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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1402/2002/GG gegen die Europäische Kommission


Straßburg, den 26. November 2003

Sehr geehrter Herr T.,

am 30. Juli 2002 legten Sie dem Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde vor, welche die angebliche Weigerung der Europäischen Kommission betraf, Ihnen Auskünfte zu erteilen.

Am 30. August 2002 leitete der Bürgerbeauftragte die Beschwerde an den Präsidenten der Kommission weiter. Die Kommission sandte ihre Stellungnahme am 12. Dezember 2002. Der Bürgerbeauftragte leitete diese Stellungnahme am 16. Dezember 2002 an Sie weiter und bot Ihnen an, Anmerkungen zu ihr zu machen. Am 14. Januar 2003 sandten Sie Ihre Anmerkungen.

Am 24. Januar 2003 sandte der Bürgerbeauftragte Ihre Anmerkungen an die Kommission und bat diese, zu ihnen Stellung zu nehmen. Die Kommission sandte ihre weitere Stellungnahme am 25. Februar 2003. Der Bürgerbeauftragte leitete diese Stellungnahme am 4. März 2003 an Sie weiter und bot Ihnen an, Anmerkungen zu ihr zu machen. Am 5. März 2003 sandten Sie Ihre Anmerkungen.

Am 21. Mai 2003 unterbreitete ich der Kommission einen Vorschlag für eine einvernehmliche Einigung. Die Kommission antwortete hierauf am 14. Juli 2003. Ich leitete diese Antwort am 21. Juli 2003 an Sie weiter und bot Ihnen an, Anmerkungen zu ihr zu machen. Am 25. Juli 2003 sandte ich Ihnen die deutsche Übersetzung der Antwort der Kommission.

Am 19. August 2003 sandten Sie Ihre Anmerkungen zu der Antwort der Kommission.

Am 3. September 2003 bat ich die Kommission um weitere Informationen zu Ihrer Beschwerde. Die Kommission sandte ihre Antwort am 29. September 2003. Ich leitete diese Antwort am 6. Oktober 2003 an Sie weiter und bot Ihnen an, bis spätestens 15. November 2003 Anmerkungen zu ihr zu machen.

Von Ihnen gingen keine Anmerkungen ein. Bei einem Telefongespräch mit meiner Dienststelle am 17. November 2003 betonten Sie, dass Sie es für bedauerlich hielten, dass Sie sich an mich wenden hatten müssen, um die fraglichen Auskünfte zu erhalten. Sie bestätigten jedoch, dass eine einvernehmliche Einigung herbeigeführt worden sei.

Ich schreibe Ihnen heute, um Ihnen die Ergebnisse der durchgeführten Prüfung mitzuteilen.


DIE BESCHWERDE

Der Beschwerdeführer ist der Brüsseler Korrespondent der deutschen Wochenzeitschrift „Stern“. Seit Februar 2002 berichtet die Zeitschrift über eine Reihe angeblicher finanzieller Unregelmäßigkeiten bei der Europäischen Kommission und vor allem bei Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Gemeinschaften (einer der Generaldirektionen der Kommission). Der Beschwerdeführer legte Kopien von schriftlichen Anfragen und Schreiben, die er am 12. März 2002, 26. März 2002, 28. März 2002, 5. April 2002, 8. Juli 2002, 22. Juli 2002, 26. Juli 2002 und 7. August 2002 an die Kommission gerichtet hatte, sowie einige Antworten der Kommission vor. Mehrere dieser Fragen betrafen die Verträge, die eine Firma namens Eurogramme mit Eurostat abgeschlossen hatte.

