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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 829/22.8.96/FDR/D/PD gegen die Europäische Kommission


Straßburg, 29. Juli 1998

Sehr geehrter Herr R.,
am 12. Juli 1996 haben Sie beim Europäischen Parlament eine Petition eingereicht. Der Gegenstand war der Umgang der Europäischen Kommission mit Beschwerden, die Sie in bezug auf angebliche Verstöße bestimmter Kraftfahrzeughersteller und Kraftfahrzeugimporteure gegen das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft bei der Kommission erhoben hatten.
Am 7. August 1996 haben Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde eingereicht, die weitgehend die gleiche Angelegenheit betrifft. Am 25. August 1996 haben Sie ein weiteres Schreiben übermittelt.
Am 6. September 1996 habe ich den Eingang Ihrer Beschwerde vom 7. August 1996 bestätigt.
Am 9. September 1996 haben Sie mir ein Schreiben übermittelt, das weitgehend die gleiche Angelegenheit wie in Ihrer Petition an das Europäische Parlament vom 12. Juli 1996 betrifft.
Da Ihre Petition an das Europäische Parlament einen angeblichen Mißstand bei den Tätigkeiten der Kommission betrifft, leitete das Europäische Parlament am 10. September 1996 Ihre Eingabe an mich weiter, damit sie als Beschwerde behandelt würde.
Am 17. Dezember 1996 teilte ich Ihnen mit, daß Ihre Beschwerde zulässig ist, wobei ich gleichzeitig bedauerte, daß diese Mitteilung so spät erfolgte. Am selben Tag übermittelte ich der Kommission Ihre Beschwerde zur Stellungnahme.
Am 2. Februar 1997 erhielt ich von Ihnen ein Schreiben, das weitgehend die gleichen Behauptungen enthielt wie Ihre vorangegangenen Eingaben.
Am 17. Februar 1997 teilten Sie mir in einem Schreiben mit, daß Sie nach der vorgenannten Eingangsbestätigung kein weiteres Schreiben von mir erhalten hatten. Eine meiner Mitarbeiterinnen antwortete darauf mit Schreiben vom 24. Februar 1997, dem sie eine Kopie des vorgenannten Schreibens vom 17. Dezember 1996 beilegte, wonach Ihre Eingabe bearbeitet wurde.
Am 24. April 1997 übersandte ich Ihnen die Stellungnahme der Kommission zu Ihrer Beschwerde mit der Bitte um Ihre Bemerkungen dazu. Im Anschluß an die Stellungnahme der Kommission haben Sie ausführliche Bemerkungen dazu übermittelt; im Jahre 1997 mit Schreiben vom 6. Mai, 21. Mai, 22. Mai, 31. Mai, 23. Juli, 4. September, 5. September, 18. September (zwei Schreiben), 19. September, 24. September (drei Schreiben), 25. September (zwei Schreiben), 27. September (drei Schreiben), 12. Oktober, 14. Oktober, 15. Oktober, 16. Oktober, 1. November, 5. November, 7. November, 17. November, 21. November, 25. November, 28. November, 2. Dezember, 3. Dezember, 17. Dezember, 20. Dezember, 22. Dezember und 28. Dezember.
Im Jahre 1998 haben Sie mit Schreiben vom 1. Januar, 7. Januar, 9. Januar, 13. Januar (zwei Schreiben), 16. Januar, 20. Januar, 21. Januar, 31. Januar, 2. Februar, 3. Februar, 8. Februar, 11. Februar, 18. Februar, 3. März, 4. März, 5. März, 9. März und 10. März weitere Bemerkungen vorgebracht.
Außerdem sei bemerkt, daß ich neben Ihrer Beschwerde weitere Schreiben vom 19. und 29. Oktober 1997, 10. November 1997 und 13. Februar 1998 erhalten habe, die weitgehend die gleiche Angelegenheit betreffen; Absender dieser Schreiben war Herr R., der den gleichen Wohnsitz hat wie Sie und den Sie in einem Telefongespräch mit einer meiner Mitarbeiterinnen als Ihren Sohn bezeichneten. In diesem Telefongespräch erklärten Sie auch, daß sie nichts dagegen hätten, wenn die Eingaben Ihres Sohnes im Rahmen Ihrer eigenen Beschwerde behandelt würden. Daher erhält auch Ihr Sohn eine Kopie dieser Entscheidung.
Mit dem vorliegenden Schreiben möchte ich Ihnen die Ergebnisse der von mir angestellten Untersuchungen mitteilen. Dabei möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, daß die Behandlung Ihrer Beschwerde wesentlich mehr Zeit erforderte als erwartet.

DIE BESCHWERDE


Der Ihrer Beschwerde zugrundeliegende Sachverhalt läßt sich wie folgt zusammenfassen: Es hat sich herausgestellt, daß die von deutschen Autoherstellern produzierten Autos in Deutschland häufig teurer sind als in bestimmten anderen Mitgliedstaaten, beispielsweise in Dänemark, in den Niederlanden und in Finnland. Aufgrund dieser Tatsache kommt es vor, daß in Deutschland wohnhafte Verbraucher sich an Autohändler in anderen Mitgliedstaaten wenden, um dort ihren Wagen zu kaufen. Dabei treffen sie anscheinend bisweilen auf Hindernisse, wie beispielsweise eine glatte Weigerung, Autos an in Deutschland wohnhafte Verbraucher zu verkaufen, übermäßig lange Lieferzeiten oder künstlich überhöhte Preise.
Sie haben sich als in Deutschland wohnhafter Bürger mehrmals an Autohändler in anderen Mitgliedstaaten gewandt, um ein Auto zu kaufen. Dabei wurden Sie anscheinend mit den genannten Hindernissen konfrontiert. In der Auffassung, daß die Weigerung oder die Abneigung, Autos an Verbraucher zu verkaufen, weil sie in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft sind, den Wettbewerbsregeln der Europäischen Gemeinschaft zuwiderlaufen, haben Sie sich an die Kommission gewandt. Anschließend ergab sich ein umfangreicher Schriftwechsel zwischen Ihnen und der Kommission; daraus geht hervor, daß die Kommission Ihrer Rechtsauffassung im Prinzip nicht widersprach, wonach die besagten Vorfälle gegen die Wettbewerbsregeln verstoßen, wie Sie unter anderem in der Verordnung Nr. 1475/95 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge festgelegt sind, die im Amtsblatt der Gemeinschaften, ABl 1995 L 145, S. 25, veröffentlicht wurde und eine frühere diesbezügliche Verordnung Nr. 123/85, ABl 1985 L 15, S. 16, ersetzt. Jedoch gelangten Sie zu der Auffassung, daß die Kommission nichts getan hat, um die Wettbewerbsregeln durchzusetzen. Daher haben Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde eingereicht, in der Sie insbesondere Ihre Unzufriedenheit mit einem Schreiben ausdrückten, das die Kommission Ihnen am 28. Juni 1996 übermittelt hatte. In diesem Schreiben, in dem sich die Kommission auf den Schriftwechsel zwischen Ihnen und ihr bezieht, versucht die Kommission, ihre Politik in diesem Bereich zu erläutern. Die einschlägigen Passagen lauten wie folgt:
"... Die Kommission als die zuständige, im öffentlichen Interesse handelnde Verwaltungsbehörde ist verpflichtet, über die Einhaltung der EG-Wettbewerbspolitik zu wachen und bei Verstößen die entsprechenden organisatorischen Maßnahmen zu treffen und insbesondere Prioritäten festzulegen. Bei der Auswahl räumt die Kommission jenen Fällen Vorrang ein, die von besonderer politischer, wirtschaftlicher oder rechtlicher Bedeutung sind. Dieses Prinzip gilt selbstverständlich auch für die Entgegennahme und die Behandlung von Beschwerden. In diesem Zusammenhang muß ich allerdings darauf verweisen, daß die europäischen Wettbewerbsregeln es der Kommission nicht ermöglichen, Privatpersonen zur Durchsetzung ihrer subjektiven Rechte zu verhelfen. Grundsätzlich sind hierzu die Gerichte der Mitgliedstaaten berufen, die - im Gegensatz zur Kommission - zusätzlich die Möglichkeit besitzen, Ansprüche auf Schadenersatz festzulegen...
... Der Kommission ist bekannt, daß es in einzelnen Fällen beim Erwerb eines Kraftfahrzeuges in Finnland oder Dänemark zu Schwierigkeiten kommen kann, deren mögliche Ursachen Ihnen meine verantwortliche Dienststelle bereits schriftlich erläutert hat. Aus dem in Ihrer Angelegenheit bisher geführten, relativ umfangreichen Schriftwechsel ersehe ich, daß die Kommission im Rahmen Ihres Verantwortungsbereichs tätig geworden ist. Angesichts des verständlichen Wunsches von Millionen Autofahrern in der EU, ihr Auto möglichst billig zu erwerben, und der dabei zuweilen auftretenden Schwierigkeiten kann die Kommission nicht in jedem einzelnen Fall, in dem ein Partikularinteresse vorliegt, tätig werden..." (Unterstreichung durch den Bürgerbeauftragten).

