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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1053/2003/(ADB)PB gegen die Europäische Kommission
Decision
Case 1053/2003/(ADB)PB - Opened on Monday | 21 July 2003 - Decision on Wednesday | 15 September 2004
Straßburg, den 15. September 2004
Sehr geehrte Frau G.,
sehr geehrter Herr G.,
am 5. Mai 2003 reichten Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde gegen die Europäische Kommission ein, betreffend eine Ihrer Meinung nach unrechtmäßige Behandlung Ihrer Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Deutschland.
Am 21. Juli 2003 übermittelte ich die Beschwerde dem Präsidenten der Europäischen Kommission. Die Kommission übermittelte ihre Stellungnahme am 18. November 2003. Diese Stellungnahme leitete ich mit der Bitte an Sie weiter, bis 31. Januar 2004 Anmerkungen abzugeben.
Am 20. Dezember 2003 übermittelte Ihr Rechtsanwalt mir eine rechtliche Stellungnahme.
Am 21. Dezember 2003 ersuchten Sie mich um eine Kopie einer deutschen Verordnung, auf die in der Stellungnahme der Kommission Bezug genommen war.
Am 5. Januar 2004 übermittelte Ihr Rechtsanwalt mir eine weitere rechtliche Stellungnahme.
Am 26. Januar 2004 übermittelte ich Ihnen eine Kopie der vorgenannten deutschen Verordnung.
Am 29. Januar 2004 erhielt ich Ihre am 21. Januar 2004 abgeschickten Anmerkungen.
Am 5. Februar 2004 übermittelten Sie mir ein Schreiben, in dem Sie den Wunsch äußerten, zusätzliche Anmerkungen zu übermitteln. Daraufhin setzte ich für Ihre zusätzlichen Anmerkungen eine Frist bis zum 31. März 2004 fest.
Am 8. Februar 2004 übermittelte Ihr Rechtsanwalt mir eine weitere rechtliche Stellungnahme.
Am 14. Februar 2004 übermittelten Sie mir ein weiteres Schreiben.
Am 21. März 2004 übermittelten Sie mir ein weiteres Schreiben, um mich über eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu unterrichten.
Am 20. April, 21. Juni und 15. August 2004 übermittelten Sie mir weitere Schreiben.
Ich möchte Ihnen nunmehr die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchung mitteilen.
Um Missverständnisse zu vermeiden, ist daran zu erinnern, dass der Europäische Bürgerbeauftragte aufgrund des EG-Vertrages befugt ist, mögliche Fälle von Missständen in der Verwaltungstätigkeit nur im Rahmen der Tätigkeiten von Gemeinschaftsorganen und -gremien zu untersuchen. Im Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten ist insbesondere vorgeschrieben, dass eine Beschwerde an den Bürgerbeauftragten keine Vorgehensweise einer anderen Behörde oder Person betreffen darf.
Die Untersuchung des Bürgerbeauftragten hinsichtlich Ihrer Beschwerde wurde daher zur Prüfung der Frage durchgeführt, ob es Missstände in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Kommission gegeben hat.
DIE BESCHWERDE
Die Beschwerde wurde im März 2003 von zwei deutschen Staatsangehörigen eingereicht und betraf den Vorwurf, dass die Europäische Kommission keine Klage beim Gerichtshof gegen Deutschland im Hinblick auf Rechtsvorschriften für bestimmte Hunderassen eingereicht habe.
Hintergrund der Beschwerde war eine Reihe gesetzgeberischer Maßnahmen auf regionaler und nationaler Ebene in Deutschland mit dem Ziel, die angebliche Gefährdung durch Hunde zu verringern oder zu beseitigen, die allgemein als „Kampfhunde“ bezeichnet werden. Die Maßnahmen wurden durch einen Vorfall im Jahr 2000 ausgelöst, als zwei Hunde einen sechsjährigen Jungen töteten. Die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall sind Eigentümer von Hunden, die zu den fraglichen Rassen gehören.
