- Export to PDF
- Get the short link of this page
- Share this page onTwitterFacebookLinkedin
Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zum Abschluss seiner Untersuchung zur Beschwerde Nr. 543/2009/VL gegen die Europäische Kommission
Decision
Case 543/2009/VL - Opened on Monday | 06 April 2009 - Decision on Monday | 08 February 2010
DER HINTERGRUND DER BESCHWERDE
1. Der Beschwerdeführer behauptete, er habe Grund zu der Annahme, dass die Europäische Kommission seinen Namen in ihrer Entscheidung in der Kartellsache „Marineschläuche"[1] erwähnt habe. Er trug vor, dass die Feststellungen der Kommission ihn mehrmals in erheblicher Weise belastend erwähnt und seinen vollständigen Namen mehrfach genannt hätten. In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf eine Pressemitteilung zum Kartell „Marineschläuche"[2], in der ausdrücklich auf die Möglichkeit des Schadenersatzes für aus dem wettbewerbswidrigen Verhalten entstandene Schäden hingewiesen und festgestellt werde, dass die Kommissionsentscheidung ein bindender Nachweis für dieses Verhalten und seine Rechtswidrigkeit sei. Darüber hinaus mutmaßte der Beschwerdeführer, dass die Entscheidung der Kommission dem US-amerikanischen Justizministerium (Department of Justice - DoJ) im Rahmen der Abkommen über die Zusammenarbeit beider Einrichtungen zugänglich gemacht werden könnte.
2. Am 13. Februar 2009 beantragte der Beschwerdeführer Einsicht in die Akte der Kommission und insbesondere in ihre Entscheidung. Er betonte, dass sein Recht auf rechtliches Gehör missachtet worden sei und die Verletzung seiner Verfahrensrechte durch die Kommission in der Untersuchung des DoJ nachteilige Folgen für ihn haben könnte.
3. Am 16. Februar 2009 ergänzte der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Akteneinsicht. Er konkretisierte, dass sich der Antrag zwar vorrangig auf das Recht auf rechtliches Gehör stütze, er aber hilfsweise auch einen Antrag gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 stelle.
4. Am 18. Februar 2009 antwortete die Kommission, dass im Hinblick auf Akteneinsicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 eine nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung, d. h. eine Entscheidung, die keine Geschäftsgeheimnisse oder andere vertrauliche Informationen enthält, durch ihre Dienststellen vorbereitet werde. Der Beschwerdeführer sollte daher regelmäßig die Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb der Kommission, auf der die Entscheidung veröffentlicht werde, konsultieren. Die Kommission fügte hinzu, dass auf der Grundlage der ihr bekannten Umstände keine Hinweise dafür vorlägen, dass der Beschwerdeführer über Rechte verfüge, die über die durch die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 verliehenen Rechte hinausgingen.
DER GEGENSTAND DER UNTERSUCHUNG
5. Am 2. März 2009 wandte sich der Beschwerdeführer an den Europäischen Bürgerbeauftragten. In seiner Beschwerde erhob er folgende Vorwürfe und Forderungen:
Vorwürfe:
- Der Beschwerdeführer rügte, dass die Europäische Kommission, indem sie Feststellungen gemacht habe, in welchen der Beschwerdeführer in der Entscheidung „Marineschläuche" (COMP 39.406) namentlich erwähnt wird, ohne ihm diesbezüglich die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben, wesentliche Verfahrensgarantien missachtet habe, insbesondere (i) das Recht auf rechtliches Gehör, (ii) die Unschuldsvermutung und (iii) das Berufsgeheimnis.
- Der Beschwerdeführer rügte, dass die Kommission unrechtmäßigerweise seinen Antrag auf Akteneinsicht, insbesondere hinsichtlich der Entscheidung, in der sein Name erwähnt wird, verweigert habe, den er auf sein (i) Recht auf rechtliches Gehör und hilfsweise auf (ii) die Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 gestützt habe.
Forderungen:
- Der Beschwerdeführer forderte, die Kommission solle ihm unverzüglich Akteneinsicht gewähren sowie ihm eine - gegebenenfalls anonymisierte -Kopie der Kommissionsentscheidung zur Verfügung stellen.