Sie betrachteten den Hinweis der Kommission auf Fälle von Partikularinteresse als unangebracht, da Sie diese Angelegenheit im Interesse der Allgemeinheit verfolgen.
Aufgrund dieser Umstände haben Sie in Ihrer Beschwerde folgende 6 Beschwerdepunkte geltend gemacht:
a) die Kommission ist in schwebenden Verfahren untätig;
b) die Kommission duldet rechtswidrige Praktiken und fortgesetzte und systematische Verstöße gegen die Verordnung Nr. 1475/95;
c) die Kommission vernachlässigt die Überwachung der geltenden Bestimmungen;
d) die Kommission verharmlost bzw. bagatellisiert erwiesene Rechtsbrüche;
e) die Kommission verwendet fehlerhafte Kriterien bei der Entscheidung, ob gegen Kraftfahrzeughersteller, die angeblich gegen die einschlägigen Wettbewerbsbestimmungen verstoßen, Verfahren einzuleiten sind oder nicht, und
f) die Kommission ignoriert das Beschwerderecht des Bürgers.
Zusammenfassend bemängeln Sie in Ihrer Beschwerde, daß die Kommission in der betreffenden Angelegenheit untätig bzw. daß das von der Kommission eingeschlagene Vorgehen unangemessen gewesen sei.

