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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 516/2000/GG gegen die Europäische Kommission


Straßburg, 12. Oktober 2000

Sehr geehrter Herr D.,
am 8. April reichten Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde gegen die Generaldirektion X der Europäischen Kommission (jetzt GD Bildung und Kultur) ein. Ihre Beschwerde betraf die Art und Weise, in der die Kommission Ihren Antrag auf einen Zuschuss für ein deutsch-französisches Treffen und verschiedene diesbezügliche Auskunftsersuchen behandelt hat.
Am 17. April 2000 leitete ich die Beschwerde an die Europäische Kommission zur Stellung-nahme weiter.
Am 8. August 2000 erhielt ich die Stellungnahme der Kommission. Diese leitete ich am 9. August 2000 an Sie weiter mit der Aufforderung, Bemerkungen dazu zu machen. Am 27. August 2000 übermittelten Sie mir Ihre Bemerkungen zu der Stellungnahme der Kommission.
Mit meinem heutigen Schreiben möchte ich Sie über die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen in Kenntnis setzen.

BESCHWERDE


Der Beschwerdeführer, ein ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr, ist Beauftragter für Partnerschaftsangelegenheiten der Kreisgruppe Marburg-Biedenkopf des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e.V. Marburg unterhält eine Städtepartnerschaft mit Poitiers in Frankreich. Im Jahre 1989 hatte die Kreisgruppe mit einer Vereinigung französischer Soldaten und Reservisten mit Sitz in Poitiers eine Partnerschaft geschlossen. Der 10.Jahrestag dieser Partnerschaft sollte mit einem Besuch einer französischen Gruppe vom 12.-14. November 1999 in Deutschland begangen werden.
Gegen Ende Januar 1999 wandte sich der Beschwerdeführer an Herrn Hartmut Nassauer, MdEP, um sich zu erkundigen, ob Möglichkeiten zur Erlangung eines Zuschusses der EU für dieses Ereignis bestünden. Der EP-Abgeordnete leitete daraufhin eine Informationsbroschüre und ein Antragsformular für Zuschüsse für städtepartnerschaftliche Ereignisse an den Beschwerdeführer weiter, die er vom Generalsekretariat der Kommission im Jahr davor erhalten hatte. Laut dem Anschreiben, das bei dieser Gelegenheit an den EP-Abgeordneten gerichtet worden war, war das Generalsekretariat bereit, alle auftretenden Fragen zu beantworten. Der Beschwerdeführer war nicht sicher, ob er das fragliche Formblatt verwenden konnte, da die geplante Veranstaltung nicht im Rahmen des Städtepartnerschaftsprogramm zwischen Marburg und Poitiers stattfinden sollte, wie dies im Formular gefordert zu werden schien. Er wandte sich daher mit einer diesbezüglichen Anfrage per Fax vom 28. März 1999 an die zuständige Dienststelle im Generalsekretariat der Kommission. In Ermangelung einer Antwort wandte sich der Beschwerdeführer erneut an sein zuständiges EP-Mitglied. Am 31. Mai 1999 übermittelte der EP-Abgeordnete an die zuständige Person bei der GD X ein Fax, in dem er sich erkundigte, ob im Rahmen der Städtepartnerschafts-regelung ein Möglichkeit bestehe, eine Beihilfe zu erhalten, oder ob es andere Möglichkeiten für eine Beihilfe gebe. Trotz mehrerer telefonischer Nachfragen erfolgte keine Antwort. Am 5. Juli 1999 schrieb der EP-Abgeordnete an den Generaldirektor der GD X. Da keine Antwort erfolgte, wandte sich der EP-Abgeordnete am 28. Juli 1999 schriftlich an das zuständige Kommissionsmitglied mit dem Hinweis, dass die Angelegenheit dringlich sei und die Informationen bis 15. August benötigt würden, um dem Beschwerdeführer eine rechtzeitige Antragstellung zu ermöglichen. Am 26. Juli 1999 übermittelte der Beschwerdeführer ein weiteres Fax an die GD X.
Gegen Ende September 1999 teilte das Büro des EP-Abgeordneten dem Beschwerdeführer mit, dass es sich erneut an die GD X gewandt und dabei erfahren habe, dass es höchst wahrscheinlich nicht möglich sei, für eine außerhalb der Städtepartnerschaft stattfindende Veranstaltung eine Beihilfe zu erhalten. Daraufhin füllte der Beschwerdeführer das zuvor vom EP-Abgeordneten erhaltene Formular aus und ließ es am 24. September 1999 von der Stadt Marburg genehmigen.
Am 15. Oktober 1999 teilte der EP-Abgeordnete dem Beschwerdeführer mit, dass er soeben von der GD X erfahren habe, dass er von der Kommission keinen Zuschuss erhalten könne. Die ablehnende Entscheidung der Kommission wurde dem Beschwerdeführer am 28. Oktober 1999 übermittelt und traf offensichtlich am 4. November 1999 kurz vor Stattfinden der Veranstaltung ein. In dieser Entscheidung stellte sich die Kommission auf den Standpunkt, dass der Antrag zu spät und unvollstän-dig eingereicht worden sei. Am 21. November 1999 beschwerte sich der Beschwerdeführer bei der GD X schriftlich unter Auflistung aller Schritte, die er und der EP-Abgeordnete zuvor unternommen hatten. Er behauptete, die Überschreitung der Frist sei ausschließlich darauf zurückzuführen, dass die GD X auf all diese Anfragen nicht geantwortet habe.
Am 17. Februar 2000 übermittelte die Kommission ein kurzes Fax, in dem sie die Punkte auflistete, die ihres Erachtens im Antragsformular nicht behandelt worden waren. Unter anderem erwähnte sie dabei, dass auf Seite 4 des Formulars weder der beantragte Zuschuss für die dem einladenden Verein entstehen-den Kosten noch der beantragte Zuschuss für die Beförderungskosten für die Gäste vom Beschwerdeführer genannt worden sei. Nach Ansicht der Kommission enthielt das Formular keine Auskünfte über den Inhalt der geplanten Veranstaltung, und auf der Grundlage der unterbreiteten Auskünfte sei es nicht möglich gewesen, einen Europabezug der Veranstaltung festzustellen.
Darauf hin wandte sich der Beschwerdeführer an den Bürgerbeauftragten und ersuchte ihn, die Entscheidung der Kommission zu überprüfen. In diesem Zusammenhang stellte der Beschwerde-führer die folgenden Behauptungen auf:
(1) Die Kommission habe auf verschiedene Auskunftsersuchen des Beschwerdeführers und von Herrn Hartmut Nassauer, MdEP, nicht geantwortet.
(2) Die Kommission habe den Zuschussantrag des Beschwerdeführers nicht ordnungsgemäß bearbeitet.