Im Juli 2000 unterrichteten die Beschwerdeführer die Kommission erstmals über bestehende oder vorgeschlagene deutsche Rechtsvorschriften und ersuchten die Kommission, Maßnahmen gegen Deutschland zu ergreifen. Die Beschwerdeführer erläuterten eine Situation, die ihres Erachtens zur ungerechtfertigten Tötung oder zu ungerechtfertigtem Leiden von Tausenden von Hunden führen werde. Die Kommission unterrichtete die Beschwerdeführer wiederholt darüber, dass sie die Angelegenheit prüfe und so bald wie möglich antworten werde.
In einem Schreiben vom 2. Oktober 2000 teilte die Generaldirektion (GD) Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission den Beschwerdeführern zusammengefasst Folgendes mit: Zum Ersten gebe die von den Beschwerdeführern beschriebene Situation in der Tat Anlass zur Besorgnis unter dem Aspekt des Tierschutzes. Ferner sei es den Mitgliedstaaten nicht gestattet, willkürlich tätig zu werden, wenn sie Maßnahmen verabschieden, die die Freizügigkeit für Tiere in der Europäischen Union negativ beeinflussen. Der Schutz von Menschen gegen bestimmte Hunderassen sei jedoch nicht auf Gemeinschaftsebene geregelt. Es sei daher Sache der nationalen Gerichte zu bewerten, ob auf nationaler Ebene verabschiedete Maßnahmen zum Schutz von Menschen mit Rechtsvorschriften über die Rechte der Tiere vereinbar seien.
Die Beschwerdeführer übermittelten der Kommission weitere Schreiben, in denen sie Sachverhalte erläuterten, die sie als willkürliches Töten und grausame Behandlung von Hunden betrachteten.
Am 23. November 2000 übermittelte das Kabinett von Kommissionsmitglied David Byrne den Beschwerdeführern ein Schreiben, in dem dargelegt wurde, dass die Befugnisse der Kommission im Hinblick auf den Schutz der Rechte von Tieren begrenzt seien. In dem Schreiben an die Beschwerdeführer wurde jedoch hervorgehoben, dass ein Aspekt, der für eine Prüfung durch die Kommission relevant sein könnte, das von Deutschland beabsichtigte Verbot der Einfuhr bestimmter spezifizierter Hunderassen sei, da dies die Freizügigkeit für Tiere in der Europäischen Union beeinträchtigen würde.
Am 13. Dezember 2000 unterrichtete die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission die Beschwerdeführer schriftlich darüber, dass die Kommission mit den deutschen Behörden im Rahmen der Richtlinie 98/34/EG(1) formell Kontakt aufgenommen habe. Unter Hinweis auf Artikel 28-30 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft habe die Kommission die deutschen Behörden ersucht, wissenschaftliche Nachweise zu übermitteln, um das geplante Verbot der Einfuhr des Staffordshire Bull Terrier, des Pitbull Terrier und des American Staffordshire Terrier zu rechtfertigen. Darüber hinaus habe die Kommission die deutschen Behörden ersucht, die in Frankreich und Großbritannien verabschiedeten weniger drastischen Maßnahmen in Erwägung zu ziehen.
Die Beschwerdeführer übermittelten der Kommission weitere Schreiben und erhielten eine Antwort vom 30. Januar 2001 von Kommissionsmitglied David Byrne, in dem der Inhalt des Schreibens vom 13. Dezember 2000 wiederholt wurde.
Die Beschwerdeführer übermittelten der Kommission weitere Schreiben, deren Eingang ihnen bestätigt wurde.
In einem Schreiben vom 14. Februar 2001 ersuchten die Beschwerdeführer die Kommission erneut, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland aufgrund deutscher nationaler Rechtsvorschriften für sogenannte gefährliche Hunderassen einzuleiten. Die Rechtsvorschriften enthielten Bestimmungen, durch die die Einfuhr und sonstige Freizügigkeit spezifizierter Hunderassen verboten würde. Offensichtlich handelt es sich bei den erwähnten Rechtsvorschriften um das Hundeverbringungs- und Einfuhrbeschränkungsgesetz(2), das am 12. April 2001 in Kraft getreten war.
In einem Schreiben vom 23. Februar 2001 unterrichtete die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission die Beschwerdeführer darüber, dass die Kommission noch immer keine Antwort von den deutschen Behörden erhalten habe.