Der Beschwerdeführer trug vor, die Kommission habe immer wieder Informationen mit der Begründung verweigert, dass die entsprechenden Fragen laufende Untersuchungen des Europäischen Betrugsbekämpfungsamtes OLAF beträfen. Nach Aussage des Beschwerdeführers verweigerte die Kommission gelegentlich sogar einfache Informationen wie diese, welche Verträge die Kommission mit einer bestimmten Firma abgeschlossen hat. Der Beschwerdeführer vertrat die Ansicht, dass das Verhalten der Kommission inkorrekt sei und die Bemühungen der Zeitschrift behindere, die Öffentlichkeit über die entsprechenden Fragen zu informieren.

Der Beschwerdeführer brachte zur Untermauerung seiner Beschwerde eine Reihe von Argumenten vor. So führte er erstens an, dass die Kommission in keiner Weise begründet habe, wie die Herausgabe der gewünschten Informationen die Ermittlungen von OLAF beeinträchtigen könnte. Vielmehr habe seiner Meinung nach die Berichterstattung in der Presse die OLAF-Untersuchungen offenbar eher beschleunigt. Zweitens, so der Beschwerdeführer, habe es keinerlei Beleg dafür gegeben, dass OLAF die Kommission aufgefordert hat, die betreffenden Informationen zu verweigern. Drittens argumentierte der Beschwerdeführer, dass OLAF-Untersuchungen oft extrem lange dauern. So würden im Falle einiger der Vorwürfe gegen Eurostat die Untersuchungen bereits seit 1998 laufen. Die Kommission könnte daher Basisinformationen über Jahre hinweg verweigern, ganz zu schweigen von sich an die Untersuchungen anschließenden strafrechtlichen Ermittlungen oder Verwaltungsuntersuchungen, die ebenfalls als Begründung für eine Informationsverweigerung benutzt werden könnten. Viertens führte der Beschwerdeführer an, dass die Kommission willkürlich entschieden habe, da sie Fragen zu Themen, die Gegenstand von OLAF-Untersuchungen waren, gelegentlich akzeptierte, in anderen Fällen aber nicht beantwortete. Schließlich habe die Kommission selbst offenbar willkürlich die Begründungen gewechselt, mit denen sie Antworten verweigerte. So habe ihm die Kommission in einem Falle zunächst mitgeteilt, die entsprechenden Punkte würden zur Zeit geprüft. Danach sei ihm schriftlich mitgeteilt worden, die betreffenden Fragen könnten „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ nicht beantwortet werden, und schließlich habe er die Information bekommen, dass die betreffenden Informationen deshalb nicht gegeben werden könnten „da sie sich zum Teil auf eine laufende OLAF-Untersuchung beziehen“.

Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Kommission die ihr seit März 2002 ergebnislos vorgelegten Fragen nunmehr beantworten solle.

DIE UNTERSUCHUNG

Stellungnahme der Kommission

In ihrer Stellungnahme führte die Kommission Folgendes aus:

Der Kodex der Kommission für gute Verwaltungspraxis gelte gleichermaßen für Auskunftsersuchen durch Bürger wie für Auskunftsersuchen durch die Medien. Die Medien (also Journalisten) hätten nach dem derzeit geltenden Kodex keine besonderen oder über das im Kodex für Anfragen der allgemeinen Öffentlichkeit festgelegte Maß hinausgehenden Rechte.

Der Presse- und Informationsdienst habe sich genau an die vorgegebenen Fristen gehalten, wonach eine Antwort innerhalb von fünfzehn Tagen nach Eingang einer Anfrage zu übermitteln sei. Die Kommission räume jedoch ein, dass auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 5. April 2002 keine Antwort erging, und entschuldige sich für dieses Versäumnis.

Der Eindruck, die Kommission handele bei ihren Entscheidungen über Anfragen zu sensiblen Informationen willkürlich, sei dadurch entstanden, dass je nach Lage des Einzelfalls entschieden werden muss. Die Anfragen des Beschwerdeführers zu Tatsacheninformationen seien von der Kommission ordnungsgemäß beantwortet worden. Die meisten der in der Beschwerde genannten Anfragen hätten sich jedoch nicht auf einfache vorliegende Informationen bezogen, sondern erfordert, dass die Kommission in ihrer Antwort formell Stellung zu spezifischen Punkten nimmt. In dieser Hinsicht verfüge die Kommission über einen Ermessensspielraum, wie und wann sie eine Position beziehen will, und sie könne sich daher vorbehalten, sich zu einer Frage nicht zu äußern.

