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Schreiben: Stellungnahme der Kommission zu einem Auskunftsersuchen des europäischen Bürgerbeauftragten (OI/3/2003/JMA)

03-03-2004


ALLGEMEINES

Die Kommission hat die Chancengleichheit der behinderten Menschen in den Vordergrund gestellt und besondere Maßnahmen ergriffen, um Diskriminierungen in den Beziehungen zwischen ihr und behinderten Menschen allgemein oder innerhalb des Betriebs zu verhindern. Die Kommission ist sich bewusst, dass noch mehr getan werden muss, um das Recht der behinderten Menschen auf Beteiligung an allen gesellschaftlichen Aspekten zu fördern und wird selbst weiterhin Änderungen in diesem Bereich anstreben; vor allem will sie dafür sorgen, dass mehr behinderte Menschen eingestellt werden.

In den letzten Jahren hat die Kommission insbesondere mit einer Reihe von Initiativen gesetzlicher und nicht gesetzlicher Art sichergestellt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz für Personalmitglieder und Stellenbewerber Wirklichkeit wird.

Die Vorschläge gesetzlicher Art betreffen die Änderung des Statuts, ein schwieriger und langwieriger Prozess, der inzwischen nahezu abgeschlossen ist. Zu den Vorschlägen nicht gesetzlicher Art zählen beispielsweise bei Bedarf die Berücksichtigung der Bedürfnisse von Behinderten bei Einstellungsverfahren, die Verabschiedung eines neuen Verhaltenskodex für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen und die Bereitstellung einiger wichtiger Dokumente in Braille-Schrift.

Das Ziel der Kommission besteht darin, Menschen mit Behinderungen beim Einstellungsverfahren zu unterstützen, ihrem bereits behinderten oder im Laufe seiner Dienstzeit eine Behinderung erfahrenden Personal gegebenenfalls angepasste Arbeitsbedingungen anzubieten und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass sich die Laufbahn Behinderter wie bei allen anderen Beamten entwickeln kann.

Der Bürgerbeauftragte ersuchte um Auskunft zu den beiden folgenden Fragen:

  • Was hat die Kommission unternommen oder gedenkt sie zu unternehmen, damit Menschen mit Behinderungen in ihren Beziehungen mit den Organen keine Diskriminierung erfahren?
  • Welcher Zeitplan gilt für die Umsetzung dieser Maßnahmen?

Die Kommission erteilt hierzu die folgenden Auskünfte:

A. Konkrete Maßnahmen


Statut

1. Verbot der Diskriminierung aufgrund einer Behinderung

Im Zuge der Reform hat die Kommission Änderungen des Status vorgeschlagen, die seinen Anwendungsbereich durch Anerkennung aller Diskriminierungsgründe nach Artikel 13 des EG-Vertrags erweitern. Dazu zählt eine klare rechtsverbindliche Aussage, wonach jede Diskriminierung unter anderem aufgrund einer Behinderung verboten ist (neuer Artikel 1 Buchstabe d) 1).

2. Definition von Behinderung

Der Vorschlag, der vom Rat vor dem 1. Mai 2004 angenommen werden soll, enthält auch eine Definition von „Behinderung" und verlangt von den Anstellungsbehörden, allen nachvollziehbaren Forderungen des Personals nach besonderen Einrichtungen und Anpassungen, die als „angemessene Vorkehrungen" bezeichnet werden, nachzukommen. Angemessene Vorkehrungen sind Vorkehrungen, die das Organ nicht über Gebühr belasten (neuer Artikel 1 Buchstabe d) 4).

3. Angemessene Vorkehrungen

Die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen trägt dazu bei, dass Behinderte bei der Ausführung ihrer Aufgaben ihren Kollegen gegenüber nicht benachteiligt sind, da diese Vorkehrungen die Behinderten bei der Einstellung und der Entwicklung ihrer Laufbahn unterstützen sollten.

4. Verlagerung der Beweislast

Im Hinblick auf Beschwerden wegen Diskriminierung hat die Kommission im neuen Statut vorgeschlagen (neuer Artikel 1 Buchstabe d) 5), die Beweislast bei Diskriminierung durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes zu verlagern. Kann eine behinderte Person Tatsachen anführen, die das Vorliegen einer Diskriminierung vermuten lassen, muss das Organ nachweisen, dass keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorliegt.

