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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 2333/2003/GG gegen die Europäische Kommission
Decision
Case 2333/2003/GG - Opened on Tuesday | 16 December 2003 - Decision on Wednesday | 19 May 2004
In November 2001, a German doctor requested the European Commission to open infringement proceedings against Germany. He argued that Germany was infringing a Council Directive on the organisation of working time in so far as the activity of doctors in hospitals was concerned. The Court of Justice had held that time spent on call by doctors in primary health care teams must be regarded as working time. However, in Germany the interpretation prevailed that on-call service of doctors was not covered by the Directive's concept of "working time".
In his complaint to the Ombudsman, lodged in December 2003, the complainant submitted that so far he had only received acknowledgements of receipt and notices that further inquiries were being made, but no substantial answer. He alleged that the Commission had failed to deal with his complaint within a reasonable period of time.
The Commission argued that the delays in treating the complaint were due to the technical and legal complexity of the matter. It had registered the complainant's letter as a formal complaint in April 2002. In February 2003, it had written to the German authorities, who had replied in March 2003. Also in March 2003, the Commission had decided to commission a study concerning the effects of the judgment of the Court of Justice. It pointed out that it wished to await the outcome of this study before deciding on how to proceed. It explained that the Court's interpretation went against the interpretation put forward by the Commission and the Member States. Furthermore, a new German law to bring national legislation in line with the Directive as interpreted by the Court had entered into force in January 2004. The compatibility of this law with Community law was in the process of being examined. When this examination was finalised, the Commission would inform the complainant about the result of his complaint.
The Ombudsman pointed to a Commission Communication on relations with the complainant in respect of infringements of Community law, which set the general rule that the Commission would strive to arrive at a decision within not more than one year. Although this Communication was made after the complainant had lodged his complaint, the Ombudsman considered that it provided a useful yardstick.
The Ombudsman was not convinced that the delay was justified by the technical and legal complexity of the matter. The Commission itself had pointed out that the Court's judgment went against its interpretation of the Directive. It thus appeared to have accepted that the legal position was already clarified. In any event, the purported legal and technical complexity of the matter did not explain why nearly 15 months lapsed before the Commission took any steps to clarify the matter. The Ombudsman concluded that the Commission had failed to deal with the complainant's infringement complaint within a reasonable period of time. He made a critical remark.
Straßburg, den 19. Mai 2004
Sehr geehrter Herr X.,
am 6. Dezember 2003 reichten Sie eine Beschwerde gegen die Europäische Kommission betreffend eine Beschwerde über Deutschland ein, die Sie der Kommission 2001 übermittelt hatten und die die Kommission unter dem Aktenzeichen 2002/4298 SG(2001)A/12659 registriert hatte.
Am 16. Dezember 2003 leitete ich die Beschwerde an den Präsidenten der Kommission weiter. Die Kommission übermittelte ihre Stellungnahme am 23. März 2004. Diese Stellungnahme leitete ich am 29. März 2004 zu und lud Sie ein, Anmerkungen hierzu zu machen, die Sie mir am 17. April 2004 zusandten.
Ich möchte Ihnen nunmehr die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung mitteilen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, ist daran zu erinnern, dass der Europäische Bürgerbeauftragte aufgrund des EG-Vertrags befugt ist, mögliche Fälle von Missständen in der Verwaltungstätigkeit nur im Rahmen der Tätigkeiten von Gemeinschaftsorganen und -institutionen zu untersuchen. Im Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten ist insbesondere vorgeschrieben, dass eine Beschwerde an den Bürgerbeauftragten keine Vorgehensweise einer anderen Behörde oder Person betreffen darf.
Die Untersuchung des Bürgerbeauftragten hinsichtlich Ihrer Beschwerde bezog sich daher auf die Prüfung der Frage, ob es Missstände in der Verwaltungstätigkeit im Rahmen der Tätigkeiten der Europäischen Kommission gegeben hat.
