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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beschwerde 1051/25.11.96/AF/B/VK gegen das Europäische Parlament
Decision
Case 1051/96/VK - Opened on Thursday | 23 January 1997 - Decision on Thursday | 17 September 1998
Straßburg, 17. September 1998
Sehr geehrte Frau F.,
am 15. November 1996 und am 14. Januar 1997 reichten Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde gegen das Europäische Parlament ein. Sie vertraten die Auffassung, daß das Parlament Ihnen zu Unrecht die Zulassung zu den schriftlichen Prüfungen im Rahmen des vom Parlament veranstalteten Auswahlverfahrens PE/80/A verweigert hatte. Die Ablehnung erfolgte mit der Begründung, daß Sie keine Belege für sehr gute Kenntnisse einer zweiten Gemeinschaftssprache, die in der Ausschreibung des Auswahlverfahrens verlangt wurden, eingereicht hatten.
Am 23. Januar 1997 leitete ich die Beschwerde an den Präsidenten des Europäischen Parlaments weiter. Das Parlament übermittelte seine Stellungnahme am 2. Juli 1997. Ich habe diese Stellungnahme mit dem Ersuchen um Ihre Anmerkungen an Sie weitergeleitet; diese Anmerkungen haben Sie am 26. August 1997 übermittelt.
Ich möchte Ihnen heute die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen mitteilen.
Ich bitte Sie zu entschuldigen, daß die Bearbeitung Ihrer Beschwerde so lange Zeit in Anspruch genommen hat.
BESCHWERDE
Ihrer Beschwerde zufolge stellte sich der Sachverhalt folgendermaßen dar:
Am 3. Januar 1996 bewarben Sie sich im Rahmen des im Amtsblatt C 292 A vom 7. November 1995 veröffentlichten Auswahlverfahrens PE/80/A.
Die Veröffentlichung im Amtsblatt besteht aus drei Teilen; der erste Teil enthält Bestimmungen für allgemeine Auswahlverfahren, der zweite Teil einen Leitfaden für die Teilnehmer an den vom Parlament veranstalteten allgemeinen Auswahlverfahren, während der dritte Teil schließlich die Bekanntmachung des betreffenden Auswahlverfahrens mit dem entsprechenden Bewerbungsfragebogen enthält.
Im Leitfaden heißt es unter der Überschrift "Die Belege": "Die Bewerber müssen die Anträge auf Ausnahmebestimmungen hinsichtlich des Höchstalters und die Angaben unter Punkt "9: Ausbildung" und "12: Berufserfahrung" im Bewerbungsfragebogen belegen." Im Leitfaden wird nicht verlangt, daß ein Beleg für die Kenntnis einer zweiten Gemeinschaftssprache eingereicht werden muß.
In der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens heißt es unter Titel III. A. 2.: "Der Prüfungsausschuß prüft die Unterlagen und stellt die Liste der Bewerber auf, die den besonderen Bedingungen unter II-B entsprechen. Er stützt sich dabei ausschließlich auf die Angaben im Bewerbungsfragebogen, die durch die Begleitdokumente belegt werden." Punkt II-B der Bekanntmachung besteht aus zwei Teilen; der erste Teil verlangt von den Bewerbern ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder gleichwertige Berufserfahrung, der zweite sehr gute Kenntnisse einer weiteren derzeitigen Amtssprache der Gemeinschaft außer der Muttersprache.
Schließlich sei darauf hingewiesen, daß der vom Bewerber auszufüllende Bewerbungsfragebogen mehrere Rubriken enthält. Rubrik 7 trägt den Titel "Sprachkenntnisse" und ist unterteilt in "a) Hauptsprache" und "b) weitere Sprachen". Es gibt keinen Hinweis darauf, daß der Bewerber Belege für die unter der Rubrik 7 gemachten Angaben vorlegen muß. Im Bewerbungsfragebogen werden Belege nur für die Rubriken 9 "Ausbildungsgang" und 12 "Berufserfahrung" verlangt.
