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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beschwerde 1180/97/VK gegen die Europäische Kommission


Straßburg, 15. Juni 1999

Sehr geehrte Frau S.,
am 10. Dezember 1997 übermittelte der österreichische Volksanwalt, Dr. Stefan Hornung, Ihre Beschwerde gegen die Europäische Kommission dem Europäischen Bürgerbeauftragten. Ihrer Darstellung zufolge wurde Ihnen bei Verhandlungen mit einer Beamtin der Kommission der Eindruck vermittelt, daß Ihr Angebot betreffend die Bereitstellung eines Dolmetscherteams für eine in Österreich stattfindende Tagung angenommen worden sei und daß der Abschluß eines schriftlichen Vertrags mit der Kommission eine reine Formsache darstelle. Als die Kommission schließlich keinen schriftlichen Vertrag anbot, verlangten Sie, daß Sie und Ihre Dolmetscherkollegen für die in das Projekt investierte Zeit und Vorbereitungsarbeit entschädigt werden sollten.
Am 27. Januar 1998 leitete ich die Beschwerde an den Präsidenten der Europäischen Kommission weiter. Die Kommission übermittelte ihre Bemerkungen am 20. April 1998, die ich mit der Aufforde-rung an Sie weiterleitete, gegebenenfalls Bemerkungen dazu vorzubringen, die am 15. Juli 1998 bei mir eingingen.
Nachstehend möchte ich Sie über das Ergebnis der von mir durchgeführten Untersuchungen unter-richten.

BESCHWERDE


Der dieser Beschwerde zugrunde liegende Sachverhalt läßt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Beschwerdeführerin ist eine Diplomdolmetscherin, die das Angebot gemacht hatte, für eine unter der Schirmherrschaft der Europäischen Kommission stattfindende Tagung in Österreich ein komplettes Dolmetscherteam bereitzustellen. Sie erörterte Einzelheiten betreffend die organisato-rischen, finanziellen und technischen Aspekte des Dolmetschereinsatzes sowohl mit den öster-reichischen Veranstaltern der Tagung als auch mit einer Vertreterin der Kommission. Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß ihr von der Beamtin der Kommission der Eindruck ver-mittelt worden sei, daß ihr Angebot angenommen sei und daß die Unterzeichnung der schriftlichen Verträge eine reine Formsache darstelle.
Die Beschwerdeführerin übermittelte ihr Angebot per Fax der Beamtin der Kommission, mit der sie die Einzelheiten erörtert hatte. Da sie in der Folge nichts von der Kommission hörte, nahm die Beschwerdeführerin telefonischen Kontakt mit der betreffenden Beamtin der Kommission auf. Diese ersuchte sie, die einzelnen Dolmetscherverträge vorzubereiten und dem Vorgesetzten der betreffenden Beamtin zu übermitteln.
Einen Monat später hatte die Beschwerdeführerin noch immer keine schriftliche Bestätigung von der Kommission erhalten. Kurz darauf wurde sie darüber informiert, daß die Kommission beschlossen habe, ihr Angebot nicht anzunehmen und andere Dolmetscher einzusetzen.
Vor diesem Hintergrund reichte die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein. Sie machte geltend, daß es sich aus folgenden Gründen um einen Verwaltungs-mißstand handele:
- aufgrund der Tatsache, daß der Beschwerdeführerin der Eindruck vermittelt wurde, ihr Angebot sei akzeptiert und der schriftliche Vertrag sei lediglich eine Formsache, und daß die Kommission ihr danach mitgeteilt habe, ihr Angebot sei nicht akzeptiert worden;
- aufgrund der Tatsache, daß nur der Beschwerdeführerin ihre Auslagen ersetzt wurden, jedoch nicht den anderen Dolmetschern, die in ihrem Team arbeiten sollten.

UNTERSUCHUNG


Stellungnahme der Kommission
In ihren Bemerkungen erklärte die Kommission im wesentlichen folgendes:
Bezüglich der Behauptung, der Beschwerdeführerin sei der Eindruck vermittelt worden, daß ihr Angebot angenommen sei, bestreitet die Kommission, daß die Beschwerdeführerin jemals eine derartige Zusage erhalten habe. Die Kommission erklärt, daß eine Beamtin, die nach Wien gereist sei und mit der die Beschwerdeführerin Einzelheiten der Tagung erörtert habe, in keiner Weise befugt gewesen sei, ein Angebot zu akzeptieren. Außerdem macht sie geltend, daß die Vertreterin der Kommission gegenüber der Beschwerdeführerin erklärt habe, daß sie nur eine erste Beurteilung des Angebots vornehmen könne, da die endgültige Entscheidung vom Direktor getroffen werden müsse.
Die Kommission erklärt ferner, daß eine verbindliche Zusage nur von einer dazu befugten Person gegeben werden könne, was bei der betreffenden Vertreterin der Kommission nicht der Fall gewesen sei. Darauf lasse auch die Tatsache schließen, daß die Beamtin der Kommission die Beschwerdeführerin aufgefordert habe, ein schriftliches Angebot auszuarbeiten und ihrem Vorgesetzten zu übermitteln. Die Beschwerdeführerin habe dem vorgesetzten Beamten in der Tat Vertragsentwürfe zugeschickt, weswegen ihr bewußt gewesen sein müsse, daß nur der Vorgesetzte in dieser Sache entscheiden könne und daß nur die schriftliche Form verbindlich sei.
Die Vertragsentwürfe der Beschwerdeführerin seien vom Dolmetscherdienst der Kommission geprüft worden. Dabei sei festgestellt worden, daß sie dem Übereinkommen für Verträge zwischen den Gemeinschaftsinstitutionen und dem Internationalen Verband der Konferenzdolmetscher (AIIC) nicht entsprechen. Die Beschwerdeführerin sei sodann von der Kommission über dieses Ergebnis informiert worden.
Der Kommission zufolge sei es international tätigen Dolmetschern in der Regel bekannt, daß öffent-liche Verwaltungen förmliche Verfahren einhalten müssen, bevor sie Verpflichtungen eingehen können.
Bezüglich der zweiten Behauptung erklärt die Kommission, sie habe der Beschwerdeführerin Auslagen erstattet, da diese Unkosten gehabt und Leistungen für die Kommission erbracht habe.
Bemerkungen der Beschwerdeführerin
Zu den wesentlichen Punkten bemerkt die Beschwerdeführerin folgendes:
Bezüglich der ersten Behauptung bleibt die Beschwerdeführerin dabei, daß ihr der Eindruck vermittelt worden sei, daß ihr Angebot angenommen sei. Sie erklärt, die betreffende Beamtin der Kommission habe keineswegs darauf hingewiesen, daß sie nicht befugt sei, für die Kommission zu handeln, und daß die Verträge vom Direktor genehmigt werden müßten.
Bezüglich der zweiten Behauptung erklärt die Beschwerdeführerin erneut, daß sie Schadensersatz für 6 ihrer Dolmetscherkollegen verlange, die sich auf die Absprachen verlassen hätten.