Einstellungsverfahren des EPSO

Die Anzeige freier Stellen bei der Kommission durch EPSO wurde verbessert und gezielter abgefasst, um mögliche Bewerber mit Behinderungen anzusprechen und ihnen zu versichern, dass eine Behinderung kein Nachteil für eine Bewerbung bei der Kommission darstellt. Es wurde dafür gesorgt, dass interne Websites leicht zugänglich sind und dass Behinderten, deren Bewerbung erfolgreich war, bei der Suche nach geeigneten Arbeitsplätzen geholfen wird. Im Rahmen einer dienststellenübergreifenden Arbeitsgruppe der Kommission wurde eine Untergruppe eingesetzt, die einen Bericht über den Zugang von Sehbehinderten zu Einstellungsverfahren verfasst hat.

Aktive Einstellung von Menschen mit Behinderungen

Die Generaldirektion Personal und Verwaltung (GD ADMIN) hat mit EPSO vereinbart, dass ihr die Namen erfolgreicher Teilnehmer an Auswahlverfahren mitgeteilt werden, die angegeben haben, dass wegen einer Behinderung besondere Vorkehrungen beim Auswahlverfahren erforderlich sind. Die GD ADMIN kann dann aktiv in ihre Einstellung durch Kommissionsdienststellen eingreifen.

Zugänglichkeit von Gebäuden

Auf der Grundlage einer Erhebung der GD ADMIN, die sie 2002 in 52 Gebäuden durchgeführt hat, übernahm das Amt für Gebäude, Anlagen und Logistik (OIB) in seinem Arbeitsprogramm die durchzuführenden Verbesserungen. Mehrere Veränderungen an den Gebäuden wurden bereits vorgenommen: Verbesserung der Parkplätze, Anpassung der Notausgänge, Türöffnungsautomaten, Einbau von Behinderten-WC, Einbau von Türgriffen (horizontale Stangengriffe), Anpassung nicht behindertengerechter Treppenhäuser usw.

Demnächst wird ein Manuel des normes applicables à l'Immeuble Type verabschiedet, das die internen Vorschriften darüber enthält, was im Verhaltenskodex für die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Hinblick auf die Zugänglichkeit und Begehbarkeit der Gebäude, die Evakuierung in Notfällen und die sanitären Einrichtungen gefordert wird. Dazu zählt auch die Verpflichtung, die Zugänglichkeit der von der Kommission benutzten Gebäude zu verbessern.

Dies alles sollte entscheidend dazu beitragen, die Zugänglichkeit zu Kommissionsgebäuden für alle Menschen zu verbessern, ob Außenstehende oder Personal. Die Kommission erkennt an, dass noch mehr getan werden muss und dass die bessere Zugänglichkeit der Kommissionsgebäude weiterhin eine vorrangige Aufgabe bleibt.

Zugänglichkeit von Dokumenten

Um sehbehinderten Menschen den Zugang zu den zentralen Reformpapieren zu ermöglichen, wurden das Weißbuch über die Reform der Kommission und das Konsultationspapier über bessere Arbeitsbedingungen und Karrierechancen für Behinderte in Braille-Schrift herausgegeben. Diese Sonderausgaben können in der Zentralbibliothek der Kommission und in der Bibliothek des Gemeinsamen Dolmetsch- und Konferenzdienstes (SCIC) im Konferenzzentrum Borchette eingesehen werden.

Im September 2001 genehmigte die Europäische Kommission die Mitteilung „eEurope 2002: Zugang zu öffentlichen Webseiten und deren Inhalten", die den Zugang älterer und behinderter Menschen zu Webseiten verbessern will. In ihrer Begründung zu der Mitteilung ermutigte die Kommission die anderen Europäischen Institutionen und die Mitgliedstaaten, es ihr nachzutun.

Die Website EUROPA wird derzeit umgestaltet, um die Anforderungen der Konformitätsstufe "A" zu erfüllen, also alle Punkte der Priorität 1 der international anerkannten Zugänglichkeitsrichtlinien für Web-Inhalte, die von der Web Accessibility Initiative (WAI) des World Wide Web-Konsortiums definiert wurden. Da EUROPA inzwischen mehr als eine Million Seiten umfasst, wird dies recht viel Zeit in Anspruch nehmen. Aus praktischen Gründen beschloss die Kommission, nur solche Seiten anzupassen, die neu sind oder geändert bzw. aktualisiert werden. Bereits archivierte oder in den ersten Jahren von EUROPA kreierte Seiten werden also nicht voll zugänglich gemacht.

Einige Hauptseiten (wie die Homepage von EUROPA und die Homepage der Europäischen Kommission) genügen bereits den Anforderungen der Konformitätsstufe „A". Ein entsprechendes Symbol zeigt an, dass dies der Fall ist und dass bei der Gestaltung dieser Seiten sowie eines Teils der darüber zugänglichen Web-Angebote auf die Zugänglichkeit besonderes Augenmerk gelegt wurde.

