien. Solche Erwägungen könnten jedoch schwerlich als objektive Rechtfertigung in einem Fall von mittelbarer Diskriminierung angesehen werden.
Weitere Untersuchungen
Ersuchen um zusätzliche Informationen
Im Hinblick auf das oben Genannte kam der Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass er zusätzlicher Informationen bedurfte, um den Fall der Beschwerdeführerin weiter zu bearbeiten. Deshalb ersuchte er die Kommission, Angaben in Bezug auf die Anzahl der Beamten auf Teilzeitbasis und die Anzahl der ANS zur Verfügung zu stellen. Der Bürgerbeauftragte ersuchte die Kommission außerdem, Angaben darüber zu machen, wie viele von diesen Frauen waren.
Antwort der Kommission
In ihrer Antwort teilte die Kommission dem Bürgerbeauftragten mit, dass von insgesamt 5 710 Beamten der Laufbahngruppe A 106 auf Teilzeitbasis tätig waren und dass von diesen 87 Frauen waren. Wie die Kommission weiterhin bekannt gab, arbeiteten 713 ANS für die Kommission; davon waren 213 Frauen.
Die Kommission wies ferner darauf hin, dass die Zahl der ANS, die der Kommission verfügbar waren, durch die verfügbaren Haushaltsmittel begrenzt sei. Diese Mittel würden nach Mannjahren bereitgestellt. ANS, die auf Teilzeitbasis tätig waren, aber das Tagesgeld in vollem Umfang erhielten, würden daher effektiv die Gesamtzahl der ANS, die der Kommission zur Verfügung stünden, verringern.
Bemerkungen der Beschwerdeführerin
Auf diese Antwort gingen keine Anmerkungen der Beschwerdeführerin ein.
Bemühungen des Bürgerbeauftragten um eine Vermittlungslösung
Nach sorgfältiger Prüfung der Stellungnahme und Bemerkungen und der Ergebnisse der weiteren Untersuchungen gelangt der Bürgerbeauftragte zu der Überzeugung, dass die Kommission auf die Beschwerden der Beschwerdeführerin nicht angemessen geantwortet hatte.
Die vorläufige Schlussfolgerung des Bürgerbeauftragten lautete, dass es sich bei dem Verbot für ANS, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, um einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit handeln könnte.
Am 31. Januar 2001 unterbreitete der Bürgerbeauftragte einen Vorschlag für eine Vermittlungslösung. In seinem Schreiben schlug er vor, dass die Kommission ihre Vorschrift, die die Beschäftigung von abgeordneten nationalen Sachverständigen bei der Kommission auf Teilzeitbasis verbat, abschaffen sollte.
In ihrer Antwort vom 22. März 2001 führte die Kommission aus, dass eine neue Entscheidung über die Vorschriften für abgeordnete nationale Sachverständige im Zusammenhang mit dem derzeitigen Reformprozess ausgearbeitet werde. Der Kommission zufolge sah diese neue Entscheidung, die später im Jahr 2001 angenommen werden sollte, die Abschaffung der Bestimmung vor, wonach bei der Kommission abgeordnete nationale Sachverständige nicht auf Teilzeitbasis arbeiten dürfen.
In ihren am 30. April 2001 übermittelten Bemerkungen teilte die Beschwerdeführerin dem Bürgerbeauftragten ihre Freude angesichts seiner Schlussfolgerungen sowie darüber, dass die Kommission beabsichtige, die betreffende Vorschrift abzuschaffen, mit. Sie äußerte jedoch ihre Sorge darüber, dass diese Veränderung erst später im Jahr 2001 erfolgen würde und dass kein konkretes Datum genannt worden sei. Die Beschwerdeführerin empfand es als ungerecht, dass die diskriminierende Vorschrift noch mehrere Monate wirksam bleiben sollte, vor allem im Hinblick auf die Tatsache, dass die Kommission von ihrer Beschwerde seit über einem Jahr Kenntnis gehabt habe und daher Schritte hätte unternehmen können, um diese Vorschrift viel früher zu ändern.
Der Bürgerbeauftragte stellte fest, dass die Kommission eine neue Entscheidung in Betracht zog, die später im Jahr 2001 angenommen werden sollte, und die Vorschrift, die es den zur Kommission abgeordneten nationalen Sachverständigen verwehrte, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, abschaffen sollte. Ein genaues Datum nannte sie jedoch nicht. Dies bedeutete, dass die Kommission beabsichtigte, die betreffende Vorschrift weiter anzuwenden, ohne Gründe dafür anzugeben, weshalb die vom Bürgerbeauftragten vorgeschlagene Änderung aufzuschieben sei. Der Bürgerbeauftragte befand, dass dies nicht zufriedenstellend sei.