DIE UNTERSUCHUNG


Die Stellungnahme der Kommission
In ihrer Stellungnahme erklärte die Kommission folgendes:
"1. Vorgeschichte
Die Angelegenheit betrifft angebliche Behinderungen von Parallelausfuhren neuer Kraftfahrzeuge aus bestimmten Mitgliedstaaten. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1475/95(1) der Kommission darf ein Hersteller und/oder sein Importeur nicht die Freiheit eines Endverbrauchers (und/oder eines zuvor von diesem Verbraucher schriftlich bevollmächtigten Vermittlers) beschränken, ein neues Kraftfahrzeug von einem beliebigen Vertragshändler auf dem Binnenmarkt zu erwerben. Das Recht des Verbrauchers beinhaltet zwar keine Verpflichtung des Verkäufers zum Verkauf, jedoch kann ein Verkäufer den Kaufantrag eines Verbrauchers nicht unter Hinweis auf dessen in einem anderen Mitgliedstaat befindlichen Wohnsitz ablehnen oder einen höheren Preis fordern. Andererseits kann ein Hersteller Maßnahmen dagegen unternehmen, daß seine Händler an Nichtvertragshändler oder an sogenannte "Graumarkt-Verkäufer" verkaufen, die die Fahrzeuge anschließend weiterveräußern.
2. Sachverhalt
Der Schriftverkehr zwischen Herrn R. und der für Wettbewerbsfragen zuständigen Generaldirektion der Kommission begann im August 1994, als sich Herr R. über angebliche Behinderungen beim Kauf eines Kraftfahrzeugs der Marke BMW in Dänemark beschwerte.
Die Kommission erhielt in der Folgezeit weitere Schreiben über andere Hersteller, wie Audi, Volkswagen/Audi (VAG), Mercedes-Benz, General Motors/Opel und Ford, mithin über alle großen deutschen Kraftfahrzeughersteller. Herr R. behauptete, Parallelausfuhren aus Dänemark und vor allem aus Finnland würden von ihnen behindert. Ferner verwies er auf bestimmte Fälle in Spanien, den Niederlanden und Italien.
3. Von der Kommission ergriffene Maßnahmen
In dem erstgenannten, das Verhalten von BMW in Dänemark betreffenden Fall reagierte die Kommission noch im selben Monat, d.h. im August 1994. Im Oktober 1994 teilte Herr R. der Kommission mit, das Problem sei dank ihrer Intervention gelöst.
Der nächste Fall betraf Audi in Dänemark. Der diesbezügliche Schriftwechsel zwischen Herrn R. und der Kommission begann im September 1995. Im Oktober sandte die Kommission ein Auskunftsersuchen an Audi und erklärte Herrn R. in Schreiben vom Oktober und November 1995, sie könne nicht als Vermittler für Endverbraucher auftreten. Zugleich wies sie auf die besondere Situation in Dänemark hin. Es könne sein, daß die dortigen Händler aufgrund der Steuerpolitik in bestimmten Fällen nicht an Gebietsfremde verkaufen.
Im April 1996 beschwerte sich Herr R., VAG (Volkswagen und Audi) behindere den Kauf von Kraftfahrzeugen in Dänemark und Finnland. Die Kommission antwortete Herrn R. im selben Monat und erklärte, sie werde im Falle eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, verwies dabei jedoch erneut auf die besondere Steuerlage in den beiden Mitgliedstaaten. Außerdem erhielt die Kommission Kopien des im Mai 1995 zwischen Volkswagen und Herrn R. in derselben Angelegenheit geführten Schriftwechsels.
Im Mai 1996 erhob Herr R. Beschuldigungen gegen Ford in Finnland. Die Kommission leitete im Juni 1996 ein förmliches Beschwerdeverfahren ein und sandte Ford ein Auskunftsverlangen. Im selben Monat und nach einem Schreiben von Herrn R. an Kommissionsmitglied Van Miert erklärte die Kommission dem Beschwerdeführer eingehend ihre allgemeine Auffassung zu den verschiedenen von ihm aufgeworfenen Fragen(2).
Ab Mai 1996 erhielt die Kommission von Herrn R. weitere Schreiben, diesmal mit Beschwerden über Mercedes-Benz, und zwar in Finnland und Spanien. Die Schreiben in bezug auf Finnland beantwortete die Kommission im Oktober und November 1996 und diejenigen zum spanischen Markt, die sie im September und Oktober 1996 erhalten hatte, im November 1996.
Im Juni 1996 erhob Herr R. weitere Beschuldigungen, diesmal in bezug auf das Verhalten von General Motors /Opel auf dem dänischen und finnischen sowie - einem späteren Schreiben zufolge - dem niederländischen Markt. Die Kommission antwortete im Juli 1996 unter Bezugnahme auf das förmliche Beschwerdeverfahren gegen Ford in Finnland, und versicherte Herrn R., daß die notwendigen verfahrensrechtlichen Schritte unternommen würden.
Die Kommission schrieb Herrn R. im Juli und August 1996 und teilte ihm mit, alle den finnischen Markt betreffenden Fälle (d.h. in bezug auf Mercedes-Benz, Ford, General Motors/Opel und VAG) seien zu einem einzigen förmlichen Beschwerdeverfahren zusammengefaßt worden, weil das Problem offenbar mit dem finnischen Kfz-Besteuerungswesen zusammenhänge. Die Kommission teilte Herrn R. ferner mit, bezüglich der von Ford in Finnland betriebenen Preispolitik würden die erforderlichen Nachprüfungen vorgenommen.
Die Kommission hat Herrn R. ihre diesbezügliche Auffassung in ihren verschiedenen Antworten wiederholt ausführlich dargelegt. In seinem vorgenannten Schreiben vom 28. Juni 1996 betonte Kommissionsmitglied Karel Van Miert insbesondere, daß die Kommission verpflichtet ist, auf die Einhaltung der Verordnung Nr. 1475/95 und der Wettbewerbsregeln zu achten. Er erklärte, die Kommission werde im Falle eines Verstoßes nicht zögern, unter Berücksichtigung ihrer Prioritäten die gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Andererseits könne es nicht Aufgabe der Kommission sein, einzelnen Personen bei der Durchsetzung ihrer individuellen Rechte (bzw. ihrer "Partikularinteressen") behilflich zu sein. Dafür seien schließlich die nationalen Gerichte zuständig. Herr Van Miert versprach Herrn R. jedoch, die Kommission werde in Einklang mit ihren Grundsätzen vorgehen, sofern ihrer Auffassung nach ausreichende Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln vorliegen. Die Beurteilung jedoch, ob diese Anhaltspunkte für den Beweis eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln ausreichen, ist von der Kommission zu treffen.
Die von der Kommission hierbei angewandten Grundsätze wurden vom Gericht erster Instanz anerkannt(3). Das Gericht stellte vor allem fest, daß die Kommission als Verwaltungsbehörde im öffentlichen Interesse zu handeln hat. Demzufolge muß die Kommission bei der Beurteilung der Vordringlichkeit eines Falles das diesbezügliche öffentliche Interesse sowie auch ihre verwaltungsmäßigen Ressourcen berücksichtigen. Außerdem wird die Anwendung des Gemeinschaftsrechts durch die innerstaatlichen Gerichte durch das Vorliegen einer Gruppenfreistellung - wie in diesem Falle - erleichtert.
4. Weitere Maßnahmen der Kommission
In den insgesamt 30 Schreiben, die Herr R. seit 1994 an die Kommission geschickt hat, beschwert er sich über das Verhalten der sechs größten deutschen Kraftfahrzeughersteller (BMW, Audi, Volkswagen, Ford, Mercedes-Benz und General Motors/Opel) sowie ihrer Importeure in fünf anderen Mitgliedstaaten, hauptsächlich in Dänemark und Finnland, aber auch in Spanien, den Niederlanden und Italien.
Zwar scheint Herr R. nicht in jedem Fall das in seiner jeweiligen Beschwerde angegebene Kraftfahrzeug tatsächlich kaufen zu wollen, aber er besteht darauf, daß er als Verbraucher grundsätzlich das Recht habe, sich ein Kraftfahrzeug dort zu kaufen, wo er will. Dies ist in der Tat ein wichtiger, in der Verordnung festgelegter Grundsatz.
Jahrelang haben viele Verbraucher den Kommissionsdienststellen in zahlreichen Schreiben über Hindernisse berichtet, auf die sie bei ihren Bemühungen gestoßen sind, ein Kraftfahrzeug in einem anderen Mitgliedstaat als dem ihres Wohnsitzes zu erwerben. Oftmals können derartige Probleme durch eine bloße förmliche Kontaktaufnahme der Kommissionsdienststellen mit dem betreffenden Hersteller zur Zufriedenheit der Beschwerdeführer gelöst werden. Es gibt aber auch schwierigere Fälle, namentlich wenn eine Vielzahl von Beschwerden vorliegt und die Kommission zur Einleitung eines förmlichen Verfahrens gezwungen ist. Oftmals ist es dann sehr schwierig, ausreichende Beweise für einen tatsächlichen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln zu finden, so daß die erforderlichen Ermittlungen sehr aufwendig sind.
Zum Beispiel unternahm die Kommission im Oktober 1995 bei Volkswagen und Audi in Deutschland, bei Autogerma - ihrem gemeinsamen italienischen Importeur - sowie einer Reihe norditalienischer Vertragshändler eine Nachprüfung gemäß Artikel 14 Absatz 3 der Verordnung des Rates Nr. 17/62 (Sache V/35, 733/F2 - Volkswagen/Audi). Diese Nachprüfung erfolgte aufgrund einer großen Anzahl einzelner Beschwerden, die die Kommission insbesondere von österreichischen, deutschen und französischen Verbrauchern erhalten hatte, die sich über Schwierigkeiten beim Kauf von Volkswagen- und Audi-Fahrzeugen in Italien beklagten. Im November 1996 teilte die Kommission in einer Pressemitteilung mit, sie habe im Oktober 1996 Volkswagen und Audi eine Mitteilung der Beschwerdepunkte in bezug auf die mutmaßliche Behinderung von Parallelausfuhren in Italien übermittelt(4). In derselben Pressemitteilung erläuterte die Kommission auch die Rolle der nationalen Gerichte in bezug auf Einzelbeschwerden im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 1475/95.
Aufgrund von u.a. von Herrn R. erhobenen Beschwerden übermittelte die Kommission im Oktober 1996 vier Kraftfahrzeugherstellern (Volkswagen, Audi, Mercedes-Benz und Opel) ein förmliches Auskunftsersuchen zu ihrer Preispolitik auf dem finnischen Markt. Im Juli 1996 hatte die Kommission eine ähnliche Aufforderung an Ford und gleichzeitig eine Anfrage an die finnische Wettbewerbsbehörde gerichtet(5), um Auskünfte über die in Finnland bei der Wiederausfuhr von Kraftfahrzeugen betriebene Preispolitik zu erhalten. Im November 1996 lagen der Kommission Antworten der betreffenden Kraftfahrzeughersteller vor. Vorbehaltlich einer abschließenden Beurteilung dieser Antworten ist nicht auszuschließen, daß die Angelegenheit eher innerhalb des allgemeinen Rahmens der Steuerharmonisierung zu sehen ist, der über den Anwendungsbereich der Wettbewerbspolitik hinausgeht.
Darüber hinaus wurden und werden weitere Maßnahmen ergriffen, um zu prüfen, ob angebliche Behinderungen von parallelen Kraftfahrzeugausfuhren aus bestimmten Mitgliedstaaten vorliegen.
5. Schlußfolgerung
Wie bereits gesagt, erhält die Kommission laufend zahlreiche Schreiben von Verbrauchern und Einzelpersonen zum Thema des Kfz-Vertriebs in der Europäischen Union. Die für die Anwendung der Wettbewerbsregeln in diesem Bereich zuständigen Kommissionsdienststellen verwenden auf die Bearbeitung und Prüfung dieser Beschwerden viel Zeit und Mittel und sind auch den von Herrn R. seit 1994 erhobenen Beschwerden mit erheblichem Aufwand in angemessener Weise nachgegangen.
Insofern hält die Kommission die von Herrn R. vorgebrachte Behauptung, die Kommission sei untätig geblieben bzw. die von ihr ergriffenen Maßnahmen seien ungeeignet, für unbegründet."