Hinsichtlich der Behauptung, die Kommission habe die Beantwortung von Fragen mit dem Argument verweigert, die Informationen seien Gegenstand einer OLAF-Untersuchung, wolle die Kommission anmerken, dass Fragen zu einer Angelegenheit, die Gegenstand einer derartigen Untersuchung ist, unmittelbar an OLAF gerichtet werden sollten. Sollte sich zeigen, dass ein Ersuchen Unterlagen betrifft, die im Zusammenhang mit einer OLAF-Untersuchung stehen, würde die Kommission das Ersuchen gemäß ihrer Geschäftsordnung zuständigkeitshalber an OLAF verweisen.

Alle Ersuchen um Unterlagen würden nach der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang zu Dokumenten behandelt. Nach Ansicht der Kommission falle die Anfrage des Beschwerdeführers - nämlich die Bitte um eine Aufstellung aller bestehenden Verträge mit einem bestimmten Unternehmen - in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung. Es gebe keine Datenbank, die eine umfassende Liste der Verträge liefern könnte. Eine Liste der „Verpflichtungen“ gegenüber Unternehmen mit der Bezeichnung „Eurogramme“ liege allerdings vor und diese sei verwendet worden, um eine Aufstellung der Verträge manuell zu erstellen, in Zusammenarbeit mit den einzelnen Generaldirektionen. Die Kommission sei der Ansicht, dass in diesem besonderen Fall die angeforderte Liste keine Dokument darstellt, das unter eine der Ausnahmen der Verordnung fällt, und sie folglich dem Beschwerdeführer überlassen werden kann.

Eine Kopie der Liste der mit Eurogramme geschlossenen Verträge war der Stellungnahme der Kommission in der Anlage beigefügt.

Anmerkungen des Beschwerdeführers

In seinen Anmerkungen hielt der Beschwerdeführer seine Beschwerde aufrecht und führte die folgenden weiteren Aspekte an:

Die Pflicht von Behörden zur Auskunftserteilung sei im Presserecht der Mitgliedstaaten verankert und außerdem im Grundsatz der Pressefreiheit begründet, der in der gesamten Union Gültigkeit habe. Auch die Charta der Grundrechte erwähne das Recht auf „Informationsfreiheit“.

Selbstverständlich habe die Kommission das Recht zu entscheiden, wie und wann sie eine Position beziehen will. Die der Kommission vorgelegten Fragen hätten jedoch keine Meinungsäußerungen der Kommission betroffen, sondern auf solche Fakten gezielt wie Kommissionsentscheidungen, Verwaltungsakte sowie öffentlich oder in Dokumenten erhobene Vorwürfe, zu denen der Beschwerdeführer eine Bestätigung oder ein Dementi erbat. Die Frage, welche Konsequenzen die Kommission aus Fällen von schlechtem Umgang mit Gemeinschaftsgeldern gezogen hat, sei keine Frage nach einer Meinungsäußerung gewesen, sondern habe darauf gezielt zu erfahren, was die Kommission tatsächlich getan hat. Wenn sie nichts getan habe, sei auch dies eine Tatsache, auf deren Kenntnis die Öffentlichkeit ein Anrecht habe.

Der Verweis der Kommission, dass Anfragen direkt an OLAF gerichtet werden könnten, sei irreführend. OLAF verweigere praktisch stets alle Auskünfte zu laufenden Untersuchungen. Überdies hätten sich die Fragen des Beschwerdeführers nicht auf laufende OLAF-Untersuchungen, sondern auf Fakten im Bereich der Kommission bezogen.