DIE BESCHWERDE
Im November 2001 ersuchte der Beschwerdeführer, ein deutscher Arzt, die Europäische Kommission um Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass Deutschland gegen die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitsgezeitgestaltung(1) im Hinblick auf die Tätigkeit von Ärzten in Krankenhäusern verstoße. Nach Auffassung des Beschwerdeführers hatte dies beträchtliche Risiken sowohl für Mitarbeiter als auch für Patienten zur Folge.
Die Kommission registrierte die Beschwerde unter dem Aktenzeichen 2002/4298 SG(2001)A/12659.
In seiner Beschwerde an den Bürgerbeauftragten teilte der Beschwerdeführer mit, dass er bisher nur eine Bestätigung des Eingangs seiner Beschwerde und weiterer Untersuchungen, jedoch keine Antwort auf den Inhalt seiner Beschwerde erhalten hat. Der Beschwerdeführer behauptete daher, dass die Kommission seine Beschwerde nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums geprüft hat.
DIE UNTERSUCHUNG
Die Stellungnahme der KommissionIn ihrer Stellungnahme führte die Kommission folgende Punkte an:
Am 6. November 2001 habe der Beschwerdeführer seine Beschwerde der Vertretung der Kommission in München übermittelt, die diese Beschwerde am 15. November 2001 an das Generalsekretariat der Kommission weitergeleitet habe. Die Generaldirektion (GD) Beschäftigung und Soziales habe dem Beschwerdeführer am 4. Dezember 2001 einen Zwischenbescheid zugesandt. Am 18. Januar 2002 habe die GD Beschäftigung und soziale Angelegenheiten das Generalsekretariat ersucht, das Schreiben des Beschwerdeführers als Beschwerde zu registrieren.
Mit Schreiben vom 26. April 2002 habe das Generalsekretariat der Kommission dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sein Schreiben als formale Beschwerde unter dem Aktenzeichen 2002/4298 SG(2001)A/12659 registriert worden sei.
Am 3. Februar 2003 habe die GD Beschäftigung und Soziales die deutschen Behörden in einem Schreiben um Informationen über die Umsetzung der Richtlinie 93/104, insbesondere von Artikel 6 dieser Richtlinie (der die wöchentliche Höchstarbeitszeit betrifft) ersucht, und zwar insbesondere im Hinblick auf deutsche Krankenhäuser. In diesem Schreiben habe die Kommission die Auffassung vertreten, dass durch ein Urteil des Gerichtshofs aufgrund eines Ersuchens um Vorabentscheidung die Auslegung der entsprechenden Regelung des Gemeinschaftsrechts klargestellt werde und dass diese Auslegung daher auf vergleichbare oder ähnliche Situationen anzuwenden sei. Die deutschen Behörden hätten am 24. März 2003 auf dieses Schreiben geantwortet.
Am 11. März 2003 habe die GD Beschäftigung und Soziales den Beschwerdeführer darüber unterrichtet, dass sie beschlossen habe, einen externen Sachverständigen mit einer Studie über die Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Simap(2) in den Mitgliedstaaten zu beauftragen, und zwar insbesondere hinsichtlich der Vereinbarkeit nationaler Regelungen und der Auswirkungen dieses Urteils im Gesundheitssektor. Die Kommission habe darauf hingewiesen, dass sie angesichts der Komplexität der Angelegenheit das Ergebnis dieser Studie abzuwarten gedenke, bevor sie über das weitere Vorgehen beschließen würde. Der Beschwerdeführer sei ferner davon in Kenntnis gesetzt worden, dass die Kommission die deutschen Behörden um Informationen ersucht hatte.
In diesem Kontext und aufgrund der verfügbaren Informationen sei es möglich erschienen, dass die deutsche Rechtsvorschrift, die gerade in Änderung befindlich gewesen sei, mit der Richtlinie vereinbar werden könnte, wie sie vom Gerichtshof in der Rechtssache Simap und in seinem Urteil in der Rechtssache Jaeger(3), ausgelegt worden sei.
