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Der Missbrauch von Datenschutzvorschriften in der Europäischen Union

Der Europäische Bürgerbeauftragte ist darüber besorgt, dass Vorschriften über den Datenschutz, insbesondere die Verordnung 45/2001, ihrem eigentlichen Zweck entzogen werden, der darin besteht, zum Schutz des Individualrechts auf Achtung der Privatsphäre beizutragen, wie es in Artikel 8 Absatz 1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten niedergelegt ist: Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

Stattdessen werden diese Vorschriften dazu benutzt, den Grundsatz der Transparenz in öffentlichen Aktivitäten zu unterminieren.

Nachstehend folgen vier Beispiele von Fällen, in denen Datenschutzvorschriften dazu benutzt wurden, die Transparenz zu unterminieren. Die ersten beiden betreffen Entscheidungen über die Veröffentlichung von Informationen. Die beiden letzten Fälle betreffen das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu Informationen.

1 Das Verzeichnis der Mitarbeiter der Europaabgeordneten

Das Europäische Parlament beschloss, ein Verzeichnis der aus Mitteln der Gemeinschaft bezahlten Mitarbeiter der Europaabgeordneten zu veröffentlichen. Dieser Beitrag zur Transparenz wurde durch den Einwand in Frage gestellt, die Datenschutzvorschriften gäben den Mitarbeitern das Recht, anonym zu bleiben, auch wenn ihr Gehalt vom europäischen Steuerzahler bezahlt werde.

Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments ist immer noch damit beschäftigt, diese Frage zu prüfen.

2 Einstellungsverfahren

Der Europäische Bürgerbeauftragte empfahl dem Europäischen Parlament, Kandidaten in zukünftigen Einstellungsverfahren darüber zu informieren, dass die Namen der erfolgreichen Bewerber veröffentlicht werden würden.

Das Europäische Parlament verwarf diesen Vorschlag mit der Begründung, die Verordnung 45/2001 gäbe erfolgreichen Bewerbern das Recht, anonym zu bleiben.

Sollte diese Entscheidung bestätigt werden, würde dies einen bedeutenden Rückschritt gegenüber der derzeitigen Lage markieren. Die Europäische Kommission beschloss im Jahre 1997, im Interesse der Transparenz die Namen der erfolgreichen Bewerber zu veröffentlichen.

3 Geschäftliche Einflussnahmen in dem Verfahren nach Artikel 226

Die Europäische Kommission beruft sich auf Datenschutz, um zu begründen, warum sie sich einer Resolution des Europäischen Parlaments widersetzt. Diese Resolution betrifft die Weigerung der Kommission, Auskunft darüber zu geben, wer auf eine Untersuchung nach Artikel 226 Einfluss genommen hat.

Die Kommission leitete eine Untersuchung über eine britische Rechtsvorschrift ein, stellte das Verfahren dann aber ein. Der Beschwerdeführer möchte herausfinden, wer der Kommission Stellungnahmen zu diesem Fall unterbreitet hat. Er möchte auch die Namen der Vertreter seiner geschäftlichen Konkurrenten in Erfahrung bringen, die an einem von der Kommission anberaumten Treffen teilnahmen. Er argwöhnt, dass Personen beteilgt waren, die mit korrupten Praktiken im Vereinigten Königreich in Verbindung stehen.

Die Kommission stellt sich auf den Standpunkt, dass die Datenschutzvorschriften sie dazu zwängen, die Namen der betroffenen Personen geheimzuhalten, es sei denn, diese stimmten der Offenlegung ihrer Identität zu.

Die Kommission hätte sich darauf berufen können, dass das öffentliche Interesse an der Effektivität des Verfahrens nach Artikel 226 es rechtfertige, Personen, die während einer Untersuchung Auskünfte geben, Vertraulichkeit zuzusichern und dass solche Zusicherungen, wenn sie einmal abgegeben seien, eingehalten werden müssten. Die Rechtsprechung des Gerichtshofes würde beide Argumente stützen. Stattdessen scheint die Kommission aus der Beschwerde einen Testfall dafür gemacht zu haben, wie man den Datenschutz als eine neue Begründung für eine Entscheidungsfindung im Geheimen benutzen könnte.

4 Ausserdientliche Betätigungen von Gemeinschaftsbediensteten

Eine Zeitung beantragte auf der Grundlage der Verordnung 1049/2001 öffentlichen Zugang zu einem Verzeichnis der Genehmigungen, die für ausserdienstliche Betätigungen von Gemeinschaftsbediensteten erteilt worden sind.

Die Kommission stellte dieses Verzeichnis zur Verfügung, entfernte jedoch die Namen sämtlicher betroffenen Bediensteten. Zur Begründung berief sie sich darauf, dass die Verordnung 45/2001 diesen Bediensteten das Recht gebe, anonym zu bleiben.

Kein Grundrecht auf anonyme Beteiligung an öffentlichen Aktivitäten

Die vorstehenden Beispiele für den Missbrauch des Datenschutzes scheinen auf der Vorstellung zu basieren, es gebe ein Grundrecht des Inhalts, eine Person könne sich anonym an öffentlichen Aktivitäten beteiligen.

Artikel 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten begründet ein solches Recht nicht. Ein solches Recht wäre überdies mit dem Grundsatz der Transparenz und dem Recht auf öffentlichen Zugang unvereinbar. Würde man nämlich die Identität der Personen, die an öffentlichen Aktivitäten teilnehmen, verbergen, würde der Bürger der Möglichkeit beraubt, diese Aktivitäten zu verstehen und wirksam zu verfolgen.

Die internationale Erfahrung zeigt zudem, dass Transparenz eine der besten Schutzvorkehrungen gegen Korruption darstellt.

IJH
25. September 2002