Der Kommentar des Beschwerdeführers
In Ihrem Kommentar haben Sie insbesondere folgendes betont: Sie hätten ein Beschwerderecht und verträten nicht nur Ihre eigenen Interessen ("Partikularinteresse"); die Kommission beantworte Ihre Schreiben nicht oder bestätige deren Eingang nicht; es fänden Rechtsverstöße statt, und sowohl die Kommission als auch das Europäische Parlament könnten dies leicht durch Nachforschungen feststellen; die Kommission gehe den Verstößen jedoch nicht nach, sondern bleibe praktisch förmlich untätig und der freie Warenverkehr werde nirgendwo in der Union geschützt. Schließlich führen Sie verschiedene Maßnahmen an, die die Kommission Ihres Erachtens ergreifen müßte.
Darüber hinaus haben Sie ganz allgemein Ihre Behauptungen bezüglich der Untätigkeit und der Duldung angeblicher Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln durch die Kommission wiederholt und aufgezeigt, auf welche Weise sie sich Ihres Erachtens, manchmal sogar durch Irreführung, ihrer Verantwortung für die Einhaltung der Wettbewerbsregeln entzieht. Ihrer Meinung nach duldet die Kommission die Verstöße und steht völlig auf der Seite der Autoindustrie. Außerdem haben Sie Material, vor allem Zeitungsartikel und Preislisten von einigen der beschuldigten Unternehmen, beigelegt, das Ihres Erachtens beweist, daß es tatsächlich Verstöße gibt.
Außerdem haben Sie den Bürgerbeauftragten ersucht, direkt bei den Autoherstellern und den Autoimporteuren Ermittlungen durchzuführen. Schließlich haben Sie sich bei mir über die Verordnung der Kommission Nr. 1475/95 als solche beschwert.
Weitere Entwicklungen
Nach der Einreichung Ihrer Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten haben Sie sich auch weiterhin direkt an die Kommission gewandt. Am 16. Dezember 1997 übermittelte Ihnen die Kommission ein Schreiben gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63. In diesem Schreiben teilte Ihnen die Kommission mit, daß sie nicht beabsichtige, in bezug auf vier von Ihren Beschwerden förmliche Untersuchungen einzuleiten, da kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse an der Einleitung einer solchen Untersuchung bestehe. Ferner wurden Sie ersucht, sich binnen einer Frist von 6 Wochen zu dieser vorläufigen Schlußfolgerung der Kommission zu äußern, falls Sie dies wünschten. Das genannte Schreiben besteht aus zwei Teilen, dessen erster mit "Ihre Eingaben" und dessen zweiter mit "Die Stellungnahme der Kommission" betitelt ist. Dieser letzte Teil hat folgenden Wortlaut:

"Gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17/62 sind zu einer Beschwerde Personen berechtigt, die ein berechtigtes Interesse darlegen.
Selbst wenn man unterstellen würde, Sie hätten ein berechtigtes Interesse, ist folgendes festzuhalten:
Die Einleitung einer formellen Untersuchung durch die Kommission würde im Verhältnis zu der beschränkten Bedeutung der Angelegenheit einen unverhältnismäßigen Aufwand nach sich ziehen. Als gemeinschaftliche Verwaltungsbehörde für die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft hat die Kommission dem allgemeinen Interesse zu dienen. Zur Ausführung ihres Auftrages verfügt sie nur über beschränkte Verwaltungsmittel, die sie nicht in allen ihr zur Kenntnis gebrachten Fällen einsetzen kann.
In Ihren Schreiben an die Kommission beanstanden Sie die angebliche generelle Weigerung von Vertragshändlern verschiedener Automobilhersteller in den genannten Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, Ihnen ein Kraftfahrzeug zum Zwecke des sofortigen Re-Exports zu verkaufen bzw. Ihnen diese nur zu einem angeblich überhöhten Preis verkaufen zu wollen.
Sie machen in Ihren Schreiben die Verletzung subjektiver Rechte geltend. Sie haben die Möglichkeit, die Verletzung dieser Rechte vor den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten einzuklagen. Die nationalen Gerichte können die europäischen Wettbewerbsregeln anwenden und - im Gegensatz zur Kommission - möglicherweise Schadenersatz zuerkennen.
Darüber hinaus findet auf den Vertrieb von Kraftfahrzeugen seit 1985 eine Gruppenfreistellungsverordnung Anwendung. Die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission vom 12. Dezember 1984 war vom 1. Juli 1985 bis 30. Juni 1995 in Kraft. Sie wurde mit Wirkung vom 1. Juli 1995 durch die neue Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 ersetzt. Das Ziel - und ein Vorteil - von Gruppenfreistellungsverordnungen ist es unter anderem, den nationalen Gerichten die Anwendung europäischen Wettbewerbsrechts zu ermöglichen. So sieht Artikel 6 (1) 7. der Verordnung Nr. 1475/95 zum Beispiel vor, daß bei mittelbarer oder unmittelbarer Einschränkung der Freiheit der Endverbraucher, der bevollmächtigten Vermittler oder der Vertragshändler, innerhalb des Gemeinsamen Marktes bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes ihrer Wahl ein Kraftfahrzeug zu erwerben, der Vorteil der Freistellung automatisch entfällt.
Es besteht folglich kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse, eine Untersuchung durch die Kommission einzuleiten."