In seinem Urteil in der Rechtssache Simap habe der Gerichtshof festgestellt, „dass der Bereitschaftsdienst, den die Ärzte der Teams zur medizinischen Grundversorgung in Form persönlicher Anwesenheit in der Gesundheitseinrichtung leisten, insgesamt als Arbeitszeit und gegebenenfalls als Überstunden im Sinne dieser Richtlinie anzusehen ist“(4). Diese Auslegung habe nicht der Auslegung entsprochen, die die Kommission und die Mitgliedstaaten zum fraglichen Zeitpunkt vorgetragen hätten. Dieser Auslegung zufolge fiel der Bereitschaftsdienst von Ärzten nicht unter den Begriff der „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie.
Angesichts der Komplexität der Angelegenheit und der voraussichtlichen finanziellen, organisatorischen und personellen Auswirkungen dieser Rechtsprechung habe die Kommission eine ausführliche Folgenabschätzung in den Mitgliedstaaten in Angriff genommen.
In seinem Urteil in der Rechtssache Jaeger vom 9. September 2003 habe der Gerichtshof seine Rechtsprechung bestätigt und erläutert.
Einen Tag nach diesem Urteil habe die deutsche Regierung einen Gesetzentwurf vorgelegt, durch den die deutschen Rechtsvorschriften mit der Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof in Einklang gebracht werden sollten. Am 24. Dezember 2003 habe Deutschland das Gesetz über die Reform des Arbeitsmarkts angenommen, in der insbesondere das Gesetz über die Arbeitszeit abgeändert worden sei. Das neue Gesetz sei am 1. Januar 2004 in Kraft getreten.
Die Kommission habe ebenfalls eine Mitteilung zur Arbeitszeit und zu den Auswirkungen der Urteile des Gerichtshofs in den Rechtssachen Simap und Jaeger angekündigt. Diese Mitteilung sei am 30. Dezember 2003(5) angenommen worden.
Die Verzögerungen bei der Behandlung der Beschwerde seien auf die technische und rechtliche Komplexität dieser Angelegenheit zurückzuführen. Es sei jedoch darauf hinzuweisen, dass Deutschland ein neues Gesetz angenommen habe, um die deutschen Rechtsvorschriften mit der Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof in Einklang zu bringen. Die Vereinbarkeit dieses Gesetzes, das der Kommission am 6. Februar 2004 übermittelt worden sei, mit dem Gemeinschaftsrecht befinde sich im Stadium der Prüfung. Sobald diese Prüfung abgeschlossen sei, würden die Dienststellen der Kommission den Beschwerdeführer in einem Schreiben über das Ergebnis seiner Beschwerde unterrichten.
Die Anmerkungen des BeschwerdeführersIn seinen Anmerkungen bekräftigte der Beschwerdeführer seine Beschwerde und führte ferner Folgendes aus:
Die Kommission habe am 6. November 2001 eine Bestätigung für den Eingang seiner Beschwerde übermittelt. Am 3. Februar 2003 habe die Kommission die deutschen Behörden um Auskünfte ersucht. Daraus folge, dass die Kommission 15 Monate vergehen habe lassen, bevor sie sich überhaupt mit der Beschwerde befasst habe.
Der Hinweis der Kommission auf die „Komplexität“ der Angelegenheit sei überraschend. Bereits in seinem Urteil in der Rechtssache Simap im Oktober 2000 habe der Gerichtshof klar und unmissverständlich festgestellt, dass Bereitschaftsdienst eindeutig mit Arbeitszeit gleichzusetzen sei. Die Angelegenheit sei tatsächlich in keiner Weise „komplex“. Die Kommission hätte sich mühelos Einblick in die wirkliche Situation verschaffen können, indem sie einige der Personen konsultiert hätte, die von der Verpflichtung zum Bereitschaftsdienst betroffen sind.
