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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 138/2004/(PMR)PB gegen die Europäische Kommission


Straßburg, den 15. September 2004

Sehr geehrter Herr L.,

am 4. Januar 2004 reichten Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde betreffend die Reaktion der Europäischen Kommission auf Ihre Vertragsverletzungsbeschwerde vom 15. Januar 2003 ein.

Am 12. Februar 2004 übermittelte ich die Beschwerde dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Kommission übermittelte ihre Stellungnahme am 20. April 2004. Diese Stellungnahme leitete ich mit der Bitte um Anmerkungen an Sie weiter, die Sie mir am 27. Mai 2004 zusandten.

Um Missverständnisse zu vermeiden, ist daran zu erinnern, dass der Europäische Bürgerbeauftragte aufgrund des EG-Vertrages befugt ist, mögliche Fälle von Missständen in der Verwaltungstätigkeit nur im Rahmen der Tätigkeiten von Gemeinschaftsorganen und -institutionen zu untersuchen. Im Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten ist insbesondere vorgeschrieben, dass eine Beschwerde an den Bürgerbeauftragten keine Vorgehensweise einer anderen Behörde oder Person betreffen darf.

Die Untersuchung des Bürgerbeauftragten hinsichtlich Ihrer Beschwerde wurde daher zur Prüfung der Frage durchgeführt, ob es Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Kommission gegeben hat.

Ich möchte Ihnen nunmehr die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung mitteilen.


DIE BESCHWERDE

Die Beschwerde wurde von einem in Frankreich lebenden deutschen Staatsangehörigen eingereicht. Sie betraf die Reaktion der Kommission auf eine Vertragsverletzungsbeschwerde, die er bei der Europäischen Kommission eingereicht hatte.

Der Beschwerdeführer hatte am 15. Januar 2003 eine Vertragsverletzungsbeschwerde bei der Kommission eingereicht und ihr mitgeteilt, dass er es für nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar halte, dass die französische Post LA POSTE bei Paketsendungen, die a) mehr als 2 kg wiegen und b) in andere Mitgliedstaaten verschickt werden, das Ausfüllen eines Formulars verlange.

Am 2. Juni 2003 registrierte die Kommission eine Vertragsverletzungsbeschwerde unter dem Namen des Beschwerdeführers und unterrichtete den Beschwerdeführer entsprechend.

Am 6. Juni 2003 teilte die GD Binnenmarkt dem Beschwerdeführer mit, dass nach ihrer Auffassung kein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht vorliege. Sie machte, kurz zusammengefasst, folgende Anmerkungen:

1) Die Richtlinie 97/67/EG(1) harmonisiere nicht die genauen Konditionen, unter denen die verschiedenen nationalen Postbetreiber ihre Dienste zur Verfügung stellen. Das Dokument "Liasse de transport CP 72" verstoße nicht gegen bestehendes europäisches Recht. In diesem Dokument werde ganz klar darauf hingewiesen, dass die Informationen bezüglich Verzollung nur für Pakete, die in Länder außerhalb der Europäischen Union gesandt werden, angegeben werden müssten.

2) Ferner seien die geforderten zusätzlichen Informationen nicht diskriminierend, da sie ebenso für Pakete im Inland in Frankreich nötig seien.

Am 14. Juni 2003 richtete der Beschwerdeführer ein weiteres Schreiben an die Kommission, in dem er erklärte, dass die Antwort der Kommission offensichtlich am angesprochenen Problem vorbeigehe. LA POSTE, die französische Post, verlange sehr wohl für Pakete bzw. Päckchen von 2 kg und darüber, die in Mitgliedsländer der EU geschickt werden sollen, das Ausfüllen einer "Liasse de transport CP 72", nicht jedoch für Sendungen mit Bestimmungsort im Inland.

Der Beschwerdeführer behauptete somit in seiner Beschwerde an den Bürgerbeauftragten, die Kommission habe seine Beschwerde nicht zufriedenstellend bearbeitet und habe keine Maßnahmen gegen LA POSTE ergriffen, deren Praxis nach Ansicht des Beschwerdeführers nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar ist.

DIE UNTERSUCHUNG

Die Stellungnahme der Kommission

1. Sachverhalt und Rechtsgrundlage der Beschwerde

Die französische Post (LA POSTE) verlange bei Paketsendungen von mehr als 2 kg nach Deutschland (bzw. in sonstige EU-Staaten oder in Drittländer) die Ausfüllung eines Formulars (,,Liasse de transport CP 72"). Bei der Versendung entsprechender Pakete innerhalb Frankreichs sei dieses Formular nicht erforderlich.