Als Antwort auf dieses Schreiben teilten Sie der Kommission mit, es treffe nicht zu, daß kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse an den Beschwerden bestehe, und Sie übermittelten dem Bürgerbeauftragten gleichlautende Bemerkungen. In Ihren Bemerkungen haben Sie mehrfach erklärt, die Kommission habe mit diesem Schreiben alle Ihre Beschwerden abgewiesen.
In Wirklichkeit betrifft dieses Schreiben jedoch nur vier der Vorgänge, die die Kommission im Anschluß an Ihre Beschwerden bearbeitet hat. Aufgrund Ihrer Bemerkungen wird die Kommission nun eine endgültige Entscheidung; darüber fassen müssen, ob diese vier Vorgänge abgeschlossen werden sollen. Außerdem ist die Kommission noch damit beschäftigt, zwei weitere Vorgänge aufgrund Ihrer Beschwerden zu bearbeiten.
Sonstige Fakten
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß die Kommission alljährlich einen Bericht über die Wettbewerbspolitik veröffentlicht. In ihrem Bericht über das Jahr 1996 erklärte die Kommission in den Ziffern 54 - 55 in bezug auf den Kraftfahrzeugsektor folgendes:

"..Ein Hauptgrundsatz [der Verordnung Nr. 1475/95] ist die Freiheit der europäischen Verbraucher, ein neues Kraftfahrzeug in der Europäischen Union direkt oder über einen hierzu autorisierten Vermittler zu beziehen. Vertragsbestimmungen, die diese Freiheit durch den Hersteller, den Lieferanten oder ein anderes Unternehmen innerhalb des Vertriebsnetzes einschränken, stehen auf einer schwarzen Liste und sind automatisch nichtig. Bei derartigen Verstößen können die Verbraucher vor den nationalen Gerichten Klage erheben, die im Gegensatz zur Kommission leichter einstweilige Verfügungen erlassen und Schadensersatz zuerkennen können. Die Kommission kann allerdings tätig werden, wenn Unternehmen aufgrund wettbewerbshemmender Vereinbarungen oder Praktiken durch Einschränkung des Parallelhandels nationale Märkte von anderen Märkten abschneiden. Es wird daran erinnert, daß die Kommission in ihren Untersuchungen über Preisunterschiede, die sie zweimal jährlich anstellt, zu dem Ergebnis gekommen war, daß die Kraftfahrzeugpreise in der Gemeinschaft immer noch stark voneinander abweichen. Da Preisunterschiede der stärkste Anreiz für den Parallelhandel ist, versuchen die Endverbraucher in zunehmendem Maße ein Fahrzeug in den Mitgliedstaaten zu erwerben, wo die Preise und anderen Verkaufsbedingungen am günstigsten sind.
Seit Anfang 1994 hat die Kommission zahlreiche Beschwerden von Endverbrauchern erhalten, die beim Kauf eines Kraftfahrzeuges außerhalb des eigenen Mitgliedstaats erhebliche Schwierigkeiten hatten. Daraufhin hat sie Nachprüfungen durchgeführt, um herauszufinden, ob einige Kraftfahrzeughersteller zusammen mit ihren italienischen Vertragspartnern eine Strategie entwickelt hatten, um deutsche, französische und insbesondere österreichische Endverbraucher daran zu hindern, ein Fahrzeug in Italien zu günstigen Bedingungen zu kaufen und auf diese Weise von den Vorteilen des Binnenmarkts zu profitieren. Die Kommission hat anhand der im Laufe ihrer Nachprüfungen gesammelten Unterlagen vorläufig festgestellt, daß die betreffenden Unternehmen eine derartige Strategie verfolgt haben. Deswegen hat sie im Oktober zwei Kraftfahrzeugherstellern Beschwerdepunkte mitgeteilt. Sie beschuldigt diese Hersteller des Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln und gibt ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme. Eine endgültige Entscheidung in dieser Sache wird für 1997 erwartet.
Die Kommission mußte sich aber nicht nur mit Beschwerden wegen des italienischen Marktes, sondern auch mit Beschwerden von Endverbrauchern befassen, die andere Mitgliedstaaten betrafen (wie Dänemark, Finnland, Schweden, die Niederlande und Spanien), wo die Vertriebshändler entweder den Kauf durch Nichtgebietsansässige ablehnten oder nur zu einem höheren Preis verkaufen wollten oder den Endverbrauchern bzw. den in ihrem Namen tätigen Vermittlern bestimmte Auflagen machten. Andere Beschwerden wiederum betrafen Vertriebshändler, die sich weigerten, Herstellergarantien für aus anderen Mitgliedstaaten eingeführte Fahrzeuge einzulösen. Einige dieser Fälle wurden durch aktives Tätigwerden der Kommission geregelt, andere hingegen machten weitere Nachprüfungen bei den Herstellern bzw. ihren Importeuren notwendig."


Gemäß dem üblichen Verfahren nahm das Europäische Parlament eine Entschließung zum Bericht der Kommission an. In dieser Entschließung, die im ABl. 1997 C 358, S. 55, veröffentlicht ist, erklärt das Parlament u.a. folgendes:

"Das Europäische Parlament bedauert das Fehlen eines echten Binnenmarkts für den Vertrieb und die Wartung von Kraftfahrzeugen, wie dies aus zahlreichen Beschwerden von Verbrauchern hervorgeht; es fordert die Kommission auf, ein für allemal einen freien Markt zu garantieren, auf dem die Verbraucher problemlos ein Auto außerhalb ihres eigenen Mitgliedstaates kaufen können und auf dem es keine Behinderung des Parallelhandels gibt."


Außerdem ist zu bemerken, daß die Kommission im Januar 1998 eine Entscheidung wegen eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln durch Volkswagen erlassen hat, in der diese Gesellschaft mit einer Geldbuße von 102 Mio ECU belegt wurde. Diese Entscheidung ist in ABl. 1998 L 124, S. 60, veröffentlicht. In der Pressemitteilung, die die Kommission nach der Annahme der Entscheidung herausgab, wird folgendes festgehalten:

"In seinem Kommentar zu der Entscheidung erklärte Herr Van Miert, die Kommission werde nicht zögern, die erforderlichen Maßnahmen gegen Kraftfahrzeughersteller zu ergreifen, die sich nicht an die Verordnung [Nr. 1475/95] über den Handel mit Kraftfahrzeugen halten...
Die Höhe der Geldbuße sei ein Hinweis darauf, daß die Kommission derartige Praktiken nicht dulden werde und daß sie mit der gleichen Entschlossenheit gegen andere Hersteller, die eine Marktabschottung betrieben, vorgehen werde."


