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Entscheidung im Fall 129/2018/NF betreffend den Standpunkt der Europäischen Kommission, wonach der Beschwerdeführer nicht als Beteiligter im Zusammenhang mit mutmaßlich rechtswidriger staatlicher Beihilfe einzustufen ist, die Deutschland für Dienstleistungen in der Fremdenverkehrsbranche gewährt hat

Der Fall betraf die Bearbeitung einer Beschwerde durch die Europäische Kommission über eine mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe, die Deutschland einem Unternehmen, das den regionalen Fremdenverkehr fördert, gewährt hatte. Die Beschwerde wurde von einem eingetragenen Verein eingereicht, dessen Mitglieder Unterkünfte in der betreffenden Region anbieten. Die Kommission vertrat den Standpunkt, dass es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um einen Wettbewerber des Begünstigten der mutmaßlichen Beihilfe und somit nicht um einen „Beteiligten“ handele, der zur Einreichung einer Beschwerde über staatliche Beihilfen berechtigt wäre. Die Kommission wies die Beschwerde über staatliche Beihilfen daher als unzulässig zurück. Der Beschwerdeführer stimmte dem nicht zu und wandte sich an die Bürgerbeauftragte.

Die Bürgerbeauftragte untersuchte die Angelegenheit und kam zu dem Schluss, dass der Standpunkt der Kommission, wonach es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um einen „Beteiligten“ gemäß dem EU-Beihilfenrecht handele, angemessen war und somit auch die Zurückweisung der Beschwerde über staatliche Beihilfen durch die Kommission. Die Bürgerbeauftragte schloss den Fall daher mit der Feststellung ab, dass kein Verwaltungsmissstand vorlag.

Hintergrund der Beschwerde

1. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen deutschen eingetragenen Verein, dessen Mitglieder Unterkünfte in der Region Bodensee in Deutschland anbieten.

2. Im Januar 2017 reichte der Beschwerdeführer eine Beschwerde über staatliche Beihilfen bei der Europäischen Kommission ein. Die Beschwerde betraf die Gewährung eines Darlehens durch einen deutschen Landkreis in der Region Bodensee an eine deutsche GmbH zur Einführung einer Servicekarte für Touristen. Bei den Mitgliedern der GmbH handelt es sich um öffentliche Einrichtungen und Ziel der GmbH ist es, den Tourismus in der Region Bodensee zu fördern. Die GmbH hat eine Servicekarte für Touristen eingeführt, durch die die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie ermäßigter Eintritt für eine Reihe von Sehenswürdigkeiten in der Region gewährt wird. Außerdem wurde eine Online-Buchungsplattform für Unterkünfte in der Region eingerichtet.

3. Im Juli 2017 antwortete die Kommission dem Beschwerdeführer, dass er nicht als „Beteiligter“ einzustufen und daher nicht berechtigt sei, eine offizielle Beschwerde über die mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe einzureichen[1]. Die Kommission dankte dem Beschwerdeführer jedoch für die Informationen, die er übermittelt hatte und die sie als allgemeine Marktinformationen behandeln werde.

4. Der Beschwerdeführer wies den Standpunkt der Kommission zurück, wonach es sich bei ihm nicht um einen Beteiligten handele. Er forderte die Kommission auf, die genaue Rechtsgrundlage für ihren Standpunkt anzugeben und dem Beschwerdeführer Informationen über die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu übermitteln.

5. Im September und erneut im Dezember 2017 bestätigte die Kommission ihren Standpunkt, wonach der Beschwerdeführer nicht als Beteiligter einzustufen sei. Die Kommission gab an, dass sie die ihr vom Beschwerdeführer vorgetragene Angelegenheit nicht weiterverfolgen werde. Die Kommission beschloss ferner, dass sie auf Schreiben des Beschwerdeführers in derselben Angelegenheit nicht weiter antworten würde.

6. Da der Beschwerdeführer mit der Antwort der Kommission nicht zufrieden war, wandte er sich im Januar 2018 an die Bürgerbeauftragte.