Irreführend sei auch die Behauptung der Kommission, sie habe ihren Kodex für gute Verwaltungspraxis mit einer Ausnahme eingehalten. Tatsächlich lasse die Kommission häufig Fragen zu sensitiven Themen (wie das Buchhaltungssystem der Kommission oder rechtlich umstrittene Gehaltsbestandteile der Kommissare) unbeantwortet. Dies betreffe die Anfragen vom 7. Juni 2002, 16. Juni 2002 und 22. Juli 2002 (zur Vorlage eines Berichts) vollständig und die Anfrage vom 2. Juni 2002 teilweise.

Der Beschwerdeführer machte geltend, dass die Kommission ihre Verwaltungspraxis ändern und seine Fragen beantworten solle.

Kopien der Fragen vom 2. Juni 2002, 7. Juni 2002, 16. Juni 2002 und 22. Juli 2002(1) waren den Anmerkungen des Beschwerdeführers in der Anlage beigefügt.

Weitere Untersuchungen

Nach sorgfältiger Prüfung der Stellungnahme der Kommission und der Anmerkungen des Beschwerdeführers zeigte sich, dass weitere Untersuchungen erforderlich waren. Der Bürgerbeauftragte forderte daher die Kommission auf, sich zu den Anmerkungen des Beschwerdeführers zu äußern.

Die zweite Stellungnahme der Kommission

In ihrer zweiten Stellungnahme führte die Kommission Folgendes aus:

Der Beschwerdeführer habe nicht angegeben, auf welchen Artikel der Charta er sich im Zusammenhang mit der angeführten „Informationsfreiheit“ stützte. Die Kommission gehe jedoch davon aus, dass sich der Beschwerdeführer auf die Artikel 11 („Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit“) und 42 („Recht auf Zugang zu Dokumenten“) dieser Charta bezog.

Artikel 42 der Charta habe genau den gleichen Wortlaut wie Artikel 255 EG-Vertrag. Die Grundsätze und Einschränkungen hinsichtlich des Zugangs der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission seien in der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates niedergelegt.

Der Kodex der Kommission für gute Verwaltungspraxis enthalte eine Verpflichtung, Anfragen in angemessener Weise und so schnell wie möglich zu beantworten. Er verpflichte die Kommissionsbediensteten nicht, alle gewünschten Informationen zur Verfügung zu stellen. Gemäß dem Kodex könne ein Bediensteter sich auf den Standpunkt stellen, dass die Information im Interesse der Gemeinschaft nicht verbreitet werden darf. In diesem Fall sollten die Gründe für die Verweigerung erläutert werden.

Was das angebliche Fehlen einer Begründung der Kommission für die Verweigerung der Information angehe, sei die Kommission der Auffassung, dass die laufenden OLAF-Untersuchungen und die laufenden kommissionsinternen Untersuchungen einen hinreichenden Grund für die Verweigerung darstellen.

Alle Anfragen des Beschwerdeführers zu reinen Tatsacheninformationen seien entweder ordnungsgemäß beantwortet worden oder es sei dazu mitgeteilt worden, dass sich die Kommission wegen einer laufenden Untersuchung zu einem speziellen Punkt zu diesem Zeitpunkt nicht äußern könne.

Fragen zu Angelegenheiten, die Gegenstand einer laufenden Untersuchung von OLAF sind, sollten unmittelbar an OLAF gerichtet werden. Es sei jedoch festzustellen, dass die allgemeine Praxis von OLAF dahin geht, zu laufenden Untersuchungen niemals Auskünfte zu geben. Die Kommission vertrete gleichermaßen die Auffassung, dass es nicht angemessen sei, Informationen offen zu legen, die sich auf die ordnungsgemäße Durchführung von Untersuchungen nachteilig auswirken könnten. Der Schutz des Zwecks von Untersuchungen sei zudem eine der in der Verordnung Nr. 1049/2001 ausdrücklich niedergelegten Ausnahmen vom Recht auf Zugang zu Dokumenten.