Neufassung des Verhaltenskodex für die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen

Parallel zur Statutsreform und den gezielten Maßnahmen von EPSO wurde auch der 1998 angenommene Verhaltenskodex für die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen innerhalb der Kommission und gemeinsam mit anderen Institutionen überarbeitet.

Auslöser war die Erkenntnis, dass mit einigen der geplanten Statutsänderungen Bestimmungen des Verhaltenskodex von 1998 überholt wären, beispielsweise die Definition der Begriffe „Behinderung" und „angemessene Vorkehrungen". Im Kodex von 1998 war auch eine Ausnahmeregelung für behinderte Stellenbewerber vorgesehen; da es aber keine Altersgrenze mehr gibt, ist eine solche Regelung hinfällig. Nach der Überarbeitung wurde der neue Verhaltenskodex für die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen von der Kommission am 25. November 2003 angenommen(1).

Mit der Neufassung ist man bestrebt, Behinderte stärker einzubeziehen, vor allem bei den Verfahren für die Durchführung und Überwachung. Die direkt betroffenen Personalmitglieder sollen in die Verfahren einbezogen werden, damit sie in der Praxis dafür sorgen können, dass der Kodex umgesetzt und seine Anwendung überwacht wird.

Der Verhaltenskodex befasst sich allgemein mit folgenden Themen:

- - Arbeitsplatzbezogene Vorkehrungen: Die erforderlichen Vorkehrungen werden durch die besonderen Bedürfnisse der Betroffenen bestimmt und werden in der Regel bereitgestellt;

- - Einstellung: Die Einstellungs- und Auswahlverfahren sind so gestaltet, dass behinderte Bewerber nicht benachteiligt werden;

- - Laufbahnentwicklung: In eine Reserveliste aufgenommene Bewerber mit einer Behinderung können sich sachkundig über konkrete Stellenangebote beraten lassen. Nach der Einstellung haben Beamte mit einer Behinderung das Recht darauf, ihr Potenzial voll zu entwickeln, beispielsweise durch Fortbildung;

- - Arbeitsumfeld: Es werden alle angemessenen Maßnahmen getroffen, um etwaige materielle oder technische Hindernisse für behinderte Bedienstete zu beseitigen;

- - Information und Sensibilisierung: Alle Bediensteten werden über den Kodex informiert, und Personen, die verstärkt mit Behindertenfragen zu tun haben, erhalten eine entsprechende Schulung;

- - Überwachung: Ein wesentliches Element bei der Umsetzung des Kodex ist eine ständige Überwachung der Resultate, um zu gewährleisten, dass auf allen Ebenen - u.a. bei der Einstellung und während der gesamten Beamtenlaufbahn - die Verfahren verbessert werden.

Der Kodex liegt in allen Amtssprachen der Europäischen Union vor. Alle 11 Sprachfassungen sind über den folgenden Hyperlink einsehbar:

http://ec.europa.eu/dgs/personnel_administration/human_resources_de.htm#114

Der Kodex ist auch als Fassung in Braille-Schrift verfügbar.

Da die anderen Institutionen bei der Überarbeitung des Kodex konsultiert wurden, ist davon auszugehen, dass sie den Kodex mutatis mutandis entsprechend ihren Verfahren annehmen.

Damit werden das neue Statut und der neue Verhaltenskodex in allen Institutionen Gültigkeit besitzen.

B. Zeitplan


Statut

Die Vorschläge für die Statutsänderungen wurden von der Europäischen Kommission offiziell am 18. November 2003 genehmigt. Sie wurden dem Rat zur endgültigen Annahme übermittelt und sollen am 1. Mai 2004 in Kraft treten.

Verhaltenskodex

Der Verhaltenskodex gilt bereits seit dem Datum seiner Genehmigung durch die Kommission am 25. November 2003. Für die Anwendung in der Kommission wurden die Generaldirektoren in einem ersten Schritt aufgefordert, 2004 eine Umfrage unter ihren Bediensteten durchzuführen, um einen Überblick über die Situation der Behinderten in der Kommission zu gewinnen. Diese Umfragen sind in Ziffer 8 des Kodex vorgesehen, und mit den Daten soll unter Weglassung personenbezogener Angaben ein statistischer Bericht über die Zahl der behinderten Bediensteten der Kommission erstellt werden.

Ein wesentliches Element für die Anwendung des Kodex ist eine ständige Überwachung der Resultate, um zu gewährleisten, dass auf allen Ebenen - u.a. bei der Einstellung und während der gesamten Beamtenlaufbahn - die Verfahren verbessert werden.