Am 16. März 2001 bestätigte die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission den Eingang des Schreibens der Beschwerdeführer vom 14. Februar 2001 und teilte ihnen mit, dass sie unter ihrem Namen und unter dem Aktenzeichen 2001/4226 eine formale Vertragsverletzungsbeschwerde registriert habe.
In einem Schreiben vom 9. April 2001 unterrichtete die GD Gesundheit und Verbraucherschutz die Beschwerdeführer darüber, dass die Standpunkte der einzelnen Mitgliedstaaten in dieser Angelegenheit sehr unterschiedlich seien und dass die Kommission nicht über schlüssige Nachweise oder statistische Informationen verfüge, die es ermöglichten, eine Entscheidung über die Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen zu treffen. Ferner hieß es in dem Schreiben, dass es auf europäischer Ebene keine Definition des Begriffs „gefährlicher Hund“ gebe.
In der Folgezeit übermittelten die Beschwerdeführer der Kommission eine Reihe von Schreiben und Dokumenten, um nachzuweisen, dass das Konzept der inhärent aggressiven oder „gefährlichen“ Hunde jeder Grundlage entbehre.
Am 27. April 2001 übermittelte der Rechtsanwalt der Beschwerdeführer der Kommission eine rechtliche Stellungnahme, in der er erläuterte, dass die nationalen deutschen Rechtsvorschriften über Hunde ungerechtfertigt seien.
In einem Schreiben vom 8. Dezember 2001 bestätigte die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission gegenüber den Beschwerdeführern, dass die Kommission noch immer die Frage prüfe, ob Deutschland gegen das Recht auf Freizügigkeit verstoße.
Die Beschwerdeführer übermittelten der Kommission weitere Schreiben, für die sie im Gegenzug Eingangsbestätigungen erhielten.
Am 20. März 2002 übermittelte die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission den Beschwerdeführern ein Schreiben, das zusammengefasst folgende Informationen enthielt: die Kommission habe zahlreiche Beschwerden über die angebliche Misshandlung der betreffenden Hunde erhalten. Es sei jedoch sehr schwierig, eine Gemeinschaftsdimension festzustellen, die es der Kommission ermöglichen würde einzuschreiten, da die betreffende Frage der öffentlichen Sicherheit als subsidiäre Angelegenheit betrachtet werde, mit der sich ausschließlich die Mitgliedstaaten befassen müssten. Kommissionsmitglied Byrne (zuständig für Gesundheit und Verbraucherschutz) habe daher beschlossen, Bereichen des Tierschutzes mit einer klaren Gemeinschaftsdimension Vorrang einzuräumen.
In diesem Schreiben wurden die Beschwerdeführer ferner davon unterrichtet, dass Versuche, die Angelegenheit im Rahmen der für Justiz und Inneres, Agrarpolitik und Freizügigkeit zuständigen Generaldirektionen zur Sprache zu bringen, ebenso wenig erfolgreich gewesen seien.
Die Beschwerdeführer übersandten der Kommission weiteres Material und erhielten dafür Eingangsbestätigungen.
Am 29. August 2002 übermittelte die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission den Beschwerdeführern ein Schreiben, das ihre formale Schlussfolgerung hinsichtlich der Vertragsverletzungsbeschwerde 2001/4226 der Beschwerdeführer enthielt. In diesem Schreiben wurden die Beschwerdeführer darüber informiert, dass die GD Gesundheit und Verbraucherschutz der Kommission vorschlagen werde, das Dossier ihrer Vertragsverletzungsbeschwerde zu schließen. In dem Schreiben wurde kurz erklärt, dass die von den Beschwerdeführern übermittelten Schreiben und Dokumente nicht ausreichten, damit die Kommission Maßnahmen gegen Deutschland im Hinblick auf die betreffenden Rechtsvorschriften ergreifen könne. In dem Schreiben wurde hervorgehoben, dass die Kommission nur in den Fällen Maßnahmen ergreifen könne, in denen der fragliche Mitgliedstaat gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen habe. Gemäß den Verfahrensgarantien für Personen, die Vertragsverletzungs-beschwerden einreichen, wurde den Beschwerdeführern in dem Schreiben mitgeteilt, dass sie innerhalb eines Monats neue Nachweise zum Beleg ihrer Beschwerde einreichen könnten.