Zu den Anfragen vom 2. Juni 2002, 7. Juni 2002, 16. Juni 2002 und 22. Juli 2002: Die erste dieser Anfragen sei am 5. Juni 2002 schriftlich beantwortet worden. Die in den Anfragen vom 7. Juni und 22. Juli 2002 enthaltenen Fragen seien telefonisch beantwortet worden. Was die Anfrage vom 16. Juni 2002 betreffe, so sei der Beschwerdeführer gebeten worden, die Fragen zu den Berichtigungskoeffizienten an den zuständigen Sprecher, Herrn M., zu richten. Herrn M. seien diese Fragen nicht zugegangen und sie seien ihm persönlich nicht bekannt gewesen. Deshalb sei keine Antwort erfolgt. Die Kommission habe jedoch festgestellt, dass die Fragen des Beschwerdeführers praktisch identisch seien mit einigen von der Abgeordneten des EP Gabriele Stauner in den schriftlichen Anfragen P-1805/02 und E-2807/02 aufgeworfenen Fragen.

Auszüge aus der Antwort der Kommission an Frau Stauner waren der zweiten Stellungnahme der Kommission in der Anlage beigefügt.

Die Anmerkungen des Beschwerdeführers

In seinen Anmerkungen zur zweiten Stellungnahme der Kommission äußerte sich der Beschwerdeführer wie folgt:

Wenn die Kommission der Meinung sein sollte, dass es auf europäischer Ebene keine Pflicht zur Auskunftserteilung an Journalisten gebe, dann weise sie damit einerseits auf eine beachtliche Lücke in der europäischen Gesetzgebung hin, die die Kommission aufgerufen wäre, mit einem Gesetzesvorschlag zu schließen. Andererseits befreie sie das nicht von der Pflicht, bei der Auskunftserteilung auf der Grundlage klarer und einheitlicher Prinzipien zu handeln.

Genau dies geschehe aber nicht. Die Kommission benutze den Verweis auf OLAF-Untersuchungen willkürlich. Einmal gebe sie Auskünfte, ein andermal nicht. Dies bestimme sie nicht danach, ob OLAF-Untersuchungen stattfinden oder nicht, sondern aus Gründen, die nicht erklärt werden.

Die Kommission sei natürlich berechtigt, in genau umschriebenen Fällen (etwa Disziplinarverfahren) Auskünfte zu verweigern, um beispielsweise Persönlichkeitsrechte zu schützen. Dann müsse sie dies aber auch genauso detailliert begründen. Der pauschale Verweis auf OLAF-Untersuchungen reiche nicht aus.

Es sei erfreulich, dass eine der Fragen - die betreffend Eurogramme - mittlerweile beantwortet wurde. Allerdings sei es kritikwürdig, dass dafür erst eine Beschwerde beim Bürgerbeauftragten nötig war.

Die Fragen vom 7. Juni 2002 und vom 22. Juli 2002 seien weder schriftlich noch mündlich beantwortet worden. Bezeichnenderweise habe die Kommission auch keinerlei Belege für eine Beantwortung genannt. Weder sei eine Person genannt worden, die die Fragen beantwortet hätte, noch ein Tag, an dem das geschehen sein soll. In seinem Schreiben vom 22. Juli 2002 habe er (der Beschwerdeführer) auf die Nichtbeantwortung der Anfrage vom 7. Juni 2002 verwiesen. Die Kommission habe damals dieser Tatsache nicht widersprochen.

Betreffend die Anfrage vom 16. Juni 2002 sei er davon ausgegangen, dass die entsprechenden Fragen an Herrn M. weitergeleitet würden.

Die Anfrage vom 2. Juni 2002 sei in der Tat beantwortet worden. Allerdings habe die Antwort die meisten der Fragen offen gelassen. Darauf habe er in seinen Schreiben vom 7. Juni 2002 und 22. Juli 2002 hingewiesen.