UNTERSUCHUNG


Stellungnahme der Kommission
In ihrer Stellungnahme erklärte die Kommission folgendes:
Die Kommission bestätigte den Standpunkt, den sie in ihrer Entscheidung vom 28. Oktober 1999 vertreten hatte. Der Antrag sei am 24. September 1999 an die Kommission abgeschickt und dort am 4. Oktober 1999 registriert worden. Er habe weder eine vollständige Kostenaufstellung noch ein Veranstaltungs-programm enthalten. Außerdem sei der Antrag nicht den Vorschriften entsprechend drei Monate vor Stattfinden der Veranstaltung eingereicht worden.
Die Kommission verwies darauf, dass sie auf das Schreiben des Beschwerdeführers vom 21. November 1999 am 1. Februar 2000 geantwortet habe. Darin habe sie erläutert, dass sie das erste schriftliche Auskunftsersuchen am 31. Mai 1999 erhalten habe. Das Schreiben vom 28. März 1999 sei nicht eingegangen. Die Kommission entschuldigte sich jedoch für die Verzögerungen und Missverständnisse, die vorgefallen waren. Sie verwies darauf, dass die dem Beschwerdeführer übersandte Ent-scheidung mit einem Informationsblatt versehen worden sei, damit dieser die Gründe besser verstehen könne, warum sein Antrag abgelehnt wurde. Sie ersuchte den Beschwerdeführer ferner um Verständnis dafür, dass aufgrund von Personalmangel und der jährlich eingehenden Tausenden von Anträgen die Kommission nicht in der Lage sei, mit persönlichen Schreiben auf Anträge zu reagieren. Die Kommission zählte ferner die Punkte auf, die im Antrag fehlten. Die Kommission hätte schon aus diesem Grund den Antrag ablehnen müssen, selbst wenn sie die Argumente des Beschwerdeführers bezüglich der Gründe für die Verzögerungen bei der Antragstellung akzeptiert hätte. Die Kommission gab der Hoffnung Ausdruck, dass es ihr möglich sein werde, dem Beschwerdeführer für die im laufenden Jahr geplanten Maßnahmen einen Zuschuss zu gewähren.
Auf ein erneutes Schreiben des Beschwerdeführers vom 15. Februar 2000 hatte die Kommission am 17. Februar 2000 geantwortet und noch einmal auf die Mängel in der Antragstellung hinge-wiesen.
Bemerkungen des Beschwerdeführers
In seinen Bemerkungen bekräftigte der Beschwerdeführer seine Auffassung, dass die Kommis-sion und nicht er selbst für die verspätete Antragstellung verantwortlich sei. Er behauptete ferner, er habe das Antragsformular korrekt ausgefüllt.
Der Beschwerdeführer benutzte die Gelegenheit, um ein Problem anzusprechen, das seines Erachtens nicht in direktem Zusammenhang mit seiner Beschwerde stehe, das er aber dennoch für wichtig halte. Die Kommission gewähre Zuschüsse im Rahmen von Städtepartnerschaften. Daher müssten die Anträge von den betroffenen Städten gestellt werden. Nach Ansicht des Beschwerdeführers wäre es sinnvoll, wenn die Kommission auch Zuschüsse an Vereine gewähren könnte, die europäische Partnerschaften hergestellt hätten.

ENTSCHEIDUNG


1 Vorbemerkung
1.1 In seinen Bemerkungen zur Stellungnahme der Kommission regt der Beschwerdeführer an, dass es sinnvoll wäre, wenn die Kommission nicht nur im Rahmen von städtepartner-schaftlichen Veranstaltungen, sondern auch an Verbände, die europäische Partnerschaften initiiert hätten, Zuschüsse gewähren könnte.
1.2 Dieser Punkt wurde in der ursprünglichen Beschwerde nicht angesprochen und steht nicht im direktem Zusammenhang damit. Der Bürgerbeauftragte ist daher der Auffassung, dass es nicht sachgerecht wäre, diesen Punkt im Rahmen der vorliegenden Beschwerde zu prüfen. Es steht dem Beschwerdeführer natürlich frei, der Kommission diesen Vorschlag zu unterbreiten, wenn er dies wünschen sollte.