Am 8. September 2002 übermittelten die Beschwerdeführer der Kommission ihre Antwort mit zusätzlichen Dokumenten zur Unterstützung ihrer Beschwerde.
Am 16. Dezember 2002 unterrichtete die GD Gesundheit und Verbraucherschutz die Beschwerdeführer darüber, dass sie an ihrer Absicht festhalte, die Schließung des Dossiers mit ihrer Beschwerde zu empfehlen. Ein ähnliches Schreiben wurde den Beschwerdeführern am 13. Februar 2003 übermittelt. Die Beschwerdeführer übermittelten der Kommission weitere Schreiben und Dokumente, darunter ein Schreiben vom 27. Februar 2003, das an den Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Prodi, gerichtet war.
Am 25. März 2003 beantwortete die GD Gesundheit und Verbraucherschutz das Schreiben der Beschwerdeführer vom 27. Februar 2003 im Namen des Präsidenten der Europäischen Kommission. In diesem Schreiben wurde den Beschwerdeführern erneut mitgeteilt, dass die GD Gesundheit und Verbraucherschutz keinen Grund dafür sehe, der Kommission nicht vorzuschlagen, dass das Dossier ihrer Vertragsverletzungs-beschwerde geschlossen werden sollte. In dem Schreiben hieß es ferner, dass die Haltung und Zucht von als gefährlich geltenden Hunden eine rein nationale Angelegenheit sei und dass die Mitgliedstaaten daher berechtigt seien, die von ihnen für notwendig erachteten Maßnahmen zu ergreifen. In dem Schreiben wurde betont, dass die Mitgliedstaaten selbstverständlich verpflichtet seien, bei der Annahme solcher Maßnahmen das Gemeinschaftsrecht zu respektieren.
Anschließend übermittelten die Beschwerdeführer der Kommission weitere Schreiben.
Am 5. Mai 2003 übermittelten die Beschwerdeführer ihre Beschwerde dem Europäischen Bürgerbeauftragten. In ihrer Beschwerde vertraten die Beschwerdeführer die Auffassung, dass die Kommission ihre Vertragsverletzungsbeschwerde gegen Deutschland nicht rechtmäßig bearbeitet und daher kein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet habe.
DIE UNTERSUCHUNG
Die Stellungnahme der KommissionIn ihrer Stellungnahme zu der Beschwerde führte die Kommission folgende Punkte an:
1. Am 14. Februar 2001 hätten die Beschwerdeführer dem Generalsekretariat der Kommission einen deutschen Gesetzentwurf über als gefährlich eingestufte Hunde vorgelegt, der bestimmte Rassen im Interesse der öffentlichen Sicherheit verbot. In ihrer Beschwerde hätten die Beschwerdeführer die Ansicht vertreten, dass das deutsche Gesetz nicht mit dem gemeinsamen Besitzstand (acquis communautaire) in Einklang stehe.
2. Die Kommission habe die Beschwerde unter der Nummer 2001/4226 registriert. Die Beschwerdeführer seien darüber mit Schreiben vom 16. März 2001 informiert worden.
3. Die deutschen Behörden hätten das genannte Gesetz im Rahmen des Verfahrens der Richtlinie 98/34 gemeldet. Die Kommission habe festgestellt, dass das Verbot der Einfuhr bestimmter Hunderassen nach Deutschland nicht mit Artikel 28 des EG-Vertrags sowie mit Artikel 4 der Verordnung 827/68/EWG vereinbar sei, weil es eine Einschränkung des freien Warenverkehrs mit sich bringe. Auf die Anmerkungen der Kommission hin sei von Deutschland eine Verordnung verabschiedet worden(3), die Ausnahmen von diesem Einfuhrverbot vorsehe, um die Einhaltung der oben genannten Vertragsbestimmungen sicherzustellen.