Selbst wenn man theoretische Überlegungen im Hinblick auf den Bereitschaftsdienst außer Acht ließe, sei der Schutz der Arbeitnehmer vor gesundheitlicher Gefährdung durch die bestehenden Arbeitsbedingungen als solche unterminiert. Obwohl mehr als zweieinhalb Jahre seit Einreichung seiner Beschwerde im November 2001 vergangen seien, habe die Kommission nicht darauf bestanden, dass Gemeinschaftsregelungen für den Schutz der Arbeitnehmer eingehalten werden sollten. Verstöße gegen diese Regelungen durch die Mitgliedstaaten seien toleriert worden und würden weiterhin toleriert. Die von Deutschland angenommenen neuen Regelungen ständen noch immer nicht mit dem Geist der Richtlinie im Einklang. Insbesondere Artikel 3 und 15 der Richtlinie betreffend tägliche Ruhezeiten würden von der deutschen Regierung nicht beachtet, was zur Gefährdung sowohl von Mitarbeitern als auch von Patienten führe.
DIE ENTSCHEIDUNG
1. Angeblich unterlassene Behandlung einer Vertragsverletzungsbeschwerde innerhalb eines angemessenen Zeitraums1.1 Am 6. November 2001 ersuchte der Beschwerdeführer, ein deutscher Arzt, die Europäische Kommission um Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland. Der Beschwerdeführer argumentierte, dass Deutschland gegen die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitsgezeitgestaltung(6) im Hinblick auf die Tätigkeit von Ärzten in Krankenhäusern verstoße. Dem Beschwerdeführer zufolge hatte er zum Zeitpunkt seiner Beschwerde an den Bürgerbeauftragten nur eine Bestätigung des Eingangs seiner Beschwerde und weiterer Nachfragen, jedoch keine Antwort auf den Inhalt seiner Beschwerde erhalten. Der Beschwerdeführer behauptet daher, dass die Kommission seine Beschwerde nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums geprüft habe.
1.2 In ihrer Stellungnahme macht die Kommission geltend, dass sie den Beschwerdeführer am 26. April 2002 davon unterrichtet habe, dass sein Schreiben als formale Beschwerde unter dem Aktenzeichen 2002/4298 SG(2001)A/12659 registriert worden sei und dass sie am 3. Februar 2003 die deutschen Behörden um Informationen über die Umsetzung der Richtlinie 93/104 im Hinblick auf deutsche Krankenhäuser ersucht habe. Die Kommission erklärt ferner, dass sie vor dem Hintergrund der voraussichtlichen Auswirkungen des Urteils des Gerichtshofs in der Rechtssache Simap(7) beschlossen habe, eine gründliche Prüfung der Auswirkungen in den Mitgliedstaaten vorzunehmen. Am 11. März 2003 habe sie den Beschwerdeführer darüber unterrichtet, dass sie angesichts der Komplexität der Angelegenheit das Ergebnis dieser Studie abzuwarten gedenke, bevor sie über das weitere Vorgehen beschließen würde. Die Kommission wies darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 2003 in der Rechtssache Jaeger(8) seine Rechtsprechung bestätigt und erläutert habe und dass Deutschland anschließend seine nationalen Rechtsvorschriften in diesem Bereich geändert habe. Der Kommission zufolge befindet sich die Vereinbarkeit dieses geänderten deutschen Gesetzes, das der Kommission am 6. Februar 2004 übermittelt worden war, mit dem Gemeinschaftsrecht im Stadium der Prüfung. Sobald diese Prüfung abgeschlossen sei, werde der Beschwerdeführer über das Ergebnis seiner Beschwerde unterrichtet werden. Die Kommission gelangt zu der Schlussfolgerung, dass die Verzögerungen bei der Behandlung der Beschwerde auf die technische und rechtliche Komplexität dieser Angelegenheit zurückzuführen seien.