DIE ENTSCHEIDUNG


Die Zuständigkeit des Bürgerbeauftragten
1. In Anbetracht der Tatsache, daß Sie in Ihren Bemerkungen den Bürgerbeauftragten ersucht haben, unmittelbar bei den betreffenden Autoherstellern und Autoimporteuren zu ermitteln und die Gültigkeit der Verordnung Nr. 1475/95 zu überprüfen, ist es erforderlich, die Grenzen des Mandats des Europäischen Bürgerbeauftragten in Erinnerung zu rufen.
In dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und im Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten werden präzise Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde festgelegt. Der Bürgerbeauftragte kann nur dann eine Untersuchung einleiten, wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind.
Eine dieser Voraussetzungen ist in Artikel 2 Absatz 1 des Statuts festgelegt:

"Der Bürgerbeauftragte trägt im Rahmen und unter den Bedingungen der obengenannten Verträge dazu bei, Mißstände bei der Tätigkeit der Organe und Institutionen der Gemeinschaft (....) aufzudecken (...). Handlungen anderer Behörden oder Personen können nicht Gegenstand von Beschwerden beim Bürgerbeauftragten sein."

Somit kann der Bürgerbeauftragte keine angeblichen Verstöße der Hersteller und Importeure von Kraftfahrzeugen, sondern lediglich die Ermittlungen der Kommission bei derartigen Verstößen untersuchen.
Außerdem heißt es in Artikel 2 Absatz 2 des Statuts:

"Jeder Bürger der Union (...) kann den Bürgerbeauftragten (...) mit einer Beschwerde über einen Mißstand (...) befassen."

Wie der Europäische Bürgerbeauftragte bereits in seinem Bericht über das Jahr 1995 festgestellt hat, bedeutet dies, daß es nicht die Aufgabe des Bürgerbeauftragten ist, Rechtsakten der Gemeinschaften, wie z.B. Verordnungen und Richtlinien, materiell zu prüfen. Aus diesem Grund kann sich der Bürgerbeauftrage nicht mit Ihrer Beschwerde hinsichtlich der Begründetheit der Verordnung Nr. 1475/95 als solcher befassen.
Die Untätigkeit der Kommission und das eingeschlagene Vorgehen
2. Zunächst muß der rechtliche Rahmen festgelegt werden, in dem Ihre Beschwerde zu beurteilen ist.
3. Was das materielle Recht angeht, so verbietet Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen können. Artikel 85 Absatz 3 sieht vor, daß Artikel 85 Absatz 1 unter bestimmten Voraussetzungen für nicht anwendbar erklärt werden kann. Gemäß der Verordnung Nr. 19/65 ist die Kommission befugt, eine derartige Erklärung der Nichtanwendbarkeit mittels einer allgemeinen Verordnung, einer sog. Freistellungsverordnung, zu erlassen. Eine derartige allgemeine Verordnung hat somit zur Folge, daß Vereinbarungen, die die in der Verordnung festgelegten Bedingungen erfüllen, nicht durch Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags verboten sind. Falls eine Vereinbarung jedoch diesen Bedingungen nicht entspricht oder dagegen verstößt, fällt sie grundsätzlich unter das Verbot des Artikels 85 Absatz 1. Was den Kraftfahrzeugsektor betrifft, so hat die Kommission gemäß der Verordnung Nr. 19/65 die Verordnung Nr. 1475/95 vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge erlassen. In Artikel 6 der Verordnung Nr. 1475/95 wird festgelegt, daß diese Freistellung nicht gilt, wenn der Hersteller, der Lieferant oder ein anderes Unternehmen unmittelbar oder mittelbar die Freiheit der Endverbraucher einschränkt, innerhalb der Gemeinschaft bei einem Unternehmen des Vertriebsnetzes ihrer Wahl ein neues Kraftfahrzeug zu erwerben. Eine solche Verhaltensweise wird von Artikel 85 Absatz 1 des Vertrags grundsätzlich verboten.
4. In bezug auf das Verfahrensrecht, das die Anwendung des materiellen Rechts ermöglicht, sei darauf hingewiesen, daß Artikel 85 Absatz 1 sowohl von der Kommission als auch von den nationalen Behörden, darunter auch den nationalen Gerichten, angewendet werden kann. Im Gegensatz dazu kann Artikel 85 Absatz 3 nur von der Kommission angewendet werden. Die Beziehungen zwischen der Kommission und den nationalen Behörden sind Gegenstand einer Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Bearbeitung von Fällen im Anwendungsbereich der Artikel 85 und 86 EG-Vertrag, die im Amtsblatt der Gemeinschaften ABl. 1997 C 313, S. 3, veröffentlicht ist; die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten wird in einer Bekanntmachung der Kommission im Amtsblatt ABl. 1993, C 39, S. 6, behandelt. Die wichtigsten Bestimmungen für die Verfahren der Kommission sind in der Verordnung Nr. 17/62 des Rates festgelegt, gemäß deren Artikel 24 die Kommission Ausführungsbestimmungen, darunter auch die Verordnung Nr. 99/63, erlassen hat. Artikel 3 der Verordnung Nr. 17/62 sieht u.a. folgendes vor:

"1. Stellt die Kommission auf Antrag oder von Amts wegen eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 85 oder 86 des Vertrages fest, so kann sie die beteiligten Unternehmen und Unternehmensvereinigungen durch Entscheidung verpflichten, die festgestellte Zuwiderhandlung abzustellen.
2. Zur Stellung eines Antrags sind berechtigt:
a) Mitgliedstaaten
b) Personen und Personenvereinigungen, die ein berechtigtes Interesse darlegen."

Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63, der sich auf diese Bestimmung bezieht, sieht folgendes vor:

"Ist die Kommission der Auffassung, daß die von ihr ermittelten Umstände es nicht rechtfertigen, einem nach Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17 gestellten Antrag stattzugeben, so teilt sie den Antragstellern die Gründe hierfür mit und setzt ihnen eine Frist zur Mitteilung etwaiger schriftlicher Bemerkungen."