Abschließend machte der Beschwerdeführer geltend, dass die betreffenden Fragen schriftlich beantwortet werden sollen.

DIE BEMÜHUNGEN DES BÜRGERBEAUFTRAGTEN, EINE EINVERNEHMLICHE LÖSUNG HERBEIZUFÜHREN

Nach sorgfältiger Prüfung der Stellungnahmen und Anmerkungen war der Bürgerbeauftragte nicht der Überzeugung, dass die Kommission hinreichend auf alle Vorwürfe des Beschwerdeführers eingegangen war.

Der Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung

Nach Artikel 3 Absatz 5 des Statuts des Bürgerbeauftragten(2) ist der Bürgerbeauftragte angehalten, sich zusammen mit der betreffenden Institution soweit wie möglich um eine Lösung, durch die der Missstand beseitigt und der eingereichten Beschwerde stattgegeben werden kann, zu bemühen.

Der Bürgerbeauftragte unterbreitete daher der Kommission den folgenden Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung:

Die Europäische Kommission sollte die Bereitstellung der vom Beschwerdeführer geforderten Informationen in Betracht ziehen, sofern es keine triftigen Gründe gibt, dies nicht zu tun.

Dieser Vorschlag beruhte auf folgenden Erwägungen:

1 Ausgehend von den Anmerkungen des Beschwerdeführers und den Stellungnahmen der Kommission geht der Bürgerbeauftragte davon aus, dass der Beschwerdeführer noch die Beantwortung der folgenden Fragen wünscht: Fragen 6 bis 9 der Anfrage vom 12. März 2002, Fragen 1 bis 8 und Frage 10 der Anfrage vom 26. März 2002, Fragen 1 bis 4 der Anfrage vom 28. März 2002, Fragen 2 bis 8 der Anfrage vom 2. Juni 2002, Anfrage vom 7. Juni 2002 und Anfrage (zur Vorlage eines Berichts) vom 22. Juli 2002.

2 Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten gehört es zur guten Verwaltungspraxis, von Bürgern geforderte Informationen zur Verfügung zu stellen, sofern es keine triftigen Gründe für eine Verweigerung gibt. Es sollte daran erinnert werden, dass entsprechend Artikel 1 des Vertrags über die Europäische Union Entscheidungen möglichst offen und möglichst bürgernah getroffen werden sollen. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten kann nur eine transparente und dienstleistungsorientierte Verwaltung dieser Anforderung gerecht werden. Auch sollte in diesem Zusammenhang in Betracht gezogen werden, dass die Medien eine wichtige Rolle bei der Information der Bürger über die Arbeit der EU spielen und die Bürger so in die Lage versetzen, von den Institutionen und Organen der EU Rechenschaft zu verlangen.

3 Der Bürgerbeauftragte vertritt die Meinung, dass in diesem Zusammenhang zwischen einem Auskunftsersuchen und einem Ersuchen um Stellungnahme zu einem spezifischen Punkt unterschieden werden muss. Da der Beschwerdeführer anerkennt, dass die Kommission selbst entscheiden kann, wie und wann sie eine Position zu einem spezifischen Punkt beziehen will, muss an dieser Stelle nur auf die der Kommission vorgeworfene Nichtbeantwortung von Auskunftsersuchen eingegangen werden. Die Kommission führt an, dass sich viele der Fragen nicht auf einfache vorliegende Informationen bezogen hätten, sondern von der Kommission eine förmliche Stellungnahme zu spezifischen Punkten erforderten. Eine Prüfung der vom Beschwerdeführer eingereichten Unterlagen zeigt, dass dieses Argument nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Der Bürgerbeauftragte stellt jedoch fest, dass sich mehrere Fragen auch auf einfache vorliegende Informationen beziehen, wie etwa Frage 10 der Anfrage vom 26. März 2002 (in der der Beschwerdeführer anfragt, ob es wahr sei, dass Aufträge, die früher von einer bestimmten Firma für jährlich 1,5 Mio. € ausgeführt wurden, nunmehr für jährlich 500 000 € einer anderen Firma übertragen worden sind) oder Frage 3 der Anfrage vom 28. März 2002 (in der gefragt wird, was die Kommission unternommen habe, um ihre gegenüber einer bestimmten Firma bestehenden Forderungen einzutreiben).