ENTSCHEIDUNG


1 Angebliche Annahme des Angebots der Beschwerdeführerin und Formalität eines schrift-lichen Vertrags
1.1 Die Beschwerdeführerin erklärt, man habe ihr den Eindruck vermittelt, daß ihr Angebot von der Kommission angenommen sei und daß der schriftliche Vertrag eine reine Formsache darstelle. Sie erklärt, es sei nicht deutlich gemacht worden, daß die betreffende Beamtin nicht befugt sei, für die Kommission zu handeln.
1.2 Die Kommission bestreitet, daß die betreffende Beamtin eine derartige Zusage gegeben habe. Sie erklärt, daß die Beamtin, die nach Wien gereist sei und mit der die Beschwerdeführerin Einzelheiten der Tagung erörtert habe, keineswegs befugt gewesen sei, ein Angebot zu akzeptieren. Außerdem erklärt sie, daß die betreffende Beamtin der Kommission der Beschwerdeführerin gegenüber darauf hingewiesen habe, daß sie nur eine erste Beurteilung des Angebots vornehmen könne und daß die endgültige Entscheidung beim Direktor liege. Dies lasse sich auch daraus schließen, daß die betreffende Beamtin die Beschwerdeführerin ersucht habe, ein schriftliches Angebot auszuarbeiten und es ihrem Vorgesetzten zu über-mitteln. Die Kommission macht geltend, daß der Beschwerdeführerin aufgrund der Übermitt-lung der Vertragsentwürfe an den Vorgesetzten klar gewesen sein müsse, daß die Entscheidung noch nicht gefallen sei und daß nur die schriftliche Form verbindlich sei.
1.3 Die Beschwerdeführerin hat eine Abschrift eines Schreibens eingereicht, das sie am 5. Juli 1997 der Kommission übermittelt hatte. Dieses Schreiben ist an den Vorgesetzten der Kommissionsbeamtin gerichtet, die nach Wien gereist war. Vertragsentwürfe sind diesem Schreiben beigefügt. In dem Schreiben wird der Vorgesetzte gebeten, die Verträge zu unter-zeichnen und sie an die Beschwerdeführerin zurückzusenden, die sie sodann von den einzelnen Dolmetschern unterzeichnen lassen würde. Daraus läßt sich ersehen, daß der Beschwerdeführerin bewußt gewesen sein muß, daß der Vertrag nicht genehmigt war, bevor der zuständige Beamte ihn unterzeichnet hatte.
Was das Verhalten der Kommissionsbeamtin angeht, die mit der Beschwerdeführerin im Frühjahr und im Sommer 1997 Gespräche führte, so ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, daß es keinen ausreichenden Beweis dafür gibt, daß die Kommission das Angebot ordnungsgemäß angenommen hat. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß es dem zuständigen Gericht obliegt, durch die Anhörung von Zeugen und die Bewertung kontradiktorischer Beweise diesen Streitfall verbindlich zu entscheiden.
2 Bezahlung der sechs anderen Dolmetscher
2.1 Die Beschwerdeführerin fordert eine finanzielle Entschädigung für sechs ihrer Kollegen, die sich ebenfalls auf die Absprache verlassen hätten. Die Kommission lehnt jede Verantwortung für die Kollegen der Beschwerdeführerin ab.
2.2 Diese Forderung beruht auf der Voraussetzung, daß die Beschwerdeführerin angemessene Gründe für die Annahme hatte, daß ihr Angebot akzeptiert sei. Wie bereits vorher festge-stellt, gibt es keine ausreichenden Beweise für die Annahme, daß der zuständige Beamte das Angebot durch die Unterzeichnung eines schriftlichen Vertrags angenommen hat.
3 Schlußfolgerung
Auf der Grundlage der zu dieser Beschwerde vom Europäischen Bürgerbeauftragten durchgeführten Untersuchungen läßt sich offensichtlich kein Mißstand in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Kommission feststellen. Der Bürgerbeauftragte hat daher beschlossen, den Fall abzuschließen.
Der Präsident der Europäischen Kommission wird ebenfalls über diese Entscheidung unterrichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob SÖDERMAN