Die Untersuchung

7. Die Bürgerbeauftragte leitete eine Untersuchung zum Standpunkt des Beschwerdeführers ein, wonach die Auffassung der Europäischen Kommission falsch sei, dass es sich bei dem Beschwerdeführer nicht um einen Beteiligten im Zusammenhang mit mutmaßlich rechtswidriger staatlicher Beihilfe handele, die Deutschland für Dienstleistungen in der Fremdenverkehrsbranche gewährt habe.

8. Zunächst bat die Bürgerbeauftragte die Kommission, dem Ersuchen des Beschwerdeführers nachzukommen, ihm die genaue Rechtsgrundlage für ihren Standpunkt sowie Informationen über die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe zu übermitteln. Die Bürgerbeauftragte erhielt im Laufe der Untersuchung die Antwort der Kommission auf das Informationsersuchen des Beschwerdeführers und anschließend die Anmerkungen des Beschwerdeführers zur Antwort der Kommission.

Der Bürgerbeauftragten vorgelegte Argumente

9. In seiner Beschwerde an die Kommission hatte der Beschwerdeführer vorgebracht, dass das von dem betreffenden deutschen Landkreis gewährte Darlehen eine rechtswidrige staatliche Beihilfe darstelle, da dieses zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zum Nachteil der Wettbewerber des Begünstigten, wie ihm selbst, führe. Der Beschwerdeführer bezeichnet sich als einen Verein, der die Interessen von Wettbewerbern vertrete. Nach Ansicht des Beschwerdeführers ist er als „Beteiligter“ nach EU-Recht einzustufen, da seine Mitglieder Ferienunterkünfte für Touristen anbieten und hierfür eine eigene Online-Buchungsplattform eingerichtet haben.

10. Die Kommission führte an, dass die Mitglieder des Beschwerdeführers nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit dem Empfänger des Darlehens (der mutmaßlich rechtswidrigen staatlichen Beihilfe) stünden. Nach Auffassung der Kommission sind die Mitglieder des Beschwerdeführers auf einem anderen Markt tätig. Der Darlehensempfänger ist auf dem Markt zur Förderung des Fremdenverkehrs in der Region Bodensee tätig, während die Mitglieder des Beschwerdeführers Unterkunftsleistungen anbieten. Nach Ansicht der Kommission erfüllt der Beschwerdeführer daher nicht die Anforderung, von der Gewährung der mutmaßlich rechtswidrigen staatlichen Beihilfe unmittelbar betroffen zu sein.

11. Bezüglich der Online-Buchung von Unterkünften vertrat die Kommission den Standpunkt, dass der Beschwerdeführer nicht dargelegt habe, dass er gewerblich auf dem Online-Buchungsmarkt aktiv sei, d. h. dass er mit dem Ziel tätig sei, durch den Online-Buchungsvorgang Gewinne zu erzielen, und dass daher Wettbewerb durch den Begünstigten der mutmaßlich rechtswidrigen staatlichen Beihilfe zu Gewinneinbußen führen könne. Die Kommission wies ferner darauf hin, dass der Beschwerdeführer sie informiert habe, dass der Darlehensempfänger selbst keine Online-Buchungsdienste anbiete (als gewerbliche Tätigkeit), sondern dass seine Plattform mit der Website eines Dritten verlinkt sei. Die Kommission vertrat ferner den Standpunkt, dass die Mitglieder des Beschwerdeführers durch die vom Begünstigten des Darlehens angebotenen Dienstleistungen Vorteile erzielen (könnten), wenn beispielsweise Unterkünfte über seine Online-Plattform gebucht würden.

12. Der Beschwerdeführer stimmte nicht mit dem Standpunkt der Kommission überein, wonach es sich bei ihm nicht um einen Beteiligten nach den EU-Beihilfevorschriften handele. Er stellte außerdem klar, dass seine Mitglieder sich nicht dagegen aussprechen könnten, dass ihre Unterkünfte auf der Buchungsplattform des Begünstigten des Darlehens angeboten würden (aufgrund einer vertraglichen Verknüpfung zwischen dem Landkreis/der Gemeinde und dem Darlehensempfänger).

