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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1148/2001/GG gegen die Europäische Kommission
Decision
Case 1148/2001/GG - Opened on Monday | 27 August 2001 - Decision on Monday | 28 January 2002
Sehr geehrter Herr B.,
am 1. August 2001 reichten Sie eine Beschwerde gegen das Generalsekretariat der Europäischen Kommission zum Verfahren 2000/4594 SG(2000) A/8078 ein.
Am 27. August 2001 übermittelte ich die Beschwerde an die Kommission mit der Bitte um Stellungnahme.
Die Kommission übersandte ihre Stellungnahme zu Ihrer Beschwerde am 27. November 2001. Ich leitete die Stellungnahme der Kommission am 29. November 2001 an Sie weiter mit der Aufforderung, bis spätestens 31. Dezember 2001 Anmerkungen dazu zu machen, falls Sie dies wünschen sollten. Ich habe bis zu diesem Termin keine derartigen Anmerkungen erhalten.
Ich teile Ihnen nunmehr die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen mit.
DIE BESCHWERDE
Der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger, reist fast jedes Jahr mit dem Zug von Venedig nach Bremen. Er behauptet, dass sowohl an der italienisch/österreichischen als auch an der österreichisch/deutschen Grenze regelmäßig Passkontrollen stattfänden. Der Beschwerde-führer stellt fest, dass laut Auskunft der Zugbegleiter rund 80% der Reisenden davon betroffen seien. Er hält diese Kontrollen für unvereinbar mit dem Buchstaben und dem Geist des Schengener Übereinkommens.
Nachdem der Beschwerdeführer sich erfolglos an die Regierung der Bundesrepublik Deutschland gewandt hatte, reichte er am 8. April eine Beschwerde bei der Kommission ein. Nach Angaben des Beschwerdeführers teilte die Kommission ihm erst nach Einschaltung seiner Europaabgeordneten in einem Schreiben vom 20. Juli 2000 mit, dass die Beschwerde registriert worden sei (Aktenzeichen 2000/4594 SG(2000) A/8078). Am 1. April 2001 schrieb der Beschwerdeführer an die Kommission und erkundigte sich nach dem Stand der Untersuchungen der Kommission zu dieser Beschwerde. Dem Beschwerdeführer zufolge antwortete die Kommission wiederum erst nach Einschalten seiner Europaabgeordneten.
In seiner im August 2001 beim Bürgerbeauftragten eingereichen Beschwerde machte der Beschwerdeführer Folgendes geltend:
- Die Kommission habe es unterlassen, sein Schreiben vom 8. April 2000 innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten.
- Die Kommission habe es unterlassen, sein Schreiben vom 1. April 2001 innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten.
- Die Kommission habe es unterlassen, darüber zu entscheiden, ob ein Vertragsverletzungs-verfahren eingeleitet werden soll oder nicht.
DIE UNTERSUCHUNG
Stellungnahme der KommissionIn ihrer Stellungnahme machte die Kommission folgende Bemerkungen:
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 8. April 2000 sei am 25. April 2000 eingegangen. Ein Antwortschreiben, in dem dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden sei, dass sich die Kommissionsdienststellen mit den beiden betroffenen Mitgliedstaaten (Deutschland und Österreich) in Verbindung setzen und die Beschwerde förmlich eintragen würden, sei am 22. Juni 2000 versandt worden. Die zuständige Dienststelle habe sich für die Verzögerung entschuldigt, die auf eine administrative Umstrukturierung zurückzuführen sei. Am 20. Juli 2000 habe der Generalsekretär dem Beschwerdeführer ein Schreiben mit der Mitteilung gesandt, dass seine Beschwerde förmlich eingetragen worden sei. Am 1. September 2000 habe das zuständige Referat dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sich die Kommissionsdienststellen mit den beiden betreffenden Mitgliedstaaten in Verbindung gesetzt hätten.
Die Antwort Österreichs sei am 12. Januar 2001 bei der zuständigen Dienststelle eingegangen. Die Antwort Deutschlands sei erst am 10. Mai 2001 - nach einem Mahnschreiben und mehreren Telefonanrufen der Kommissionsdienststellen - beim zuständigen Referat eingegangen.
Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. April 2001 sei bei der Kommission offenbar nicht eingegangen. Das zuständige Referat habe davon erst durch ein Schreiben vom 6. Mai 2001 erfahren, in dem der Beschwerdeführer sich beschwerte, dass er auf sein Schreiben vom 1. April 2001 keine Antwort erhalten habe. Das zuständige Referat habe am 11. Juni 2001 geantwortet und dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass die Antwort Deutschlands erst vor kurzem eingegangen sei und die Kommissionsdienststellen dabei seien, die Antworten der beiden Mitgliedstaaten zu prüfen.
Die Kommissionsdienststellen hätten mit der Prüfung der Antworten der österreichischen und der deutschen Behörden begonnen und wollten feststellen, ob sie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Die Frage der Vereinbarkeit von Personenkontrollen in Zügen auf Strecken innerhalb des Schengen-Raums werfe Auslegungsschwierigkeiten auf. Nach dem Schengen-Besitzstand (Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Überein-kommens von Schengen), der mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam in den EU-Rahmen einbezogen worden sei, dürften die Binnengrenzen grundsätzlich an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden. Dies bedeute, dass jeder Reisende ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit von Kontrollen durch die Grenzpolizei aufgrund des beabsichtigten Grenzübertritts befreit sei. Gemäß Artikel 2 Absatz 3 des Übereinkommens bleibe jedoch "die Ausübung der Polizei-befugnisse durch die nach Maßgabe des nationalen Rechts zuständigen Behörden einer Vertragspartei in dem gesamten Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei . von der Abschaffung der Personen-kontrollen an den Binnengrenzen unberührt". Die Binnengrenzen und das Grenzgebiet seien also kein Raum, in dem jegliche Kontrollen verboten wären.
In ihrem Programm für 2001 habe die Kommission die Vorlage eines Legislativvorschlags zu dieser Frage in Aussicht gestellt. Dieser Vorschlag werde Bestimmungen enthalten, die die Schwierigkeiten bei der Auslegung der derzeit geltenden Rechtsvorschriften beseitigen sollen.
Was den Fall des Beschwerdeführers angehe, so werde die Kommission in Kürze entscheiden, ob sie das Beschwerdeverfahren fortsetzt oder zu den Akten legt. Der Beschwerdeführer werde über den Fortgang des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten.
Anmerkungen des BeschwerdeführersAnmerkungen des Beschwerdeführers sind nicht eingegangen.
DIE ENTSCHEIDUNG
1 Versäumnis, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 8. April 2000 innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten1.1 Im April 2000 reichte der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger, bei der Kommission eine Beschwerde zur Vereinbarkeit der von österreichischen und deutschen Behörden vorgenommenen Grenzkontrollen mit dem Schengen-Besitzstand ein. In seiner im August 2001 beim Bürgerbeauftragten eingereichten Beschwerde bringt der Beschwerde-führer vor, dass die Kommission sein Schreiben vom 8. April 2000 nicht innerhalb einer angemessenen Frist beantwortet habe.
1.2 Die Kommission erklärt, dass sie das Schreiben vom 8. April 2000 am 23. April 2000 erhalten und am 22. Juni 2000 beantwortet habe. In diesem Schreiben habe sie dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sich die Kommissionsdienststellen mit den beiden betreffenden Mitgliedstaaten (Deutschland und Österreich) in Verbindung setzen und die Beschwerde förmlich eintragen würden. Die Kommission weist darauf hin, dass die zuständige Dienststelle sich für die durch eine administrative Umstrukturierung bedingte Verzögerung entschuldigt habe.
1.3 Der Bürgerbeauftragte sieht in Anbetracht der Stellungnahme der Kommission keine Notwendigkeit, seine Untersuchung dieses Aspekts der Beschwerde fortzusetzen.
2 Versäumnis, das Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. April 2001 innerhalb einer angemessenen Frist zu beantworten2.1 Der Beschwerdeführer behauptet, dass die Kommission sein Schreiben vom 1. April 2001 (in dem er sich nach dem Stand der Untersuchungen der Kommission zu seiner Beschwerde erkundigte) nicht innerhalb einer angemessenen Frist beantwortet habe.