4 Wenn ein Bürger um Informationen ersucht, die ihm nach Auffassung der Verwaltung nicht gegeben werden können, so gebietet es die gute Verwaltungspraxis, den Antragsteller über die Gründe für die Verweigerung der von ihm geforderten Informationen zu unterrichten. Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission darauf beschränkt festzustellen, dass die entsprechenden Informationen deshalb nicht bereitgestellt werden könnten, weil sie Themen betreffen, die Gegenstand von OLAF-Untersuchungen sind.

5 Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass die Verwaltung berechtigt ist, Informationen zu verweigern, die sich auf die ordnungsgemäße Durchführung von Untersuchungen nachteilig auswirken könnten, unabhängig davon, ob diese von OLAF oder der Kommission selbst durchgeführt werden. Er ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Kommission nachgewiesen hat, dass sie aus diesem genannten Grund alle vom Beschwerdeführer geforderten Informationen verweigern konnte. Es sei hier nur noch ein Beispiel zusätzlich zu den unter Punkt 1.5 genannten angeführt. In Frage 8 der Anfrage vom 2. Juni 2002 wird die Kommission um Auskunft darüber gebeten, wie viele Personen zu Interventionen bei Sincom autorisiert sind und wie ihre Namen lauten. Es wurde nicht erklärt, wie die Beantwortung solcher Fragen die ordnungsgemäße Durchführung der OLAF-Untersuchungen beeinträchtigen könnte. Der Bürgerbeauftragte erkennt an, dass durchaus Fälle denkbar sind, bei denen die Verwaltung keine detaillierteren Begründungen geben kann, da bereits dadurch die Zielstellung in Gefahr geraten würde, die die Informationsverweigerung an sich rechtfertigt. Es hat jedoch nicht den Anschein, als würde dies auf alle Auskunftsersuchen des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall zutreffen.

6 In seinen Anmerkungen zur zweiten Stellungnahme der Kommission erkennt der Beschwerdeführer an, dass möglicherweise auch noch andere Gründe eine Informationsverweigerung rechtfertigen könnten. Der Bürgerbeauftragte stellt jedoch fest, dass die Kommission keine anderen Gründe angeführt hat, um die Nichtbereitstellung der geforderten Informationen zu rechtfertigen.

Stellungnahme der Kommission

In ihrer Antwort führte die Kommission aus, dass sie den Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung zu schätzen wisse. Die Kommission wies darauf hin, dass sie alle vom Beschwerdeführer an sie gerichteten Fragen geprüft habe und dass eine vollständige Liste ihrer Antworten auf diese Fragen beiliege.

Anmerkungen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer bedauerte in seinen Anmerkungen die Tatsache, dass viele seiner Auskunftsersuchen erst jetzt beantwortet worden seien. Er betonte, dass dies für seine journalistische Tätigkeit eine ernsthafte Behinderung dargestellt habe. Der Beschwerdeführer zählte außerdem einige Fragen auf, die seines Erachtens immer noch nicht beantwortet worden waren.

Weitere Untersuchungen

Nach sorgfältiger Prüfung der Stellungnahme der Kommission und der Anmerkungen des Beschwerdeführers ergab sich, dass weitere Untersuchungen erforderlich waren. Der Bürgerbeauftragte bat die Kommission daher, zu dem Argument des Beschwerdeführers, einige Fragen seien immer noch unbeantwortet, Stellung zu nehmen.

Die Antwort der Kommission

Mit ihrem Antwortschreiben auf den Brief des Bürgerbeauftragten legte die Kommission eine überarbeitete Liste ihrer Antworten auf die Fragen des Beschwerdeführers vor.