1.3 Es entspricht den Grundsätzen einer guten Verwaltungspraxis, dass die Kommission Beschwerden wegen angeblicher Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten innerhalb eines angemessenen Zeitraums prüft. In ihrer Mitteilung an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht(9) bestätigte die Kommission, dass ihre Dienststellen in der Regel „binnen eines Jahres ab dem Zeitpunkt der Eintragung im Generalsekretariat (entscheiden), ob eine Beschwerde Anlass zur Absendung einer Aufforderung zur Äußerung gibt oder ob der Vorgang eingestellt wird“. Obwohl diese Mitteilung übermittelt wurde, nachdem der Beschwerdeführer seine Beschwerde bei der Kommission eingereicht hatte, ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass sie einen nützlichen Maßstab bietet, wenn es darum geht zu entscheiden, was unter einem angemessenen Zeitraum zu verstehen ist.
1.4 Im vorliegenden Fall stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass die Kommission den deutschen Behörden am 3. Februar 2003 ein Ersuchen um Auskunft übermittelt hat. Wie der Beschwerdeführer zu Recht hervorhebt, hat die Kommission somit fast 15 Monate vergehen lassen, bevor sie den von ihm erhobenen Einwänden nachging. Der Bürgerbeauftragte ist nicht davon überzeugt, dass diese Verzögerung durch die technische und rechtliche Komplexität dieser Angelegenheit gerechtfertigt war, wie die Kommission erklärt. Die Kommission räumt in ihrer Stellungnahme selbst ein, dass das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Simap der Auslegung widersprach, die zuvor von der Kommission und den Mitgliedstaaten vertreten wurde und der zufolge der Bereitschaftsdienst von Ärzten nicht unter den Begriff der „Arbeitszeit“ im Sinne der Richtlinie fiel. Die Kommission akzeptiert daher offenbar, dass die Rechtslage bereits durch die Rechtssache Simap im Jahr 2000 klargestellt worden war und dass das Urteil in der Rechtssache Jaeger diese Rechtsprechung nur bestätigte. Es ist daher schwer erkennbar, worin die rechtliche Komplexität bestanden haben könnte, auf die sich die Kommission beruft. Es ist anzumerken, dass die Kommission selbst in ihrem Schreiben vom 3. Februar 2003 an die deutschen Behörden betonte, dass durch ein Urteil des Gerichtshofs aufgrund eines Ersuchens um Vorabentscheidung die Auslegung der entsprechenden Regelung des Gemeinschaftsrechts klargestellt werde und dass diese Auslegung daher auf vergleichbare oder ähnliche Situationen anzuwenden sei. In diesem Zusammenhang nahm die Kommission ausdrücklich Bezug auf das Urteil des Gerichtshofs in der Rechtssache Simap. Es ist ferner darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihren Erklärungen gegenüber dem Gerichtshof in der Rechtssache Jaeger offenbar den Standpunkt bekräftigte, dass Bereitschaftsdienst im Allgemeinen Arbeitszeit sei, da Ärzte gehalten seien, im Krankenhaus zu bleiben, wo sie ihrem Arbeitgeber zur Verfügung stehen, um ihrer beruflichen Tätigkeit nachzugehen(10). Auf jeden Fall bietet die angebliche rechtliche und technische Komplexität der Angelegenheit keine Erklärung dafür, warum fast 15 Monate vergangen sind, bevor die Kommission irgendwelche Schritte zur Klärung dieser Angelegenheit unternommen hat.
2. Schlussfolgerung2.1 Unter diesen Umständen ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass die Kommission die Vertragsverletzungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums behandelt hat. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.
2.2 Gemäß Artikel 3 Absatz 5 des Statuts des Bürgerbeauftragten(11) bemüht sich der Bürgerbeauftragte zusammen mit dem betreffenden Organ oder der betreffenden Institution soweit wie möglich um eine Lösung, durch die der Missstand beseitigt und der eingereichten Beschwerde stattgegeben werden kann. In Fällen wie dem vorliegenden, in denen es Verzögerungen beim Verwaltungsverfahren gegeben hat, könnte eine solche einvernehmliche Lösung durch einen Vorschlag des Bürgerbeauftragten erzielt werden, dem zufolge die Verwaltung ihr Verfahren innerhalb eines kurzen zusätzlichen Zeitraums abschließen sollte, vorausgesetzt, dass dieser Vorschlag von der Verwaltung und dem Beschwerdeführer angenommen wird.