2.2 Die Kommission macht geltend, dass sie das Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. April 2001 nicht erhalten und das zuständige Referat erst durch ein Mahnschreiben des Beschwerdeführers vom 6. Mai 2001 von ersterem Schreiben erfahren habe. Nach Auskunft der Kommission antwortete das zuständige Referat am 11. Juni 2001 und teilte dem Beschwerdeführer mit, dass die Antwort Deutschlands erst kürzlich eingegangen sei und die Kommissionsdienststellen dabei seien, die Antworten der beiden Mitgliedstaaten zu prüfen.
2.3 Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten ist nicht erwiesen, dass die Kommission Kenntnis von dem Schreiben des Beschwerdeführers vom 1. April 2001 hatte, bevor das weitere Schreiben des Beschwerdeführers vom 6. Mai 2001 bei ihr einging. Der Bürgerbeauftragte stellt weiter fest, dass die Kommission dieses Schreiben offenbar am 11. Juni beantwortet hat, also kaum mehr als einen Monat, nachdem der Beschwerdeführer an die Kommission geschrieben hatte.
2.4 Unter diesen Umständen liegt offensichtlich kein Missstand seitens der Kommission in Bezug auf den zweiten Aspekt der Beschwerde vor.
3 Unterlassene Entscheidung darüber, ob ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden soll oder nicht3.1 Der Beschwerdeführer behauptet, dass die Kommission es unterlassen habe, darüber zu entscheiden, ob sie ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet oder nicht.
3.2 Die Kommission weist darauf hin, dass ihre Dienststellen mit der Prüfung der Antworten der österreichischen und der deutschen Behörden (wobei letztere erst am 10. Mai 2001 eingegangen sei) begonnen hätten, um festzustellen, ob sie mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind. Sie stellt jedoch fest, dass die Frage der Vereinbarkeit von Personen-kontrollen in Zügen auf Stecken innerhalb des Schengen-Raums angesichts des Wortlauts des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen Auslegungs-schwierigkeiten aufwerfe. Schließlich weist die Kommission darauf hin, dass sie in Kürze entscheiden werde, ob sie das Beschwerdeverfahren fortsetzt oder zu den Akten legt, und dass sie den Beschwerdeführer auf dem Laufenden halten werde.
3.3 Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass die Kommission nach Eingang der vom Beschwerdeführer bei ihr eingereichten Beschwerde die beiden betreffenden Mitgliedstaaten angeschrieben und um Auskunft ersucht hat. Er stellt ferner fest, dass die Antwort eines der beiden Mitgliedstaaten offenbar erst im Mai 2001 bei der Kommission einging. Angesichts der einschlägigen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts dürfte außerdem der Standpunkt der Kommission, wonach die betreffende Frage Auslegungsschwierigkeiten aufwirft, nicht unbegründet sein. Es entspricht guter Verwaltungspraxis, Entscheidungen innerhalb einer angemessenen Frist zu treffen. Der Bürgerbeauftragte vertritt die Auffassung, dass unter den Umständen des vorliegenden Falls diese Frist noch nicht verstrichen war, als die Beschwerde bei ihm eingereicht wurde oder als die Kommission ihre Stellungnahme zu der Beschwerde übermittelte. Der Bürgerbeauftragte stellt ferner fest, dass die Kommission angekündigt hat, die Entscheidung in Kürze zu treffen, und er hat keinen Grund anzunehmen, dass die Kommission dies nicht tun wird.
3.4 Unter diesen Umständen sieht der Bürgerbeauftragte keine Anzeichen für einen Missstand seitens der Kommission in Bezug auf den dritten Aspekt der Beschwerde.
4 SchlussfolgerungAuf der Grundlage der Untersuchungen des Europäischen Bürgerbeauftragten zu dieser Beschwerde ist festzustellen, dass offensichtlich kein Missstand seitens der Europäischen Kommission vorliegt. Der Bürgerbeauftragte schließt daher den Fall ab.
Der Präsident der Europäischen Kommission wird ebenfalls über diese Entscheidung unterrichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob SÖDERMAN
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