4. Nach einer Prüfung des Wortlauts des Erlasses und einer sorgfältigen Auswertung aller Elemente der Beschwerde habe die Kommission beschlossen, den Fall abzuschließen, weil sie zu der Ansicht gelangt sei, dass Deutschland nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Prüfung, die die Dienststellen der Kommission in diesem Fall vorgenommen hätten, sei besonders gründlich und unter Mitwirkung mehrerer Dienststellen der Kommission erfolgt. Die Generaldirektionen für Landwirtschaft, für Justiz und Inneres und für Binnenmarkt seien zu der Angelegenheit konsultiert worden.
5. Die Stellungnahme der Kommissionsdienststellen in dieser Angelegenheit sei den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 29. August 2002 in einer Zusammenfassung übermittelt worden. Die Beschwerdeführer seien insbesondere darüber informiert worden, dass angesichts der Ergebnisse der Prüfungen durch die Kommissionsdienststellen vorgeschlagen werden würde, dass die Kommission den Fall abschließen solle.
6. Da die Beschwerdeführer in ihrem Schreiben vom 8. September 2002 keine neuen zweckdienlichen Informationen beigebracht hätten, sei am 16. Oktober 2002 beschlossen worden, den Fall zu den Akten zu legen.
7. Die Entscheidung der Kommission, den Fall abzuschließen, habe auf der Tatsache beruht, dass die von den Beschwerdeführern angeführten Aspekte nicht Gegenstand des gemeinsamen Besitzstandes (acquis communautaire) seien.
8. Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die dem Europäischen Bürgerbeauftragten vorgelegte Beschwerde keinerlei Kritik an dem in der Angelegenheit angewandten Verfahren beinhalte. Die Beschwerdeführer seien in der Hauptsache nicht zufrieden damit, dass die Kommission aufgrund der fehlenden Rechtsgrundlage nicht gegen Deutschland vorgehen könne, und hätten lediglich allgemeine Anschuldigungen über die „falsche Politik“ der deutschen Behörden geäußert, die nach Ansicht der Beschwerdeführer von der Kommission unterstützt werde. Die Beschwerde enthalte in der Tat erneut dieselben Aspekte, mit denen sich die Kommission in ihren Schreiben an die Beschwerdeführer im Laufe der letzten drei Jahre beschäftigt habe.
Die Anmerkungen der BeschwerdeführerDie Beschwerdeführer übermittelten ihre Anmerkungen mit Schreiben vom 21. Januar, 8. Februar und 23. Februar 2004. Zusammenfassend wurde in diesen Schreiben dargelegt, dass die nationale deutsche Rechtsvorschrift gegen den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft verstoße, weil die darin enthaltene Handelsbeschränkung nicht gerechtfertigt sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführer war dieser Verstoß in keiner Weise durch die in der Stellungnahme der Kommission genannte deutsche Verordnung beseitigt worden. Die Beschwerdeführer hielten daher ihre Anschuldigung aufrecht, dass die Kommission klare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nicht beachtet habe.
Am 26. März 2004 wiesen die Beschwerdeführer den Bürgerbeauftragten auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts(4) hin. Diese Entscheidung, die am 16. März 2004 veröffentlicht wurde, betreffe die Rechtmäßigkeit der nationalen deutschen Rechtsvorschrift über Hunde. Es sei vor Gericht um die Behauptung gegangen, dass die Rechtsvorschrift unverhältnismäßig und wissenschaftlich ungerechtfertigt sei und dass die Rechtsvorschrift einen Verstoß gegen die Freizügigkeit in der Gemeinschaft darstelle. In seinem Beschluss habe das Gericht ausdrücklich festgestellt, dass er nicht die Vereinbarkeit dieser Rechtsvorschrift mit dem Gemeinschaftsrecht prüfen könne (Teil B, II, Randnr. 55). Das Gericht habe jedoch geprüft, ob das Einfuhrverbot verhältnismäßig und wissenschaftlich gerechtfertigt sei. Zwar habe das Gericht anerkannt, dass die Wissenschaftler offensichtlich konsequent darin übereinstimmen, dass die Gefährlichkeit eines Hundes nicht ausschließlich von der genetischen Ausstattung des Hundes hergeleitet werden könne. Es habe jedoch auch festgestellt, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Gene zum Grad der Gefährlichkeit beitragen könnten (Teil C, I, Randnr. 75). Das Gericht sei daher zu der Schlussfolgerung gelangt, dass der deutsche Gesetzgeber angesichts des hohen Wertes, der dem menschlichen Leben in der deutschen Verfassung eingeräumt werde, eine adäquate Grundlage für den Erlass der fraglichen Rechtsvorschrift habe (Teil C, I, Randnr. 79) und dass diese Rechtsvorschrift verhältnismäßig sei (Teil C, I, Randnr. 80).