Entwurf einer Empfehlung des Europäischen Bürgerbeauftragten
Am 10. Mai 2001 richtete der Bürgerbeauftragte daher gemäß Artikel 3 (6) des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten folgenden Entwurf einer Empfehlung an die Kommission:
„Die Europäische Kommission sollte ihre Vorschrift, die es zur Kommission abgeordneten nationalen Sachverständigen verwehrt, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, bis spätestens 30. September 2001 aufheben".
Der Europäische Bürgerbeauftragte gab in dem Entwurf der Empfehlung mit folgende Gründe an:
1 Verbot der Teilzeitarbeit
1.1 Die Beschwerdeführerin berief sich darauf, dass Artikel 2 (1) der Vorschriften der Europäischen Kommission für die zur Kommission abgeordneten nationalen Sachverständigen[3] (die „Vorschriften"), der besagt, dass zur Kommission abgeordnete nationale Sachverständige „während der gesamten Dauer der Abordnung auf Vollzeitbasis" arbeiten, eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts darstelle.
1.2 Die Kommission vertrat die Ansicht, dass diese Vorschrift nicht diskriminierend sei, weil sie für alle verfügbaren Stellen von abgeordneten nationalen Sachverständigen („ANS"), die für die Kommission arbeiten sollen, gelte. Nach Auffassung der Kommission entsprach die Entscheidung, Vollzeitkräfte zu suchen, der rein sachlichen Erfordernis, dass eine einzustellende Person unabhängig von ihrem Geschlecht eine bestimmte Anzahl von Arbeitsstunden leisten sollte. Die Kommission machte außerdem geltend, dass es in Anbetracht der erheblichen Investition, die eine Abordnung sowohl für den abordnenden Arbeitgeber als auch für die Kommission beinhalte, notwendig sei sicherzustellen, dass beide Parteien größtmöglichen Nutzen ziehen, nicht nur in Bezug auf die geleistete Arbeit, sondern auch in Bezug auf die Bereicherung des ANS durch Hinzugelerntes und Erfahrungen. Schließlich wies die Kommission darauf hin, dass die Zahl der ANS, die der Kommission zur Verfügung stehen, durch die verfügbaren Haushaltsmittel begrenzt sei. Diese Mittel würden nach Mannjahren bereitgestellt. Die Kommission betonte in diesem Zusammenhang, dass ANS, die auf Teilzeitbasis tätig sind, aber das Tagesgeld in vollem Umfang erhalten, daher effektiv die Gesamtzahl der ANS, die der Kommission zur Verfügung stehen, verringern würden.
1.3 Der Bürgerbeauftragte stellte fest, dass zur Kommission abgeordnete nationale Sachverständige ihr Entgelt weiter von ihrem Arbeitgeber erhalten. Die Kommission bewilligt hingegen einen Unterhaltszuschuss, um die höheren Lebenshaltungskosten in Brüssel auszugleichen.
1.4 Nach den von der Kommission übermittelten Angaben waren im September 2000 von 5 710 Beamten der Laufbahngruppe A 106 auf Teilzeitbasis tätig. Von diesen 106 Beamten waren 87 (oder rund 82,1 %) Frauen.
1.5 Die betreffende Vorschrift, die ANS die Arbeit auf Teilzeitbasis verwehrt, gilt für alle Bewerber um solche Stellen, unabhängig vom Geschlecht der einzustellenden Person. Nach der geltenden Rechtsprechung des Gerichtshofs enthält jedoch eine nationale Bestimmung oder Regelung im Zusammenhang mit dem Zugang zur Beschäftigung und zu den Arbeitsbedingungen „dann eine mittelbare Diskriminierung weiblicher Arbeitnehmer, wenn sie zwar neutral gefasst ist, jedoch tatsächlich prozentual erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt, es sei denn, dass diese unterschiedliche Behandlung durch objektive Faktoren gerechtfertigt ist, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun haben"[4].
1.6 Der Bürgerbeauftragte war der Auffassung, dass diese Rechtsprechung auch auf die Bestimmungen oder Vorschriften anwendbar war, die die Institutionen und Organe der Europäischen Gemeinschaften selbst aufgestellt hatten. Es war zu beachten, dass gemäß Artikel 21 (1) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[5] in allgemeinen Begriffen „Diskriminierungen, insbesondere auf Grund des Geschlechts..." verboten sind.