Beurteilung der Bürgerbeauftragten

13. „Beteiligte“ sind gemäß den anwendbaren EU-Vorschriften „Mitgliedstaaten, Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen, deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, insbesondere der Beihilfeempfänger, Wettbewerber und Berufsverbände”[2]. In den Durchführungsbestimmungen wird ausgeführt, dass ein Rechtsträger nur dann als Beteiligter gilt, wenn seine Wettbewerbsposition (oder die seiner Mitglieder) durch die mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe beeinträchtigt wird.[3]

14. Durch die einschlägige Rechtsprechung der Europäischen Union wird bestätigt, dass „[n]ach Art. 1 Buchst. h [der Verordnung Nr. 2015/1589] „Beteiligte“ u. a. Personen, Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen [sind], deren Interessen aufgrund der Gewährung einer Beihilfe beeinträchtigt sein können, d. h. insbesondere konkurrierende Unternehmen des Empfängers dieser Beihilfe[4]. Nach der Rechtsprechung der Unionsgerichte gelten „[d]ie durch Beihilfen begünstigten Unternehmen und die die Beihilfen gewährenden, unterhalb der staatlichen Ebene angesiedelten Gebietskörperschaften, wie die Kläger, sowie die Wettbewerber der Beihilfeempfänger [...] in diesem Verfahren nur als „Beteiligte“.“[5] [Hervorhebung hinzugefügt] Es entspricht außerdem der gängigen Rechtsprechung, dass „der Wettbewerber des Beihilfeempfängers“ nachweisen muss, dass seine Wettbewerbsposition auf dem Markt durch die Gewährung der Beihilfe beeinträchtigt wird.[6] [Hervorhebung hinzugefügt]

15. Daraus ergibt sich, dass als „Beteiligte“ nach EU-Beihilferecht ausschließlich Personen betrachtet werden, deren Interessen (potenziell) durch die mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe berührt werden. Rechtsträger, bei denen es sich nicht um den Empfänger der Beihilfe und die Behörde handelt, die die Beihilfe gewährt hat, müssen nachweisen, dass die mutmaßlich rechtswidrige staatliche Beihilfe ihre Wettbewerbsposition (oder die der Personen oder Rechtsträger, die sie vertreten) beeinträchtigt oder beeinträchtigen könnte. Die Wettbewerbsposition kann nur dann beeinträchtigt werden, wenn der Beihilfeempfänger und der andere Rechtsträger auf demselben Markt tätig sind.

16. Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen, dass seine Mitglieder in unmittelbarem Wettbewerb mit dem Empfänger der mutmaßlich rechtswidrigen Beihilfe stehen. Der Darlehensempfänger ist auf dem Markt zur Förderung des Fremdenverkehrs in der Region Bodensee tätig, während die Mitglieder des Beschwerdeführers Unterkunftsleistungen anbieten. Der Darlehensempfänger und die Mitglieder des Beschwerdeführers sind somit auf unterschiedlichen Märkten aktiv und können daher nicht als Wettbewerber betrachtet werden. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer eine Online-Buchungsplattform für Unterkünfte betreibt, ändert an dieser Schlussfolgerung nichts. Wie die Kommission ausgeführt hat, ist das Betreiben der Plattform wohl nur eine Nebentätigkeit im Zusammenhang mit den Aktivitäten des Beschwerdeführers auf dem Markt für Unterkunftsleistungen. Der Beschwerdeführer hat nicht nachgewiesen, dass er die Online-Buchungsplattform mit dem Ziel betreibt, durch die Online-Buchungsvorgänge Gewinne zu erzielen (d. h. über die Gewinne hinaus, die durch die Vermietung der Unterkünfte erzielt werden). Der Beschwerdeführer kann daher nicht als auf dem Online-Buchungsmarkt aktiv gelten. Dasselbe gilt im Übrigen für den Darlehensempfänger, da auch er nicht selbst Online-Buchungsdienste anbietet (als kommerzielle Tätigkeit), sondern zum Zweck der Online-Buchung von Unterkünften auf die Website eines Dritten verlinkt.