Daraus geht eindeutig hervor, daß Personen, die ein berechtigtes Interesse haben, eine Beschwerde über angebliche Verstöße gegen Artikel 85 des Vertrags bei der Kommission einreichen können. In dem Bewußtsein, daß der Gerichtshof für Recht erkannt hat, daß der Beschwerdeführer nicht berechtigt ist, von der Kommission zu fordern, daß sie endgültig darüber entscheidet, ob ein Verstoß vorliegt oder nicht, läßt sich das Verfahren im Anschluß an eine Beschwerde etwa wie folgt zusammenfassen:
Stellt die Kommission nach ersten Untersuchungen fest, daß die Beschwerde gerechtfertigt ist und daß das betroffene Unternehmen nicht gewillt ist, in dieser Angelegenheit Abhilfe zu schaffen, so kann die Kommission formal ein Verfahren einleiten, wobei die Kommission die dem betroffenen Unternehmen zustehenden Verfahrensrechte strikt einhalten muß.
Stellt die Kommission nach ersten Untersuchungen fest, daß die Beschwerde ungerechtfertigt ist, so wird der Beschwerdeführer gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 99/63 - durch ein sog. "Artikel 6- Schreiben" - davon unterrichtet und hat sodann das Recht, Bemerkungen mitzuteilen, aber er kann dieses Schreiben nicht vor den Gerichtshöfen der Gemeinschaft anfechten. Bleibt die Kommission nach Prüfung der Bemerkungen bei ihrer Auffassung, so gibt sie eine endgültige Stellungnahme ab, die der Beschwerdeführer anfechten kann; siehe Urteil des Gerichtshofs vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-282/95 P, Guerin Automobiles, Saml. 1997 S. I-1503.
Für den Fall, daß der Beschwerdeführer der Auffassung ist, daß die Kommission in bezug auf seine Beschwerde untätig bleibt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, daß das "Artikel 6-Schreiben" die Aufhebung der Untätigkeit bedeutet; siehe u.a. das Urteil des Gerichtshofs vom 18. Oktober 1979 in der Rechtssache 125/78, GEMA gegen Kommission, Saml. 1997 S. 3173.
5. Dieses kurz beschriebene System wird jedoch durch die Rechtsprechung der Gerichtshöfe der Gemeinschaft vervollständigt, wonach die Kommission auf die Weiterverfolgung einer Beschwerde verzichten kann, weil kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse besteht; siehe das Urteil des Gerichts erster Instanz vom 18. September 1992 in der Rechtssache T-24/90, Automec II, Saml. 1992 S. II-2223. Die Begründung dafür ist, daß die Befugnisse der Kommission in Wettbewerbsfragen Teil ihrer allgemeinen Verpflichtung seien, als Hüterin des Vertrags die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu überwachen; bei der Erfüllung dieser Verpflichtung sei die Kommission gehalten und befugt, bei der Prüfung der bei ihr anhängigen Beschwerden unterschiedliche Prioritäten zu setzen; im Wettbewerbssektor sei das "Gemeinschaftsinteresse" ein wichtiges und rechtserhebliches Kriterium. Anscheinend herrscht allgemeines Einvernehmen darüber, daß - falls die Kommission eine Beschwerde wegen mangelnden Gemeinschaftsinteresses zurückweist - die Verteidigungsrechte des beklagten Unternehmens die Kommission daran hindern, sich dazu zu äußern, ob eine Zuwiderhandlung vorliegt oder nicht.(6)
6. Zusammenfassend muß die Kommission somit bei einer Beschwerde tätig werden, die von einer Person mit berechtigtem Interesse eingereicht wird. Dabei kann sie zu der Auffassung gelangen, daß die betreffende Beschwerde mangels ausreichenden "Gemeinschaftsinteresses" nicht weiter verfolgt werden sollte, was sie dem Beschwerdeführer mit einem sog. "Artikel 6 - Schreiben" mitteilt. Durch dieses Schreiben wird eine mögliche Untätigkeit bei der Behandlung der Beschwerde aufgehoben. Der Beschwerdeführer kann Bemerkungen zu dem "Artikel 6 - Schreiben" einreichen und die Beschwerde aufrecht erhalten. Falls die Kommission auf ihrem Standpunkt beharrt, daß es der Beschwerde an "Gemeinschaftsinteresse" mangelt, hat sie dies in angemessener Frist in einer endgültigen Stellungnahme festzuhalten. Bei der Beurteilung des "Gemeinschaftsinteresses" muß die Kommission im Rahmen der Grenzen ihrer Rechtshoheit handeln. Die endgültige Stellungnahme der Kommission kann von dem Beschwerdeführer angefochten werden.
7. Auf dieser Grundlage läßt sich Ihre Beschwerde wie folgt beurteilen.
8. Bekanntlich haben Sie seit mehreren Jahren der Kommission mutmaßliche Verstöße zur Kenntnis gebracht. Die Kommission hat Sie als Person eingestuft, die gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Verordnung Nr. 17/62 ein berechtigtes Interesse an der Einreichung von Beschwerden besitzt.
Aus der Stellungnahme der Kommission geht hervor, daß einer der angeblichen Verstöße aufgrund ihres Eingreifens abgestellt wurde und daß zu den anderen Verstößen Untersuchungen angestellt wurden.
9. Im Rahmen der Untersuchungen übermittelte die Kommission Ihnen das obengenannte Schreiben von 1996, in dem sie auf Fälle von "Partikularinteresse" verwies. Dieses Schreiben entspricht der allgemeinen Politik der Kommission, wie sie u.a. in dem vorstehenden Zitat aus ihrem Jahresbericht über die Wettbewerbspolitik, der seinerseits auf der Rechtsprechung der Gerichtshöfe der Gemeinschaft beruht, zum Ausdruck kommt. Das Argument, daß dies einen Mißstand darstelle, ist daher nicht stichhaltig.
10. Die zu einigen Ihrer Beschwerden eingeleiteten Untersuchungen dauern noch an. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es keine Anzeichen dafür, daß die Kommission diese Beschwerden nicht mit der gebotenen Sorgfalt und gemäß den Prinzipien einer guten Verwaltungspraxis untersucht.
11. In vier der Verfahren, die die Kommission aufgrund Ihrer Beschwerden einleitete, gelangte sie aufgrund ihrer Untersuchungen zu der vorläufigen Schlußfolgerung, daß Ihre Beschwerden kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse beinhalteten, was sie Ihnen in dem sog. "Artikel 6 - Schreiben" vom 16. Dezember 1997 mitteilte. Wie bereits erwähnt, ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, daß durch ein derartiges Schreiben eine mögliche Untätigkeit bei der Behandlung einer Beschwerde aufgehoben wird. Nun bleibt abzuwarten, zu welcher endgültigen Schlußfolgerung die Kommission nach der Untersuchung Ihrer ausführlichen Bemerkungen in angemessener Frist gelangen wird. Unter diesen Umständen wäre es unangemessen, wenn der Bürgerbeauftragte eine materielle Beurteilung des Schreibens vornähme. Allerdings hat dieses Schreiben den Bürgerbeauftragten veranlaßt, nachstehend weitere Bemerkungen an die Adresse der Kommission zu formulieren.
12. Beim derzeitigen Stand der Dinge ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, daß es nicht gerechtfertigt ist, der Kommission Untätigkeit oder ein unangemessenes Vorgehen vorzuwerfen. Obgleich Sie wünschen, daß die Kommission mehr Mittel in dieser Angelegenheit einsetzt, die für Sie von großer Bedeutung ist, ergeben sich keine Gründe für den Vorwurf, daß die Kommission untätig gewesen oder unangemessen vorgegangen sei.
Schlußfolgerung
13. Die Untersuchung dieser Beschwerde durch den Europäischen Bürgerbeauftragten hat ergeben, daß kein Mißstand seitens der Europäischen Kommission festzustellen war. Der Bürgerbeauftragte hat daher beschlossen, diesen Fall abzuschließen.