Der Beschwerdeführer habe der Kommission seine Auffassung mitgeteilt, dass dieses Erfordernis gegen die Grundsätze des Binnenmarktes verstoße.

2. Ausführungen der Kommission in ihrem Schreiben vom 6. Juni 2003 an den Beschwerdeführer.

Die Kommission habe dem Beschwerdeführer kurz, jedoch vollständig die Gründe dargelegt, warum der genannte Sachverhalt nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße:

- Die im Postsektor existierenden Harmonisierungsmaßnahmen (Richtlinie 97/67/EG in der geänderten Fassung) harmonisierten nicht die genauen Konditionen, unter denen die verschiedenen nationalen Postbetreiber ihre Dienste erbringen, und sie regelten insbesondere nicht, wie die Konditionen und Informationen bei Versendung eines Pakets erfasst sind (d. h. mittels eines Formulars oder in anderer Form).

- Die Binnenmarktregelungen der EG-Vertrages wurden nicht verletzt, da erstens die in dem französischen Formular geforderten Informationen bezüglich Verzollung nur für Sendungen in Drittländer anzugeben seien (aus der vom Beschwerdeführer übersandten Kopie gehe dieser Unterschied nicht hervor, er sei nur im Original ersichtlich), und da zweitens die von der französischen Post geforderten Informationen im Vergleich zu den bei Bereitstellung eines ähnlichen Dienstes innerhalb Frankreichs geforderten Informationen (d. h. Absender, Empfänger, Lieferzeit) nicht diskriminierend seien oder aber im Einklang mit der Richtlinie 97/67/EG zum Schutz grundlegender öffentlicher Interessen gerechtfertigt seien (z.B. eine Erklärung, dass das Paket keine gefährlichen Güter enthält).

Die Verpflichtung, für Sendungen innerhalb der Gemeinschaft ein Formular zu verwenden, könne von der französischen Post als einem Unternehmen, das Postdienste bereitstellt, rechtmäßig festgelegt werden. Die unterschiedliche Behandlung grenzüberschreitender (auch innergemeinschaftlicher) und nationaler Paketsendungen trage nur den objektiven Unterschieden bei der notwendigen Form der Bereitstellung der Dienste (d. h. nur ein Postbetreiber bei nationaler Bereitstellung von Postdiensten und mehrere Postbetreiber bei grenzüberschreitenden Postdiensten) sowie den internationalen Regelungen über die Postdienste (das von der französischen Post verwendete Formular entspreche dem Muster des Weltpostvertrags und dessen Regelungen) Rechnung. Der Umstand, dass in einem Fall ein Vordruck verwendet werden müsse und im anderen Fall nicht, stelle deshalb, sofern die verlangten Informationen nicht überflüssig oder diskriminierend seien, kein Hindernis für die freie Erbringung von Dienstleistungen dar, sondern nur einen kleineren Unterschied bei der Art der Erbringung der Dienste.

Da der Beschwerdeführer bei der Kommission keine neuen Argumente vorgebracht habe, sei der Fall am 16. Dezember 2003 abgeschlossen worden. Die Kommission werde den Beschwerdeführer über den offiziellen Abschluss seines Falles unterrichten.

Die Kommission sei der Auffassung, dass sie dieser Angelegenheit die Aufmerksamkeit gewidmet habe, die sie verdient. Die Kommission habe keine weiteren Beschwerden oder Hinweise erhalten, die eine weitere Beschäftigung mit dieser Beschwerde gerechtfertigt erscheinen lassen würden.

Die Anmerkungen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer merkte dazu an, dass die Stellungnahme der Europäischen Kommission nichts Neues enthalte, sondern sich wie vorher auf eine rein legalistische Behandlung seiner Beschwerde beschränke, und dass er davon ausgehe, dass der Bürgerbeauftragte sich ohne Begründung dieser Sicht anschließen würde. Er sei nach wie vor der Auffassung, dass der in seiner Beschwerde geschilderte Sachverhalt nicht mit dem Binnenmarkt vereinbar sei. Was sich vielleicht wie eine Bagatelle auf EU-Ebene darstelle, sein für ihn von einer gewissen nicht zu übersehenden praktischen Bedeutung. Es gehe um Abschaffung von unnötiger Bürokratie (red tape). Er stellte die Frage, ob er falsch in der Annahme gehe, dass auch das zu den Aufgaben des Bürgerbeauftragten zähle.