DIE ENTSCHEIDUNG
1 Einleitende Bemerkung1.1 Zusätzlich zu ihrer Anschuldigung, dass die Kommission klare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht nicht beachtet und daher kein Vertragsverletzungs-verfahren gegen Deutschland eingeleitet habe, erhoben die Beschwerdeführer die Anschuldigung, dass die Kommission es fälschlicherweise unterlassen habe, Maßnahmen im Hinblick auf die Behandlung von Hunden durch deutsche Behörden in Deutschland vorzuschlagen.
Die Kommission hat dargelegt, dass die Europäische Union keinerlei Befugnis zur Gesetzgebung oder anderweitigen Behandlung von Fragen im Bereich des Tierschutzes habe, auf die die Beschwerdeführer Bezug nehmen, und dass die Kommission daher nicht in der Lage sei, in diesem Zusammenhang irgendwelche Maßnahmen vorzuschlagen oder anzunehmen. Diese Schlussfolgerung war offensichtlich das Ergebnis eines extensiven Dialogs mit den Mitgliedstaaten über die Frage, ob das Subsidiaritätsprinzip ein Eingreifen der Union ermöglichen würde.
1.2 Im Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und im Statut des Europäischen Bürger-beauftragten sind die Bedingungen für die Zulässigkeit einer Beschwerde genau festgelegt. Der Bürgerbeauftragte kann nur dann mit einer Untersuchung beginnen, wenn diese Bedingungen erfüllt sind. Eine dieser Bedingungen ist in Artikel 2.2 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten(5) enthalten:
„Jeder Bürger der Union … kann den Bürgerbeauftragten … mit einer Beschwerde über einen Missstand bei der Tätigkeit der Organe … befassen …“
Beschwerden betreffend die Befugnisse der Kommission, Rechtsvorschriften vorzuschlagen, betreffen keine möglichen Missstände in der Verwaltungstätigkeit, sondern eine politische Befugnis dieses Organs. Der Bürgerbeauftragte ist daher nicht der Ansicht, dass es im Rahmen seiner Befugnisse läge, die Anschuldigung der Beschwerdeführer zu prüfen, dass die Kommission es fälschlicherweise unterlassen habe, Maßnahmen im Hinblick auf die Behandlung von Hunden in Deutschland vorzuschlagen.
2 Vorwurf der Nichtbeachtung klarer Vertragsverletzungen durch die Kommission2.1 In ihrer Vertragsverletzungsbeschwerde an die Kommission erhoben die Beschwerdeführer die Anschuldigung, dass deutsche Rechtsvorschriften über die Einfuhr und Haltung bestimmter Hunderassen gegen Gemeinschaftsrecht verstießen. Sie forderten, dass die Kommission Maßnahmen gegen Deutschland ergreifen solle. Die Kommission registrierte die Beschwerde und unterrichtete die Beschwerdeführer entsprechend. Die Kommission unterrichtete die Beschwerdeführer im folgenden darüber, dass sie aufgrund ihrer Prüfung der Angelegenheit Deutschland nicht beim Gerichtshof verklagen werde.
In ihrer Beschwerde an den Bürgerbeauftragten erhoben die Beschwerdeführer die Anschuldigung, dass die Kommission klare Verstöße gegen Gemeinschaftsrecht nicht beachtet habe.
2.2 In ihrer Stellungnahme erläuterte die Kommission, dass die deutschen Behörden das genannte Gesetz im Rahmen des Verfahrens der Richtlinie 98/34(6) gemeldet hätten. Die Kommission habe festgestellt, dass das von Deutschland beabsichtigte Verbot der Einfuhr bestimmter spezifizierter Hunderassen mit Artikel 28 des Vertrags sowie mit Artikel 4 der Verordnung 827/68/EWG(7) nicht vereinbar sei, weil es eine Einschränkung des freien Warenverkehrs mit sich bringe. Auf die Anmerkungen der Kommission hin sei von Deutschland eine Verordnung verabschiedet worden(8), die Ausnahmen von diesem Einfuhrverbot vorsehe, um die Einhaltung der oben genannten Vertragsbestimmungen sicherzustellen.