2.3 Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Deutschland inzwischen ein neues Gesetz angenommen hat, um die deutschen Rechtsvorschriften mit der Auslegung der Richtlinie durch den Gerichtshof in Einklang zu bringen, und dass dieses neue Gesetz der Kommission am 6. Februar 2004 zur Kenntnis gebracht wurde. Die Kommission wird die Vereinbarkeit dieses neuen Gesetzes mit den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft überprüfen müssen, um die Vertragsverletzungsbeschwerde des Beschwerdeführers prüfen zu können. Diese Prüfung wird derzeit von der Kommission durchgeführt. Da die Kommission offensichtlich akzeptiert, dass durch das Urteil in der Rechtssache Jaeger die Rechtsfragen klargestellt wurden, hat der Bürgerbeauftragte keinen Grund zu der Annahme, dass die Kommission weitere Verzögerungen bei der Behandlung der Vertragsverletzungsbeschwerde des Beschwerdeführers entstehen lassen wird. Der Bürgerbeauftragte ist daher der Ansicht, dass die beste Vorgehensmöglichkeit in diesem Fall die Feststellung eines Missstands in der Verwaltungstätigkeit hinsichtlich der Verzögerung in der Vergangenheit ist. Es steht dem Beschwerdeführer natürlich frei, eine neue Beschwerde beim Bürgerbeauftragten einzureichen, falls die Kommission sich gleichwohl weitere Verzögerungen bei der Behandlung seiner Vertragsverletzungsbeschwerde zuschulden kommen lassen würde.
2.4 Auf der Grundlage der Untersuchung dieser Beschwerde durch den Bürgerbeauftragten bedarf es daher folgender kritischer Bemerkung:
Es entspricht guter Verwaltungspraxis, wenn die Kommission Beschwerden wegen angeblicher Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht durch die Mitgliedstaaten innerhalb eines angemessenen Zeitraums behandelt. Im vorliegenden Fall sind fast 15 Monate vergangen, bevor die Kommission damit begann, die vom Beschwerdeführer erhobenen Einwände zu prüfen, indem sie ein Ersuchen um Auskunft an den betreffenden Mitgliedstaat sandte. Unter diesen Umständen ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass die Kommission die Vertragsverletzungsbeschwerde des Beschwerdeführers nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums behandelt hat. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.
2.5 Aufgrund der vorstehenden Ausführungen (siehe Punkt 2.3) schließt der Bürgerbeauftragte den Fall ab. Der Präsident der Kommission wird ebenfalls über diese Entscheidung unterrichtet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Professor Dr. P. Nikiforos DIAMANDOUROS
(1) ABl. 1993 Nr. L 307, S. 18.
(2) Rs. C-303/98, Simap, Slg. 2000, I-7963.
(3) Urteil vom 9. September 2003 in der Rechtssache C-151/02, Landeshauptstadt Kiel gegen Jaeger.
(4) A.a.O., Randnummer 52.
(5) Dokument KOM(2003) 843 endg.
(6) ABl. 1993 Nr. L 307, S. 18.
(7) Rs. C-303/98, Simap, Slg. 2000, I-7963.
(8) Urteil vom 9. September 2003 in der Rechtssache C-151/02, Landeshauptstadt Kiel gegen Jaeger.
(9) ABl. 2002 Nr. C 244, S. 5.
(10) Siehe Randnummer 18 der Schlußanträge des Generalstaatsanwalts Colomer. Es ist darauf hinzuweisen, dass die mündliche Anhörung in der Rechtssache Jaeger am 25. Februar 2003 stattfand, d.h. bevor die Kommission den Beschwerdeführer am 11. März 2003 davon unterrichtete, dass sie beabsichtige, das Ergebnis einer Studie abzuwarten, bevor sie über das weitere Vorgehen beschließen würde.
(11) Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. 1994 Nr. L 113, S. 15.
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