2 Nichtbeantwortung von Schriftverkehr
2.1 Der Beschwerdeführer behauptet, die Kommission habe auf verschiedene Auskunftsersuchen seinerseits und von Seiten des EP-Abgeordneten, an den er sich um Unterstützung gewandt hatte, nicht geantwortet.
2.2 Die Kommission ist in ihrer Stellungnahme nicht konkret auf diese Behauptung eingegan-gen. Sie hat jedoch eine Kopie ihres Schreibens an den Beschwerdeführer vom 1. Februar 2000 beigelegt, in dem sie sich für "bedauerliche Missverständnisse und Verzögerungen" entschuldigt.
2.3 Der Beschwerdeführer schrieb erstmals am 28. März 1999 an die Kommission, um Auskünfte anzufordern. Als keine Antwort erfolgte, wandten sich der Beschwerdeführer und der EP-Abgeordnete, an den er sich um Hilfe gewandt hatte, vom 31. Mai 1999 an mehrfach schriftlich an die Kommission. Der EP-Abgeordnete schrieb zunächst an den Verantwortlichen in der GD X (am 31. Mai 1999), dann an den Generaldirektor der GD X (am 5. Juli 1999) und schließlich an das zuständige Kommissionsmitglied (am 28. Juli 1999). Trotz all dieser Schreiben und weiterer telefonischer Kontakte, in denen die Dringlichkeit der Angelegenheit unterstrichen wurde, erteilte die Kommission keine Antwort. Eine förmliche Reaktion der Kommission erging erst, als der Beschwerdeführer seinen Antrag eingereicht hatte.
2.4 Es ist gute Verwaltungspraxis, wenn die Verwaltung innerhalb einer angemessen Frist auf Schreiben der Bürger antwortet. Im vorliegenden Fall hat es die Kommission nach Ansicht des Bürgerbeauftragten durchweg versäumt, auf die an sie vom Beschwerdeführer und dem EP-Abgeordneten gerichteten Auskunftsersuchen zu antworten. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten ist die Tatsache, dass die zuständige Dienststelle der Kommission vielleicht nicht über genügend Personal zur Bewältigung ihrer Arbeitsbelastung verfügt, im vorliegenden Falle kein Argument, da die Kommission nicht einmal eine Empfangsbestätigung für eines der oben genannten Schreiben verschickte. Der Bürgerbeauftragte ist daher der Auffassung, dass hier ein Missstand in der Verwaltungstätigkeit vorliegt.
2.5 Der Bürgerbeauftragte hält es in der Regel nicht für erforderlich, eine kritische Anmerkung zu machen, wenn die Verwaltung sich für den vorliegenden Missstand entschuldigt hat. Im vorliegenden Fall spricht jedoch eine Reihe von Gründen dafür, anders zu verfahren. Zunächst ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass im vorliegenden Fall das Unterlassen einer Antwort gravierend erscheint. Weder die Tatsache, dass sich ein EP-Abgeordneter für den Bürger eingesetzt hat, noch die Tatsache, dass an verschiedene Hierarchieebenen der Kommission Schreiben gerichtet wurden, schienen die gewünschte Wirkung zu zeitigen. Zweitens stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass die Kommission in ihrer Stellungnahme zur Beschwerde in keiner Weise auf die Frage der Nichtbeantwortung der Schreiben des Beschwerdeführers und des EP-Abgeordneten eingegangen ist. Für diese Verzögerung wurde in der Stellungnahme der Kommission keine Entschuldigung ausgesprochen.
2.6 Der Bürgerbeauftragte hält es daher für erforderlich, die folgende kritische Anmerkung zu machen:
Die Kommission hat es versäumt, auf die an sie vom Beschwerdeführer und dem EP-Mitglied, an das dieser sich um Hilfe gewandt hatte, gerichteten Auskunftsersuchen zu reagieren. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