- Der Beschwerdeführer forderte, die Kommission solle sämtliche Hinweise auf ihn aus der zur Veröffentlichung bestimmten Fassung der Kommissionsentscheidung streichen.
6. In Bezug auf den ersten Vorwurf stellte der Europäische Bürgerbeauftragte fest, dass der Beschwerdeführer keine Argumente zum Beleg des dritten Aspekts (Verletzung des Berufsgeheimnisses) vorgetragen hatte. Da die Entscheidung der Kommission zum Zeitpunkt der Beschwerde noch nicht öffentlich zugänglich gemacht worden war, war des Weiteren nur schwer zu erkennen, in welcher Weise die Kommission gegen das Berufsgeheimnis verstoßen haben könnte. Daher kam der Bürgerbeauftragte zu dem Ergebnis, dass keine ausreichenden Gründe vorlagen, die eine Untersuchung zum dritten Aspekt rechtfertigen würden.
7. Der Bürgerbeauftragte stellte ferner fest, dass der Beschwerdeführer keinen Zweitantrag auf Akteneinsicht gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 gestellt hatte. Somit war der zweite Aspekt des zweiten Beschwerdepunktes entsprechend Artikel 2 Absatz 4 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten unzulässig.
8. In seinen Anmerkungen trug der Beschwerdeführer vor, dass der Bürgerbeauftragte den zweiten Aspekt des zweiten Beschwerdepunktes hätte untersuchen müssen. Aus den unten in Randnummer 18 näher dargestellten Gründen wäre der Bürgerbeauftragte jedoch in jedem Fall nicht in der Lage, diesen Aspekt in die Untersuchung einzubeziehen.
DIE UNTERSUCHUNG
9. Am 6. April 2009 leitete der Bürgerbeauftragte eine Untersuchung zu dieser Beschwerde ein und ersuchte die Kommission um Stellungnahme.
10. Am 8. Juli 2009 (englisches Original) bzw. am 29. Juli 2009 (deutsche Übersetzung) übermittelte die Kommission ihre Stellungnahme. Am 31. Juli 2009 leitete der Bürgerbeauftragte diese Stellungnahme dem Beschwerdeführer mit der Bitte um Anmerkungen zu, die Letzterer am 24. September 2009 übersandte.
11. Aus diesen Anmerkungen ging hervor, dass der Beschwerdeführer offenbar beim Gericht (vormals Gericht erster Instanz) eine Klage eingereicht hatte. Am 10. Oktober 2009 bestätigte der Beschwerdeführer, dass er beim Gericht Klage erhoben hatte (Rechtssache T-173/09) und übermittelte dem Bürgerbeauftragten die Schriftsätze beider Parteien in dieser Rechtssache.
12. Am 19. Oktober 2009 übersandte der Bürgerbeauftragte dem Beschwerdeführer ein Schreiben, in dem er auf die Bestimmungen in Artikel 1 Absatz 3 und in Artikel 2 Absatz 7 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten verwies und den Beschwerdeführer ersuchte, sich zur Relevanz dieser Bestimmungen im vorliegenden Fall zu äußern. Am 30. November 2009 lief die Frist für diese Anmerkungen ab.
13. Da keine Anmerkungen eingegangen waren, nahm die Dienststelle des Bürgerbeauftragten am 10. Dezember 2009 Kontakt mit dem Rechtsanwalt des Beschwerdeführers auf. Am 17. Dezember 2009 gab der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zu verstehen, dass der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt keine weiteren Anmerkungen unterbreiten wolle.