Am 29. August 1996 wurden Sie darüber unterrichtet, daß Sie nicht zugelassen werden konnten, da aus den von Ihnen eingereichten Dokumenten nicht hervorging, daß Sie sehr gute Kenntnisse einer weiteren Gemeinschaftssprache gemäß Titel II Punkt B.2 der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens PE/80/A erworben hatten.
In dem von Ihnen am 4. September 1996 eingelegten Einspruch gegen diese Entscheidung vertraten Sie die Auffassung, daß der Text des Amtsblattes nicht ausdrücklich die Einreichung von Belegen als Nachweis für die Kenntnis einer zweiten Gemeinschaftssprache verlangte. Am 3. Oktober 1996 wurde Ihr Einspruch mit der Begründung abgewiesen, daß der Prüfungsausschuß seine Erkenntnisse nur auf die Bewerbung und die ihr beigefügten Dokumente stützen kann und die von Ihnen eingereichten Dokumente die verlangte sehr gute Kenntnis einer zweiten Gemeinschaftssprache nicht belegten.
Vor diesem Hintergrund reichten Sie die Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein.
Um Ihre Auffassung, daß die Entscheidung des Prüfungsausschusses falsch war, zu untermauern, haben Sie im wesentlichen drei Argumente vorgebracht:
- Die den Bewerbern gegebenen Informationen über die Belege
waren verwirrend und mißverständlich. Der Leitfaden, der
keine Belege als Nachweis für die Kenntnis von Sprachen
verlangte, sollte Vorrang vor der Bekanntmachung des
Auswahlverfahrens haben.
- Der Prüfungsausschuß hätte zu der Schlußfolgerung
gelangen müssen, daß Sie über die verlangten
Sprachkenntnisse verfügten, da aus Ihrem Bewerbungsfragebogen
hervorging, daß Sie als Assistentin eines Mitglieds des Europäischen
Parlaments tätig waren; es sollte daher selbstverständlich
sein, daß Sie die Sprachenanforderung erfüllten.
- Der Prüfungsausschuß hat gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung der Bewerber verstoßen, da ein anderer Bewerber in einer ähnlichen Situation nach einem Einspruch zum Auswahlverfahren zugelassen wurde.
UNTERSUCHUNG
Die Stellungnahme des Parlaments
In seiner Stellungnahme bestätigte das Parlament seine frühere Entscheidung, Sie nicht zu den schriftlichen Prüfungen zuzulassen, da Sie keine Belege für die Sprachkenntnisse eingereicht hatten.
Das Parlament wies darauf hin, daß seine Entscheidung auf dem Wortlaut der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens beruhte, der seiner Ansicht nach Vorrang vor dem Leitfaden hatte.
Ihre Bemerkungen
In Ihren Bemerkungen hielten Sie ihren Einspruch aufrecht.
ENTSCHEIDUNG
1. Versäumnis bei der Vorlage genauer Informationen anläßlich der Bewerbung
1.1. Gutes Verwaltungshandeln beinhaltet, möglichst genaue Informationen über die Zulassungsvoraussetzungen vorzulegen, damit der Bewerber beurteilen kann, ob er sich um die Stelle bewerben sollte und welche Begleitdokumente für das Verfahren wichtig sind und daher dem Bewerbungsfragebogen beizufügen sind(1). Gemäß dem Leitfaden für die Teilnehmer waren Belege nur als Nachweise für die Punkte 9 "Ausbildungsgang" und 12 "Berufserfahrung" des Bewerbungsfragebogens erforderlich; in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hieß es jedoch, daß die Bewerber die Fotokopien der Beweisunterlagen (Diplome, Arbeitsbescheinigungen oder "alle sonstigen Dokumente" zum Beweis der in der Bewerbung gemachten Angaben) einzusenden haben. Die in dem Leitfaden und in der Bekanntmachung gegebenen Informationen erscheinen bezüglich der einzureichenden Dokumente widersprüchlich. Unbeschadet der Rechtsverbindlichkeit der Texte dürfte jedoch klar sein, daß beide Texte dazu dienen, den Bewerber in einem speziellen Auswahlverfahren angemessen zu informieren und daher nicht voneinander abweichen sollten. Das Parlament hat es also versäumt, der Beschwerdeführerin klare und genaue Informationen darüber, daß Belege als Nachweis für Sprachkenntnisse beigefügt werden sollten, zukommen zu lassen. Es hätte sichergestellt werden müssen, daß den Bewerbern Hinweise bezüglich der für das Auswahlverfahren bestehenden Anforderungen gegeben werden.