17. Der Beschwerdeführer hat auch nicht nachgewiesen, wie die kommerziellen Interessen seiner Mitglieder durch die Gewährung der Beihilfe hätten beeinträchtigt werden können. Vielmehr scheint es, dass die Mitglieder des Beschwerdeführers durch die vom Darlehensempfänger angebotenen Dienstleistungen Vorteile erzielen (könnten).

18. Der Darlehensempfänger und die Mitglieder des Beschwerdeführers können daher nicht als Wettbewerber betrachtet werden, und aus demselben Grund ist der Beschwerdeführer daher auch nicht als „Beteiligter“ einzustufen.

19. Nach den geltenden Vorschriften sind an die Kommission gerichtete Beschwerden über staatliche Beihilfen nur zulässig, wenn sie von einem „Beteiligten“ eingereicht werden.[7] Die Entscheidung der Kommission, die vom Beschwerdeführer eingereichte Beschwerde über staatliche Beihilfen zurückzuweisen, weil es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen „Beteiligten“ handelt, ist somit angemessen.

20. Aus der an die Bürgerbeauftragte gerichteten Beschwerde geht hervor, dass die Mitglieder des Beschwerdeführers die Servicekarte für Touristen in ihrer derzeitigen Form aus einer Reihe von Gründen ablehnen. Die Entscheidung zur Einführung der Karte wurde von den örtlichen Behörden wohl getroffen, ohne dass die Mitglieder des Beschwerdeführers sich hierzu äußern konnten. Auch wenn der Beschwerdeführer den Nutzen der Servicekarte für Touristen in Frage zu stellen scheint, so ist die Einreichung einer Beschwerde über staatliche Beihilfen im vorliegenden Fall kein geeignetes Mittel, um seinem Standpunkt Ausdruck zu verleihen.

21. Im Lauf der Untersuchung der Bürgerbeauftragten übermittelte die Kommission dem Beschwerdeführer die geforderten Informationen betreffend die Rechtsgrundlage für den Standpunkt der Kommission sowie die zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe. Dieser Aspekt der Beschwerde an die Bürgerbeauftragte wurde somit beigelegt.

Schlussfolgerung

Auf der Grundlage der Untersuchung schließt die Bürgerbeauftragte diesen Fall mit der folgenden Schlussfolgerung ab:

Die Zurückweisung der vom Beschwerdeführer eingereichten Beschwerde über staatliche Beihilfen stellt keinen Missstand in der Verwaltungstätigkeit der Kommission dar.

Der Beschwerdeführer und die Kommission werden von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt.

 

Tina Nilsson

Leiterin des Referats Untersuchungen – Referat 4

Straßburg, den 24/09/2018

 

 

[1]Vgl. Artikel 24 Absatz 2 und Artikel 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2015 L 248, S. 9.

[2]Artikel 1 Buchstabe h der Verordnung (EU) 2015/1589.

[3]Artikel 11a Absatz 2 („Zulässigkeit von Beschwerden“), Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EU) 2015/1589 des Rates über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. 2016 L 327, S. 19.

[4]Vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 24. Mai 2011, Kommission gegen Kronoply GmbH & Co. KG und Kronotex GmbH & Co. KG, C-83/09, ECLI:EU:C:2011:341, Rn. 63, und Urteil des Gerichtshofs vom 14. November 1984, SA Intermills gegen Kommission, 323/82, ECLI:EU:C:1984:345, Rn. 16.

[5]Vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 6. März 2003, Westdeutsche Landesbank Girozentrale gegen Kommission, T-228/99 und T-233/99, ECLI:EU:T:2003:57, Rn. 122.

[6]Vgl. Urteil des Gerichts erster Instanz vom 21. März 2001, Hamburger Hafen- und Lagerhaus AG  gegen Kommission, T-69/96, ECLI:EU:T:2001:100, Rn. 41.

[7]Gemäß Artikel 24 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2015/1589 gilt: „Jeder Beteiligte kann eine Beschwerde einlegen, um die Kommission über mutmaßliche rechtswidrige Beihilfen oder über eine mutmaßliche missbräuchliche Anwendung von Beihilfen zu informieren.“