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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1069/98/ADB gegen die Europäische Kommission


Straßburg, 7. Juli 1999

Sehr geehrter Herr P.,
Sie legten am 14. Oktober 1998 beim Europäischen Bürgerbeauftragten Beschwerde gegen die Weigerung der Kommission ein, eine Beschwerde (IV/36.561/F-2 P./ Mazda Motors Deutschland GmbH) im Zusammenhang mit Wettbewerbsfragen zu untersuchen.
Am 29. Oktober 1998 leitete ich die Beschwerde an den Präsidenten der Europäischen Kommission weiter. Die Europäische Kommission übermittelte am 15. Februar 1999 seine Stellungnahme und sandte Ihnen diese mit der Bitte zu, sich gegebenenfalls dazu zu äußern. Ich erhielt Ihre Bemerkungen am 29. März 1999 und 28. April 1999. Am 30. April 1999 bat ich Sie um einige Klarstellungen zu dem Fall, die Sie mir am 19. Mai 1999 übermittelten.
Mit diesem Schreiben möchte ich Ihnen nun die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen mitteilen.

BESCHWERDE


Der Beschwerdeführer, ein deutscher Kfz-Händler, schloß 1983 mit Mazda Motors Deutschland GmbH einen Vertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr ab. Da der Beschwerdeführer der Ansicht war, daß die Bedingungen dieses Haupthändler-Vertrags unrechtmäßig seien, befaßte er deutsche Gerichte mit diesem Fall, was aber nicht zum Erfolg führte. Am 21. Januar 1997 legte er Beschwerde bei der Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission ein (Aktenzeichen der Beschwerde bei der Europäischen Kommission: IV/36.561/F-2).
Wie aus der Mitteilung der Kommission hervorgeht, hätte nach Ansicht des Beschwerdeführers die Art des Vertrages, den dieser mit Mazda Motors Deutschland GmbH unterzeichnete, für eine Laufzeit von mindestens fünf Jahren abgeschlossen werden müssen. Da der Vertrag tatsächlich nur für ein Jahr abgeschlossen worden sei, hätte es einer Einzelfreistellung bedurft, die aber, wie von der Kommission bestätigt, nicht erteilt worden sei. Außerdem hätte der Vertrag an die Verordnung (EWG) 123/85 angepaßt werden müssen. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, daß ihm Mazda Motors Deutschland GmbH aufgrund dieser Unregelmäßigkeiten Schadenersatz schulde.
In diesem Zusammenhang vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, daß der Vertrag für eine Überprüfung durch die Kommission in Frage komme, die seiner Meinung nach die allein zuständige Behörde sei. Die Europäische Kommission hätte somit den Vertrag aufgrund der von ihm eingelegten Beschwerde überprüfen müssen. Bei der Haltung der Kommission, nicht tätig zu werden, handelt es sich nach Ansicht des Beschwerdeführers um Ermessensmißbrauch und Machtmißbrauch. Er wandte sich daher an den Europäischen Bürgerbeauftragten mit der Bitte um Prüfung der Angelegenheit.

UNTERSUCHUNG


Die Stellungnahme der Kommission
Die Kommission erstellte eine Liste des Schriftwechsels, der im Zusammenhang mit der von dem Beschwerdeführer bei der Europäischen Kommission eingelegten Beschwerde geführt wurde, und lieferte eine ausführliche Beschreibung des Ablaufs der von ihr in diesem Rahmen getroffenen Maßnahmen.
Die Kommission erklärte, daß der Beschwerdeführer ihre Dienststellen in seinem Antrag aufgefordert habe, innerhalb von zwei Monaten (gemäß Artikel 189 des EG-Vertrags) gegen Mazda Motors Deutschland GmbH einzuschreiten. Für den Fall, daß die Kommission untätig bleiben sollte, kündigte er rechtliche Schritte gegen die Kommission und die Forderung von Schadenersatz an.
Bezüglich der beiden ersten Argumente des Beschwerdeführers, der Vertrag komme für eine Überprüfung durch die Kommission in Frage und für eine solche Überprüfung habe die Kommission die ausschließliche Zuständigkeit, erklärte die Kommission, daß sie dem Beschwerdeführer in der ersten Phase des Verfahrens(1) am 17. Februar 1997 mitgeteilt habe, daß in seinem Fall "kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse für ein Einschreiten der Kommission erkennbar sei", wofür unter anderem folgende Gründe angeführt wurden:
- "In der Beschwerde werde die Verletzung subjektiver Rechte geltend gemacht. Entsprechende Ansprüche seien daher vor einem nationalen Gericht geltend zu machen, das gegebenenfalls auch Schadenersatz zuerkennen könne.