Nach einer Prüfung des Wortlauts des Erlasses und einer sorgfältigen Auswertung aller Elemente der Beschwerde habe die Kommission beschlossen, den Fall abzuschließen, weil sie zu der Ansicht gelangt sei, dass Deutschland nicht gegen Gemeinschaftsrecht verstoße. Die Prüfung, die die Dienststellen der Kommission in diesem Fall vorgenommen hätten, sei besonders gründlich und unter Mitwirkung mehrerer Dienststellen der Kommission erfolgt. Die Generaldirektionen für Landwirtschaft, für Justiz und Inneres und für Binnenmarkt seien zu der Angelegenheit konsultiert worden.
2.3 In ihren Anmerkungen erhielten die Beschwerdeführer ihre Anschuldigung aufrecht.
2.4 Der Bürgerbeauftragte erinnert daran, dass seine vorliegende Untersuchung der Prüfung der Frage dient, ob es Missstände bei den Tätigkeiten der Europäischen Kommission gegeben hat. Dies bedeutet, dass der Bürgerbeauftragte prüft, ob die Kommission die Vertragsverletzungsbeschwerde gemäß ihren Verpflichtungen im Hinblick auf eine gute Verwaltungspraxis behandelt hat und ob sie ihre Schlussfolgerung im Rahmen der rechtlichen Befugnisse der Kommission und ohne offensichtliche Fehler bei der Bewertung gezogen hat.
Aus den dem Bürgerbeauftragten vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass die Kommission die deutschen Behörden davon unterrichtet hat, dass die einschlägige deutsche Rechtsvorschrift ihres Erachtens gegen Gemeinschaftsrecht verstieß, und dass dies zur Annahme einer deutschen Verordnung zur Beseitigung des Verstoßes führte. Ferner geht daraus hervor, dass die Kommission daraufhin zu der Schlussfolgerung gelangte, dass Deutschland nicht mehr gegen Gemeinschaftsrecht verstoße, eine Schlussfolgerung, die sich nach extensiven dienststellenübergreifenden Konsultationen ergab.
Aufgrund dieses Sachverhalts ist der Bürgerbeauftragte nicht der Ansicht, dass die Anschuldigung der Beschwerdeführer, der zufolge die Kommission klare Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht unbeachtet gelassen habe, als begründet anzusehen ist. Es liegt daher kein Verwaltungsmissstand auf Seiten der Kommission vor.
3 SchlussfolgerungAufgrund der Untersuchung dieser Beschwerde durch den Bürgerbeauftragten hat sich ergeben, dass kein Verwaltungsmissstand auf Seiten der Europäischen Kommission vorliegt. Der Bürgerbeauftragte schließt den Fall daher ab.
Der Präsident der Europäischen Kommission wird ebenfalls über diese Entscheidung unterrichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Professor Dr. P. Nikiforos DIAMANDOUROS
(1) Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 204 von 1998, S. 37.
(2) Bundesgesetzblatt I 2001, Nr. 16, S. 530.
(3) Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland, 3. April 2002, BGBl. I 2002, 1248.
(4) Beschluss des Gerichts vom 16. März 2004 (BVerfG, 1 BvR 1778/01 vom 16.3.2004).
(5) ABl. L 113 von 1994, S. 15.
(6) Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und den Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften, ABl. L 204 von 1998, S. 37.
(7) Verordnung (EWG) Nr. 827/68 des Rates vom 28. Juni 1968 über die Gemeinsame Marktorganisation für bestimmte in Anhang II des Vertrags aufgeführte Erzeugnisse, ABl. L 151 von 1968, S. 16.
(8) Verordnung über Ausnahmen zum Verbringungs- und Einfuhrverbot von gefährlichen Hunden in das Inland, 3. April 2002, BGBl. I 2002, 1248.
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