DIE ENTSCHEIDUNG

1 Einleitende Bemerkung

1.1 In seinem Kommentar stellte der Beschwerdeführer offensichtlich die rechtliche Analyse der Kommission nicht in Frage, warf jedoch die Frage auf, ob es nicht zu den Aufgaben des Bürgerbeauftragten gehöre, für die Abschaffung unnötiger Bürokratie zu sorgen.

1.2 Soweit die Frage des Beschwerdeführers als Forderung verstanden werden sollte, dass der Bürgerbeauftragte ein angebliches Versäumnis der Kommission untersuchen solle, neue Gemeinschaftsmaßnahmen vorzuschlagen, ist es nach Ansicht des Bürgerbeauftragten von Bedeutung darauf hinzuweisen, dass sein Mandat sich ausschließlich auf Missstände in der Verwaltungstätigkeit beschränkt. Die Befugnis der Kommission, neue Rechtsvorschriften vorzuschlagen, ist nicht Teil ihrer Verwaltungstätigkeit, sondern gehört zu ihrer politischen Arbeit, bezüglich derer der Bürgerbeauftragte keine Befugnis hat. Der Bürgerbeauftragte könnte daher ein angebliches Versäumnis seitens der Kommission, Maßnahmen vorzuschlagen, um die vom Beschwerdeführer geschilderten Sachverhalte anzugehen, nicht untersuchen.

1.3 Sofern der Beschwerdeführer die Angelegenheit auf nationaler Ebene weiterverfolgen möchte, verweist der Bürgerbeauftragte auf die Möglichkeit, sich mit dem für Postangelegenheiten zuständigen französischen Bürgerbeauftragten "Médiateur du service universel postal"(2) in Verbindung zu setzen.

2 Die Handhabung der Vertragsverletzungsbeschwerde durch die Kommission

2.1 Der Beschwerdeführer behauptete, die Kommission habe seine Vertragsverletzungsbeschwerde nicht zufriedenstellend behandelt und habe es versäumt, Maßnahmen gegen LA POSTE zu ergreifen, deren Vorgehensweise nach Ansicht des Beschwerdeführers mit dem Binnenmarkt unvereinbar ist.

2.2 In ihrer Stellungnahme gab die Kommission einen Überblick über den Verfahrensverlauf bei der Bearbeitung der Beschwerde des Beschwerdeführers und übermittelte eine ausführlichere Klarstellung der Gründe, warum die vom Beschwerdeführer beschriebene Praxis nach Ansicht der Kommission keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht darstellt.

2.3 Der Bürgerbeauftragte hat die im Laufe der vorliegenden Untersuchung unterbreitete Stellungnahme der Kommission und die Bemerkungen des Beschwerdeführers gründlich geprüft.

Auf der Grundlage dieser Prüfung ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass die Kommission im Einklang mit ihren Vorschriften für die Bearbeitung von Vertragsverletzungsbeschwerden von Einzelpersonen(3) gehandelt hat. Die Kommission hat dem Beschwerdeführer ferner offenbar eine klare und plausible Erklärung dafür gegeben, warum das in seiner Beschwerde geschilderte Vorgehen keinen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht bedeutet. Auf dieser Grundlage ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit der Kommission vorliegt.

3 Schlussfolgerung

Auf der Grundlage der Untersuchungen des Bürgerbeauftragten zu dieser Beschwerde ist kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Kommission festzustellen. Der Bürgerbeauftragte schließt daher den Fall ab.

Der Präsident der Europäischen Kommission wird über diese Entscheidung ebenfalls unterrichtet.

Mit freundlichen Grüßen

 

Professor Dr. P. Nikiforos DIAMANDOUROS


(1) Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität, AB1. L 15 vom 21/1/1998 S. 14.

(2) Name und Anschrift des französischen Postbürgerbeauftragten lauten: Herrn Yann PÉTEL, Médiateur du service universel postal, Médiasup, Tour Gamma A, 193-195, rue de Bercy, 75 572 Paris Cedex 12.

(3) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beziehungen zum Beschwerdeführer bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, ABl. C 244 von 2002, S. 5.