- Die Einleitung einer formellen Untersuchung durch die Kommission würde im Verhältnis zu der Bedeutung der Angelegenheit einen unverhältnismäßigen Aufwand nach sich ziehen. Die Kommission habe dem allgemeinen Interesse zu dienen und verfüge nur über beschränkte Verwaltungsmittel, die sie nicht in allen ihr zur Kenntnis gebrachten Fällen einsetzen könne. Sie müsse daher Prioritäten setzen.

- Aufgabe der Kommission sei es, Ermittlungen in den Fällen anzustellen, in denen Wettbewerbsverstöße geltend gemacht werden, die noch andauern. Einem Fall, der bereits mehr als 12 Jahre zurückliege, könne keine Priorität zuerkannt werden."

Der Beschwerdeführer hatte Gelegenheit, zu diesem Standpunkt Stellung zu nehmen. Nach Aussage der Kommission wiederholte er im Prinzip seinen Antrag, stellte einige neue Forderungen und führte zusätzliche Argumente zur Untermauerung seiner Beschwerde an. Er teilte der Kommis-sion insbesondere mit, daß sich deutsche Gerichte bereits mit der Angelegenheit befaßt hätten, daß der Bundesgerichtshof aber die Revision abgelehnt habe. Die Kommission überprüfte dies, worauf ihr eine Kopie des rechtskräftigen Urteils übersandt wurde.
Der Beschwerdeführer führte jedoch keine zusätzlichen Argumente an, die die Kommission zur Änderung ihres oben dargelegten Standpunkts hätten bewegen können. Am 13. November 1997 richtete die Kommission daher ein Schreiben an den Beschwerdeführer gemäß Artikel 6 der Verordnung (EWG) Nr. 99/63(2) (dies entsprach der zweiten Phase des Verfahrens), in dem sie die Argumentation des ersten Schreibens wiederholte und folgendes zusätzliches Argument anführte:
"Die Beschwerde betrifft einen Sachverhalt, der sich hauptsächlich in einem Mitgliedstaat auswirkt. Eine Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels ist - wenn überhaupt - äußerst gering."

In seiner Reaktion auf dieses Schreiben wiederholte der Beschwerdeführer erneut seine Beschwerde, ohne allerdings weitere Gründe zu nennen, die die Kommission zu einer Änderung ihrer Haltung hätten bewegen können.
Die Kommission teilte dem Bürgerbeauftragten mit, daß der Beschwerdeführer beim Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften (GEI) gegen die Kommission zwei aufeinanderfolgende Klagen wegen Untätigkeit erhoben habe, die wegen Nichtbeachtung der Frist abgewiesen worden seien und daß in der Sache nicht entschieden worden sei.
Bezüglich der Behauptung des Beschwerdeführers, die Europäische Kommission habe ihre Befugnisse und ihr Ermessen mißbraucht habe, betonte die Kommission, daß sich aus den Verordnungen 17/62(3) und 99/63 kein Anspruch der Beschwerdeführer auf eine Entscheidung der Kommission ableiten lasse. Die Kommission müsse das Vorbringen des Beschwerdeführers in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eingehend prüfen. Sie könne nicht verpflichtet werden, das Verfahren bis zu einer abschließenden Entscheidung fortzusetzen. Im vorliegenden Fall sei der Beschwerdeführer über die Gründe informiert worden, die die Kommission veranlaßt hätten, in seinem Fall nicht tätig zu werden. Die Kommission bestritt daher, ihre Befugnisse oder ihr Ermessen mißbraucht zu haben.
Schließlich teilte die Kommission dem Bürgerbeauftragten mit, daß sie im Anschluß an das letzte Schreiben des Beschwerdeführers eine Entscheidung ausarbeite, in der sie zum Inhalt der Beschwerde IV/36.561/F-2 Stellung nehme.
Die Bemerkungen des Beschwerdeführers
Der Europäische Bürgerbeauftragte übermittelte dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Europäischen Kommission mit der Bitte, Bemerkungen vorzubringen. In seiner Antwort vom 26. März 1999 teilte der Beschwerdeführer dem Bürgerbeauftragten mit, daß die Entscheidung, die die Kommission nach eigenen Angaben ausarbeiten wollte, am 21. Januar 1999 ergangen sei und ihm inzwischen vorliege. Er sei der Auffassung, daß die Kommission seine Beschwerden nicht richtig beurteilt habe.
Darüber hinaus berichtete er, wie bereits in einem früheren Schreiben zu diesem Fall, über mehrere weitere Beschwerden, die er bei der Europäischen Kommission und beim Bundeskartellamt ein-gelegt habe und die seiner Meinung nach von diesen Organen nicht richtig behandelt worden seien. Be-züglich dieses Aspekts der Bemerkungen hatte der Bürgerbeauftragte den Beschwerdeführer bereits zuvor informiert, daß es nicht möglich sei, die Berechtigung von Beschwerden zu prüfen, die nicht Teil der ursprünglichen Beschwerde seien oder nationale Institutionen beträfen, die nicht in den Zu-stän-dig-keitsbereich des Bürgerbeauftragten fielen.
Da der Beschwerdeführer in seinen Bemerkungen ausdrücklich auf Verfahren Bezug nahm, die beim GEI eingeleitet wurden, beschloß der Bürgerbeauftragte, den Beschwerdeführer um weitere Klarstellungen zu ersuchen. Am 19. Mai 1999 informierte der Beschwerdeführer den Bürgerbeauftragten über eine Klage vor dem GEI, die wegen Fristverstreichung abgewiesen worden sei.