Anmerkungen des Beschwerdeführers

Vom Beschwerdeführer gingen keine schriftlichen Anmerkungen ein. Bei einem Telefongespräch mit der Dienststelle des Bürgerbeauftragten am 17. November 2003 betonte der Beschwerdeführer, dass er es für bedauerlich halte, dass er sich an den Bürgerbeauftragten wenden habe müssen, um die fraglichen Auskünfte zu erhalten. Er bestätigte jedoch, dass eine einvernehmliche Einigung herbeigeführt worden sei.

DIE ENTSCHEIDUNG

1 Nichtbereitstellung der vom Beschwerdeführer erbetenen Informationen

1.1 Der Beschwerdeführer, der Brüsseler Korrespondent der deutschen Wochenzeitschrift „Stern“, trug vor, die Kommission habe von ihm verschiedentlich angeforderte Informationen mit der Begründung verweigert, dass die entsprechenden Fragen laufende Untersuchungen des Europäischen Betrugsbekämpfungsamtes OLAF beträfen. In seinen Anmerkungen zur Stellungnahme der Kommission gab der Beschwerdeführer des Weiteren an, dass einige Anfragen überhaupt nicht beantwortet wurden.

1.2 Die Kommission vertrat die Ansicht, sie habe entsprechend ihrem Kodex für gute Verwaltungspraxis gehandelt und ihr Presse- und Informationsdienst, der für die Kontakte mit den Medien zuständig ist, habe sich genau an die vorgegebenen Fristen gehalten, das heißt die Antwort innerhalb von fünfzehn Tagen nach Eingang der Anfragen übermittelt. Sie räumte jedoch ein, dass auf ein Schreiben des Beschwerdeführers vom 5. April 2002 keine Antwort erging, und entschuldigte sich für dieses Versäumnis. Die Kommission übermittelte dem Beschwerdeführer außerdem die von ihm angeforderte Aufstellung der Verträge, die sie mit einer Firma namens Eurogramme geschlossen hatte.

1.3 Der Bürgerbeauftragte gelangte zu der Auffassung, dass Weigerung der Kommission, die Fragen des Beschwerdeführers zu beantworten - insofern es sich dabei um Auskunftsersuchen handelte - einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit darstellen könnte. Am 21. Mai 2003 unterbreitete er daher der Kommission einen Vorschlag für eine einvernehmliche Lösung, wonach die Kommission die Bereitstellung der vom Beschwerdeführer geforderten Informationen in Betracht ziehen sollte, sofern es keine triftigen Gründe gäbe, dies nicht zu tun.

1.4 In ihrer Stellungnahme zu diesem Vorschlag und in ihrer Antwort auf ein daran anschließendes Auskunftsersuchen legte die Kommission eine überarbeitete Liste ihrer Antworten auf die Fragen des Beschwerdeführers vor.

1.5 Bei einem Telefongespräch mit der Dienststelle des Bürgerbeauftragten am 17. November 2003 betonte der Beschwerdeführer, dass er es für bedauerlich halte, dass er sich an den Bürgerbeauftragten wenden habe müssen, um die fraglichen Auskünfte zu erhalten. Er bestätigte jedoch, dass eine einvernehmliche Einigung herbeigeführt worden sei.

2 Schlussfolgerung

Es ergibt sich somit, dass auf die Initiative des Bürgerbeauftragten hin eine einvernehmliche Lösung zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer zustande gekommen ist. Der Bürgerbeauftragte schließt den Fall daher ab.

Mit freundlichen Grüßen

 

Professor Dr. P. Nikiforos DIAMANDOUROS


(1) Es sei darauf hingewiesen, dass diese Frage nicht mit der in der Beschwerde angeführten Frage gleichen Datums identisch ist.

(2) Beschluss 94/262 des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten, ABl. L 113 vom 4.5.1994, S. 15.