Die Kommission versichert dem Bürgerbeauftragten, dass sie Behindertenfragen im Rahmen ihrer Reform der Personalpolitik weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen wird. Die Vielfalt der Gesellschaft muss sich in der Zusammensetzung des Personals widerspiegeln, damit die Kommission die ihr zur Verfügung stehenden Talente voll ausschöpfen kann.

Zusätzlich zu dem Auskunftsersuchen des Bürgerbeauftragten über die oben genannten Maßnahmen möchte die Kommission Angaben über die Integration behinderter Schüler in den europäischen Schulen machen. Die Kommission möchte allerdings betonen, dass für die europäischen Schulen der Gouverneurs Rat zuständig ist, indem die Kommission nur mit einer Stelle vertreten ist.

C. Die Europäischen Schulen


Unterricht

Die Europäischen Schulen haben 1999 ein Unterrichtsprogramm für Schüler mit besonderen Bildungsbedürfnissen (Special Education Needs - SEN) angenommen. Es befasst sich nicht nur mit Lernschwierigkeiten, sondern auch mit den meisten Formen der Lernbehinderungen und körperlichen Behinderungen. In dem Programm geht es darum, die Schülerinnen und Schüler so weit wie möglich ins Schulleben zu integrieren. Einige Sonder-unterrichtseinheiten finden zwar außerhalb des Klassenzimmers statt, in der Regel nehmen die Schüler aber, unterstützt von einer besonderen Fachkraft, am normalen Unterricht teil.

Für jeden Schüler mit besonderen Bildungsbedürfnissen stellt ein Beirat, dem der Direktor, die betroffenen Lehrer und Eltern und gewöhnlich ein Mediziner angehören, ein individuelles Programm auf, das die jeweiligen Fähigkeiten und Bedürfnisse berücksichtigt. Der Beirat einigt sich auf einen Vertrag, in dem die Verpflichtungen aller Parteien aufgeführt sind. Der Vertrag wird jedes Jahr erneuert und gegebenenfalls an die Fortschritte des Schülers angepasst. Jeder Fall wird für sich geprüft, so dass es in den einzelnen Fällen für die Unterstützung von Schülern mit Behinderungen keine finanziellen Beschränkungen gibt.

Parallel zu Einschränkungen und/oder Änderungen an den Unterrichtsfächern und dem Gesamtstundenplan gelten besondere Vorkehrungen für die Überprüfung und Überwachung der Fortschritte von Schülern mit Behinderungen. Diese können eher einfacher Art sein, beispielsweise mehr Zeit bei schriftlichen Prüfungen oder andere Schriftgröße der Prüfungsfragen, oder aber auch aufwendiger, beispielsweise Verwendung eines Computers, schriftliche Formulierung der Antworten nach Diktat durch eine andere Person oder gar mündliche Abnahme der Prüfung. Als Lernziele gelten nicht die der Klasse, sondern die eigenen. Ein Schüler mit Behinderungen kann auch in seiner Klasse bleiben, wenn er am Ende des Schuljahres nicht versetzt wird. Damit und mit dem Grundsatz, dass in der Klasse unterrichtet wird, ist die soziale Integration der Schüler in der Schule gewährleistet.

Die Zahl der Schüler mit Behinderungen nimmt in jedem Programmjahr zu, und das Programm erhält mehr Publizität. Seine Fortschritte werden gezielt überwacht, und die derzeit laufende Überarbeitung des Programms von 1999 soll vom Obersten Rat der Europäischen Schulen in diesem Frühjahr genehmigt werden. Die Neuauflage berücksichtigt viele vorbildliche Verfahren aus den verschiedenen Schulen.

Zugänglichkeit der Schulgebäude

Viele der Europäischen Schulen wurden mit Blick auf die Bedürfnisse von Personen mit Behinderungen gebaut oder an diese angepasst. Die zuletzt gebauten oder renovierten Schulen, nämlich die drei Schulen in Brüssel und die Schulen in Luxemburg und Alicante sind auf dem neuesten Stand, was die behindertengerechte Zugänglichkeit betrifft. Soweit es die Architektur älterer Gebäude zulässt, wurden in den meisten anderen Schulen Anpassungen vorgenommen; Aufzüge gibt es allerdings nicht in allen Schulen.

Die Gebäude der Europäischen Schulen werden vom Mitgliedstaat gestellt und instand gehalten, in dem sich die jeweilige Schule befindet. Die Kommission kann die zuständigen nationalen Behörden allerdings bitten, für eine angemessen Anpassung aller Gebäude zu sorgen, und sie beabsichtigt, auf der nächsten Sitzung des Obersten Rats der Europäischen Schulen im April 2004 einen entsprechenden Vorstoß zu unternehmen.


(1) C (2003) 4362 vom 25.11.2003.