DIE ANALYSE UND DIE SCHLUSSFOLGERUNGEN DES BÜRGERBEAUFTRAGTEN
A. Die Aspekte der Vorwürfe und Forderungen des Beschwerdeführers, zu denen der Bürgerbeauftragte eine Untersuchung einleitete
Argumente, die dem Bürgerbeauftragten vorgelegt wurden
14. In ihrer Stellungnahme betonte die Kommission, dass die Artikel 101 und 102 AEUV[3] (ex-Artikel 81 und 82 EG-Vertrag) ausschließlich Unternehmen und Unternehmensvereinigungen beträfen, die gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln („Verordnung 1/2003")[4] ein Recht auf Akteneinsicht und ein Recht auf Anhörung hätten. Natürliche Personen könnten demgegenüber nicht gegen diese Artikel verstoßen (es sei denn, es handele sich um Unternehmen) und hätten daher weder ein Recht auf Anhörung noch auf Akteneinsicht. Die Kommission trug vor, dass es vorkommen könne, dass in den Mitteilungen der Beschwerdepunkte oder in den Kartellentscheidungen natürliche Personen genannt werden müssten, die an Sitzungen teilgenommen oder Kontakte gepflegt hätten. Sie sei sich auch der nachteiligen Konsequenzen für diese Personen bewusst, so dass sie die Namen natürlicher Personen aus den öffentlich zugänglichen Fassungen entferne, es sei denn, es gäbe einen sehr triftigen Grund, diese anzugeben. Die Kommission wies darauf hin, dass es keinen Grund gebe, den Beschwerdeführer in der öffentlichen Fassung ihrer Entscheidung in der Kartellsache „Marineschläuche" namentlich aufzuführen[5]. Sie fügte hinzu, dass das geltende Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten einen Austausch vertraulicher Fassungen von Mitteilungen der Beschwerdepunkte oder Entscheidungen nicht vorsehe. Die Kommission betonte, dass sie unter keinen Umständen Informationen übermitteln könne, die unter Artikel 28 der Verordnung 1/2003 fielen. Daher habe sie keine entsprechenden Informationen in Bezug auf den Beschwerdeführer weitergeleitet und werde dies auch künftig nicht tun.
15. In seinen Anmerkungen hielt der Beschwerdeführer seine Beschwerde aufrecht.
Die Beurteilung des Bürgerbeauftragten
16. Artikel 1 Absatz 3 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten bestimmt:
„Der Bürgerbeauftragte darf nicht in ein schwebendes Gerichtsverfahren eingreifen oder die Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung in Frage stellen."
17. Artikel 2 Absatz 7 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten bestimmt:
„Wenn der Bürgerbeauftragte aufgrund eines anhängigen oder abgeschlossenen Gerichtsverfahrens über die behaupteten Sachverhalte eine Beschwerde für unzulässig erklären oder ihre Prüfung beenden muss, sind die Ergebnisse der Untersuchungen, die er bis dahin möglicherweise durchgeführt hat, zu den Akten zu legen."
18. Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass der Beschwerdeführer vor dem Gericht erster Instanz Klage gegen die Kommission erhoben hat (Rechtssache T-173/09). Diese Klage betrifft den gleichen Sachverhalt wie die vorliegende Beschwerde. Ferner betrifft die Klage in der Rechtssache T-173/09 bis auf die behauptete Verletzung des Berufsgeheimnisses, die ohnehin nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung war, im Wesentlichen dieselben Fragen und wesentlichen Argumente wie die vorliegende Beschwerde.
19. Infolgedessen ist der Bürgerbeauftragte gemäß Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 2 Absatz 7 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten verpflichtet, die Prüfung der vorliegenden Beschwerde zu beenden.
B. Schlussfolgerungen
Auf Grundlage seiner Untersuchung zu dieser Beschwerde schließt der Bürgerbeauftragte den Fall mit der folgenden Schlussfolgerung ab:
Gemäß Artikel 1 Absatz 3 und Artikel 2 Absatz 7 seines Statuts beendet der Europäische Bürgerbeauftragte die Prüfung der vorliegenden Beschwerde.
Der Beschwerdeführer und die Kommission werden von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt werden.
P. Nikiforos DIAMANDOUROS
Straßburg, den 8. Februar 2010
[1] Eine nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung ist im Internet zugänglich: http://ec.europa.eu/competition/antitrust/cases/decisions/39406/de.pdf.
[2] IP/09/137 vom 28. Januar 2009.
[3] Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
[4] ABl. 2003 L 1, S. 1.
[5] Die Kommission hat zwischenzeitlich eine nichtvertrauliche Fassung der Entscheidung, die den Beschwerdeführer nicht namentlich erwähnt, veröffentlicht.
- Export to PDF
- Get the short link of this page
- Share this page onTwitterFacebookLinkedin