3 Versäumnis, den Zuschussantrag des Beschwerdeführers ordnungsgemäß zu bearbeiten
3.1 Der Beschwerdeführer behauptet, die Kommission habe es versäumt, seinen Antrag ordnungsgemäß zu bearbeiten. Er behauptet, er habe das Antragsformular korrekt ausgefüllt und die erforderlichen Informationen vorgelegt.
3.2 Die Kommission stellt sich im wesentlichen auf den Standpunkt, der Antrag sei unvollständig gewesen und habe nicht alle erforderlichen Auskünfte enthalten.
3.3 Eine Prüfung des Antragsformulars zeigt, dass auf Seite 4 des Formulars weder der Zuschuss für die dem einladenden Verein entstehenden Kosten noch der Zuschuss für die Transportkosten für die Gäste vom Beschwerdeführer konkret angegeben wurden. Auf derselben Seite des Antragsformulars unten wird den Antragstellern mitgeteilt, dass unvollständige Anträge von der Kommission nicht berücksichtigt werden können. Unter diesen Umständen ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass die Schlussfolgerung der Kommission begründet ist.
3.4 Ausgehend hiervon haben sich keine Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Missstandes seitens der Kommission ergeben, soweit diese Behauptung betroffen ist.
4 Schlußfolgerung
Auf der Grundlage der vom Europäischen Bürgerbeauftragten zu dieser Beschwerde durchgeführten Untersuchen erscheint es erforderlich, die folgende kritische Anmerkung zu machen:
Die Kommission hat es versäumt, auf die an sie vom Beschwerdeführer und dem EP-Mitglied, an das dieser sich um Hilfe gewandt hatte, gerichteten Auskunftsersuchen zu reagieren. Dies stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit dar.

Der Präsident der Europäischen Kommission wird über diese Entscheidung ebenfalls unterrichtet werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob Söderman