1.7 In Anbetracht dessen, dass die betreffende Vorschrift es ANS verwehrte, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, war es nicht möglich, unmittelbar festzustellen, ob sie im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs Frauen in stärkerem Maß benachteilige als Männer, da es offenbar keine ANS gab, die auf Teilzeitbasis arbeiteten. Der Bürgerbeauftragte vertrat jedoch die Auffassung, dass die Anzahl vergleichbarer Beamten der Kommission, die auf Teilzeitbasis tätig war, in diesem Zusammenhang in Erwägung gezogen werden sollte. Gemäß Artikel 4 (1) der Vorschriften muss ein nationaler Sachverständiger, um sich für eine Abordnung zur Kommission zu qualifizieren, eine mindestens dreijährige Erfahrung in Verwaltungs-, Beratungs- oder Aufsichtsfunktionen „in einem Dienstrang, der den Laufbahngruppen A und B gemäß dem Statut der Beamten der Europäischen Gemeinschaften entspricht", nachweisen. Den von der Kommission zur Verfügung gestellten Angaben zufolge waren etwa 82,1% der Beamten der Laufbahngruppe A, die auf Teilzeitbasis arbeiteten, Frauen. Es deutete nichts darauf hin, dass Bewerber für ANS-Stellen erheblich weniger an der Möglichkeit der Teilzeitarbeit interessiert wären als vergleichbare Beamte in der Kommission selbst. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten folgte aus diesen genannten Zahlen, dass es wahrscheinlich war, dass das Verbot der Teilzeitarbeit für ANS „prozentual erheblich mehr Frauen als Männer benachteiligt".
1.8 Unter diesen Umständen lag es an der Kommission, den Nachweis zu erbringen, dass das Verbot der Teilzeitarbeit von ANS durch objektive Faktoren gerechtfertigt war, die nichts mit einer Diskriminierung auf Grund des Geschlechts zu tun hatten.
1.9 Die Kommission verwies in diesem Zusammenhang auf die Interessen von drei Parteien: Die ANS, den abordnenden Arbeitgeber und die Kommission selbst. Der Bürgerbeauftragte hielt es für nicht erwiesen, dass die Interessen der beiden ersten die Notwendigkeit begründeten, ANS die Arbeit auf Teilzeitbasis zu verwehren. Die Entscheidung musste in jedem Fall den beiden selbst betroffenen Parteien, d. h. dem Bewerber und dem Arbeitgeber, überlassen werden.
1.10 Was das eigene Interesse der Kommission betraf, räumte der Bürgerbeauftragte ein, dass die Kommission von einem ANS, der auf Vollzeitbasis arbeitete, mehr profitieren könnte als von einem, der nur auf Teilzeitbasis arbeitete. Die Dauer der Abordnung variierte jedoch zwischen drei Monaten und maximal drei Jahren. Es war daher nicht ausgeschlossen, dass mögliche Nachteile in Bezug auf die von dem ANS erbrachten Dienstleistungen in einfacher Weise durch die Verlängerung der Abordnung innerhalb der oben genannten zeitlichen Grenzen aufgewogen werden konnten. Der Bürgerbeauftragte schloss die Möglichkeit nicht aus, dass es Stellen geben könnte, die das Vorhandensein eines ANS auf Vollzeitbasis erforderten. Die Kommission hatte jedoch nicht dargelegt, dass ein solches Erfordernis (soweit vorhanden) für alle ANS-Stellen gegeben sei.
1.11 Das konkreteste Argument der Kommission bezog sich auf die Kosten. Nach der geltenden Rechtsprechung des Gerichtshofs können jedoch Haushaltserwägungen als solche eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nicht rechtfertigen[6]. Obwohl sich die finanziellen Auswirkungen einer Genehmigung der Arbeit von ANS auf Teilzeitbasis derzeit nicht genau berechnen ließen, schien im übrigen aus den von der Kommission im Hinblick auf ihre eigenen Beamten gelieferten Angaben hervorzugehen, dass diese nicht erheblich sein würden.
1.12 Der Bürgerbeauftragte kam somit zu dem Schluss, dass das Verbot für ANS, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, einen Missstand darstellte. Der Bürgerbeauftragte legte daher gemäß Artikel 3 (6) des Statuts des Bürgerbeauftragte der Kommission einen Entwurf für eine Empfehlung vor.
Begründete Stellungnahme der Kommission
Nach Erhalt des Entwurfs der Empfehlung übermittelte die Kommission am 12. Juli 2001 eine begründete Stellungnahme gemäß Artikel 3 (6) des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten.