WEITERE BEMERKUNGEN


1. Der Europäische Bürgerbeauftragte wurde u.a. eingesetzt, um die Beziehungen zwischen den Europäischen Institutionen und den europäischen Bürgern zu verbessern. Diese Aufgabe beinhaltet im besonderen, daß der Bürgerbeauftragte die Stellung der Bürger dadurch festigen sollte, daß er gute Verwaltungspraktiken fördert und die Verwaltungsbehörden veranlaßt, nach Möglichkeiten zur Verbesserung ihrer Beziehungen zu den Bürgern zu suchen. In diesem Zusammenhang macht der Europäische Bürgerbeauftragte die folgenden Vorschläge:
2. Unbeschadet des rechtsunverbindlichen Charakters des sog. "Artikel 6 - Schreibens" könnte die Kommission in eigener Initiative versuchen, in dem Schreiben umfassende und angemessene Gründe für ihre Absicht, eine Beschwerde nicht weiterzuverfolgen, anzugeben und es damit dem Bürger zu ermöglichen, den Standpunkt der Kommission besser zu verstehen und entsprechende Bemerkungen einzureichen. Dies dürfte den Grundsätzen einer guten Verwaltungspraxis entsprechen.
3. Darüber hinaus könnte die Kommission in Angelegenheiten von allgemeinem Interesse der Tatsache Rechnung tragen, daß die europäischen Bürger womöglich nur über begrenzte Zeit und Mittel verfügen, um ihre Rechte in einem Gerichtsverfahren wahrzunehmen, zumal für den Fall, daß das Gerichtsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnsitzmitgliedstaat des betreffenden Bürgers angestrengt werden muß.
Mit vorzüglicher Hochachtung
Jacob Söderman
Kopie:
Herrn Santer, Präsident der Europäischen Kommission
Herrn Eeckhout, Generalsekretariat der Europäischen Kommission


(1) Fußnote der Kommission: "Verordnung (EG) Nr. 1475/95 der Kommission vom 28. Juni 1995 über die Anwendung von Artikel 85 Absatz 3 des Vertrages auf Gruppen von Vertriebs- und Kundendienstvereinbarungen über Kraftfahrzeuge, ABl. Nr. L 145 vom 29.6.1995, S. 25. Der Wortlaut dieser Verordnung ist in der diesem Schreiben als Anhang I beigefügten Informationsbroschüre enthalten. Diese Verordnung hat die Verordnung (EWG) Nr. 123/85 der Kommission ersetzt".

(2) Das vorgenannte Schreiben vom 28. Juni 1996.

(3) Fußnote der Kommission: "Rechtssache T-24/90 - Automec Srl/Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Urteil des Gerichts erster Instanz vom 18. September 1992."

(4) Fußnote der Kommission: "Presseerklärung von Kommissionsmitglied Karel Van Miert vom 6.12.1995."

(5) Fußnote der Kommission: "Schriftwechsel zwischen Kilpailuvirasto und der Kommission, siehe Anhang IV".

(6) In bezug auf die Pflichten der Kommission bei der Beurteilung des "Gemeinschaftsinteresses" hat das Gericht erster Instanz ganz allgemein folgendes festgestellt:

"Wenn die Kommission (...) eine Einstellungsverfügung getroffen hat, ohne eine Untersuchung einzuleiten, so beschränkt sich die Rechtmäßigkeitskontrolle des Gerichts auf die Prüfung, ob die streitige Entscheidung nicht auf unzutreffenden Tatsachen beruht und weder einen Rechtsfehler noch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler oder einen Ermessensmißbrauch aufweist.
Anhand dieser Grundsätze hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob die Kommission die ihr obliegende Prüfung der Beschwerde vorgenommen und hierbei die von der Klägerin in ihrer Beschwerde angeführten tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte mit der erforderlichen Aufmerksamkeit gewürdigt hat; sodann hat das Gericht zu prüfen, ob die Kommission ihre Entscheidung, das Verfahren einzustellen, ordnungsgemäß begründet hat (...) (Urteil in der obengenannten Rechtssache Automec II, Ziffern 80 und 81; Unterstreichung durch den Bürgerbeauftragten).

Zu dem speziellen Fall hat das Gericht erster Instanz folgendes festgestellt:

"Bei Würdigung des Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung einer Sache muß die Kommission die Umstände des konkreten Falles und insbesondere die tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte berücksichtigen, die in der Beschwerde vorgebracht werden. Sie hat insbesondere die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens sowie den Umfang der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, um ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Artikel 85 und 86 bestmöglich zu erfüllen." (Urteil in der obengenannten Rechtssache Automec II, Ziffer 86).

Zu der Bedeutung, die die Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses der Existenz nationaler Rechtsmittel beimessen kann, hat das Gericht erster Instanz folgendes festgestellt:

"Daß ein nationales Gericht oder eine nationale Wettbewerbsbehörde bereits mit der Frage der Vereinbarkeit eines Kartells oder einer Verhaltensweise mit den Artikeln 85 oder 86 des Vertrags befaßt ist, kann von der Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses, das in der Sache besteht, berücksichtigt werden (...)
Werden die Auswirkungen der in einer Beschwerde beanstandeten Zuwiderhandlungen im wesentlichen nur im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats spürbar und wurden die Gerichte und zuständigen Verwaltungsbehörden dieses Mitgliedstaates mit Verfahren befaßt, in denen sich der Beschwerdeführer (...) und derjenige gegenüberstehen, gegen den sich die Beschwerde richtet, so ist nach Auffassung des Gerichts die Kommission befugt, die Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückzuweisen, sofern die Rechte des Beschwerdeführers oder seiner Mitglieder in zufriedenstellender Weise, insbesondere von den nationalen Gerichten, geschützt werden können." (Urteil des Gerichts erster Instanz vom 24. Januar 1995 in der Rechtssache T 114/92, BENIM Saml. 1995 S. II - 147, Ziffern 80 und 86).

Zu der Bedeutung, die die Kommission bei der Beurteilung des Gemeinschaftsinteresses der Existenz einer allgemeinen Freistellungsverordnung beimessen kann, hat das Gericht erster Instanz folgendes festgestellt:

"Zudem war im vorliegenden Fall die Geltung einer Freistellungsverordnung, deren Anwendbarkeit unterstellt sei, ein Gesichtspunkt, den die Kommission bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses an der Einleitung einer Untersuchung (...) berücksichtigen durfte (...) (Urteil in der obengenannten Rechtssache Automec II, Ziffer 95).