2. Berufserfahrung als Nachweis für Sprachkenntnisse
Auch wenn man das mehrsprachige Umfeld des Arbeitsplatzes und die Stelle eines Assistenten im Europäischen Parlament berücksichtigt, so ist die Tatsache, daß man dort beschäftigt ist, allein noch kein Beweis für die ausreichende Kenntnis einer weiteren Gemeinschaftssprache.
3. Gleichbehandlung der Bewerber durch den Prüfungsausschuß
Sie haben Ihre Beschwerde auch damit begründet, daß ein anderer Bewerber, der aus denselben Gründen abgelehnt worden war, zum Auswahlverfahren zugelassen wurde, nachdem er in seiner Beschwerde argumentiert hatte, daß die strikte Auslegung des Wortlauts der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens nicht automatisch zu der Annahme führt, daß Dokumente, die die Kenntnis einer zweiten Gemeinschaftssprache belegen, erforderlich sind. Da jedoch keinerlei Angaben über die Identität dieser Person vorliegen, kann der Bürgerbeauftragte diesen Punkt nicht näher überprüfen.
4. Schlußfolgerung
Auf der Grundlage der Untersuchung dieser Beschwerde durch den Europäischen Bürgerbeauftragten erscheint es notwendig, folgende kritische Anmerkung zu machen:
- Gutes Verwaltungshandeln beinhaltet, möglichst genaue Informationen über Zulassungsvoraussetzungen vorzulegen, damit der Bewerber beurteilen kann, ob er sich um die Stelle bewerben sollte und welche Begleitdokumente für das Verfahren wichtig sind und daher dem Bewerbungsfragebogen beizufügen sind. Gemäß dem Leitfaden für die Teilnehmer waren Belege nur als Nachweise für die Punkte 9 "Ausbildungsgang" und 12 "Berufserfahrung" des Bewerbungsfragebogens erforderlich; in der Bekanntmachung des Auswahlverfahrens hieß es jedoch, daß die Bewerber die Fotokopien der Beweisunterlagen (Diplome, Arbeitsbescheinigungen oder "alle sonstigen Dokumente" zum Beweis der in der Bewerbung gemachten Angaben) einzusenden haben. Die in dem Leitfaden und in der Bekanntmachung gegebenen Informationen erscheinen bezüglich der einzureichenden Dokumente widersprüchlich. Unbeschadet der Rechtsverbindlichkeit der Texte dürfte jedoch klar sein, daß beide Texte dazu dienen, den Bewerber in einem speziellen Auswahlverfahren angemessen zu informieren und daher nicht voneinander abweichen sollten. Das Parlament hat es also versäumt, der Beschwerdeführerin klare und genaue Informationen darüber, daß Belege als Nachweis für Sprachkenntnisse beigefügt werden sollten, zukommen zu lassen. Es hätte sichergestellt werden müssen, daß den Bewerbern Hinweise bezüglich der für das Auswahlverfahren bestehenden Anforderungen gegeben werden.
Da dieser Aspekt des Falles Verfahren betrifft, die mit speziellen Vorkommnissen in der Vergangenheit zusammenhängen, ist es nicht zweckmäßig, eine gütliche Beilegung der Angelegenheit anzustreben. Der Bürgerbeauftragte hat daher beschlossen, die Angelegenheit abzuschließen.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob Söderman
Kopien an:
Herrn José-María Gil-Robles Gil-Delgado, Präsident des Europäischen Parlaments
Herrn Julian Priestley, Generalsekretär des Europäischen Parlaments
(1) Rechtssache T-158/89, Urteil vom 28. November 1991, van Hecken gegen Wirtschafts- und Sozialausschuß, [1991] EuGH II-1341.
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