In dieser begründeten Stellungnahme führte die Kommission Folgendes aus:
„Die Kommission hat ausgeführt, dass im Zusammenhang mit dem Reformprozess eine neue Entscheidung über die Vorschriften für die abgeordneten nationalen Sachverständigen in Bearbeitung ist.
Diese neue Entscheidung sieht eine gründliche Überprüfung der Vorschriften vor, einschließlich der Abschaffung der Regel, die nationalen Sachverständigen, die zur Kommission abgeordnet sind, die Arbeit auf Teilzeitbasis verwehrt. Diese Entscheidung bezüglich der abgeordneten nationalen Sachverständigen ist jedoch nur ein Teil der Verfahren der Verwaltungsreform, und insbesondere des Bestandteils, der von nichtständigen Personalressourcen handelt.
Das Gesamtpaket bezüglich der Humanressourcen und der Personalpolitik wird derzeit mit den Personalvertretern der Kommission und auch mit den anderen Institutionen erörtert. Als Teil des Verhandlungsprozesses ist vereinbart worden, dass keine spezifischen Entscheidungen über einzelne Bestandteile getroffen werden, bis der Konsultationsprozess ein geeignetes Stadium für alle betroffenen Bestandteilen erreicht hat.
Die ausführlichen Diskussionen über nichtständige Personalressourcen haben noch nicht begonnen, es besteht aber die Hoffnung, dass auf kurze Sicht ausreichende Fortschritte erzielt werden, um eine neue Entscheidung über abgeordnete nationale Sachverständige Anfang Herbst zu ermöglichen. Unter diesen Umständen und im Hinblick auf die im Allgemeinen sensible Natur dieser Verhandlungen kann die Kommission jedoch nicht gewährleisten, dass sie die vom Europäischen Bürgerbeauftragten angegebene Frist am 30. September 2001 einhalten können wird".
Beurteilung der begründeten Stellungnahme der Kommission durch den Bürgerbeauftragten
Die begründete Stellungnahme der Kommission liefert erneut kein konkretes Datum, an dem die diskriminierende Maßnahme endgültig abgeschafft wird. Es sei daran erinnert, dass die Beschwerde in diesem Fall der Kommission im Februar 2000 mitgeteilt wurde, d. h. vor fast eineinhalb Jahren. Die Kommission hatte deshalb genügend Zeit, die erforderlichen Veränderungen vorzunehmen. Stattdessen verweist die Kommission jetzt darauf, dass es notwendig sei, bestimmte Diskussionen im Zusammenhang mit ihrem derzeitigen Reformprozess abzuwarten. Die Kommission fügt jedoch selbst hinzu, dass diese Diskussionen „noch nicht begonnen" haben.
Der Bürgerbeauftragte erkennt keinen stichhaltigen Grund, weshalb die empfohlene Maßnahme im Zusammenhang mit dem Reformprozess, den die Kommission derzeit betreibt, zu behandeln wäre. Die Kommission wurde lediglich aufgefordert, eine Vorschrift abzuschaffen, die sie selbst eingeführt hat und die eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts beinhaltet. Jegliche Verzögerung bei der Abschaffung dieser Vorschrift führt dazu, dass der durch diese verursachte Schaden andauert.
Empfehlung des Bürgerbeauftragten
Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten enthält die begründete Stellungnahme der Kommission keinen stichhaltigen Grund dafür, dem Entwurf der Empfehlung des Bürgerbeauftragten vom 10. Mai 2001 nicht vollständig nachzukommen. Deshalb formuliert der Bürgerbeauftragte den Entwurf der Empfehlung als eine Empfehlung an die Kommission mit folgendem Wortlaut erneut:
„Die Kommission sollte ihre Vorschrift, die es zur Kommission abgeordneten nationalen Sachverständigen verwehrt, auf Teilzeitbasis zu arbeiten, schnellstmöglich abschaffen".
Das Europäische Parlament könnte erwägen, die Empfehlung als Entschließungsantrag anzunehmen.
Straßburg, 15.11.2001
Jacob Söderman
[1] Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. 1994 Nr. L 113/15.
[2] Entscheidung der Kommission vom 7. Januar 1998 [C(97)3402], geändert durch die Entscheidung der Kommission vom 3. Februar 1999 [C(99)220].
[3] Entscheidung der Kommission vom 7. Januar 1998 [C(97)3402], geändert durch die Entscheidung der Kommission vom 3. Februar 1999 [C(99)220].
[4] Rechtssache C-226/98, Jørgensen,Slg. 2000, I-2447 Randnr. 29.
[5] Der Text ist im ABl. OJ 2000 C 364, S. 1, abgedruckt.
[6] Rechtssache C-226/98 loc. cit., Randnr. 39.
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