ENTSCHEIDUNG


1 Die Weigerung der Kommission, den Vertrag zu überprüfen
1.1 Der Beschwerdeführer hat gemäß Artikel 3 Absatz 2 der Durchführungsverordnung 17/62 des Rates zu den Artikeln 81(4) und 82(5) des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft bei der Kommission Beschwerde eingelegt und die Kommission aufgefordert, gemäß Artikel 249(6) tätig zu werden. Die Kommission erklärte, daß kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse für ein Einschreiten ihrerseits erkennbar sei und daß Ansprüche im Zusammenhang mit der Verletzung subjektiver Rechte vor nationalen Gerichten geltend gemacht werden sollten.
1.2 Gemäß Artikel 3 der Verordnung 17/62 des Rates können Personen oder Personen-ver-ei-ni-gungen, die ein berechtigtes Interesse darlegen, bei Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 81 und 82 des EG-Vertrags bei der Kommission Beschwerde einlegen.
1.3 Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe der Gemeinschaft(7) kann die Kommission eine Beschwerde mit der Begründung zu den Akten legen, daß kein ausreichendes Gemein-schafts-interes-se bestehe. Die Gerichte argumentieren, daß die Zuständigkeit der Kommission in Wett-be-werbs--fragen einen Teil der ihr als Hüterin der Verträge auferlegten Verpflichtung bilde, die An-wendung des Gemeinschaftsrechts zu überwachen; bei der Erfüllung dieser Verpflichtung habe die Kommission das Recht und die Pflicht, den bei ihr anhängigen Vorgängen unterschiedliche Priori-täten zuzuweisen; in Wettbewerbsfragen sei das Kriterium des "Gemeinschaftsinteresses" relevant und legitim.
1.4 Das Gericht stellt fest (8), daß die Kommission bei der Würdigung des Gemeinschaftsinteresses "die Umstände des konkreten Falles ... berücksichtigen (muß). Sie hat insbesondere die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens sowie den Umfang der notwendigen Ermittlungsmaßnahmen gegeneinander abzuwägen, um ihre Aufgabe der Überwachung der Einhaltung der Artikel [81] und [82] [EG]-Vertrag bestmöglich zu erfüllen."
1.5 Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer dreimal (Schreiben vom 17.2.1998, 13.11.1998 und endgültige Entscheidung vom 21.1.1999) und in jeder Phase des Verfahrens(9) über den Standpunkt der Kommission bezüglich seines Antrags informiert. In allen drei Schreiben hat die Kommission dem Beschwerdeführer eine ausreichende Begründung unter Berücksichtigung der spezifischen Umstände des Falles geliefert. Sie hat dem Beschwerdeführer außerdem Gelegenheit gegeben, zu ihrem Standpunkt bezüglich seines Antrags Stellung zu nehmen. Daher ist der Bürgerbeauftragte der Ansicht, daß die Kommission ihre Weigerung, weitere Untersuchungen durchzuführen, angemessen begründet hat.
1.6 Außerdem ist nach Auffassung des Gerichts "die Kommission befugt, die Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses an der Fortführung der Untersuchung der Sache zurückzuweisen, sofern die Rechte des Beschwerdeführers oder seiner Mitglieder in zufriedenstellender Weise, insbesondere von den nationalen Gerichten, geschützt werden können"(10).
1.7 Im vorliegenden Fall bat der Beschwerdeführer die Kommission, die Rechtmäßigkeit eines mit Mazda Motors Deutschland GmbH abgeschlossenen Haupthändler-Vertrags zu prüfen, und ersuchte somit um den Schutz seiner subjektiven Rechte. Die Kommission besaß ganz offensichtlich nicht die ausschließliche Zuständigkeit für die Überprüfung eines Vertrags, der tatsächlich Gegenstand eines Verfahrens vor nationalen Gerichten war, von denen man an-neh-men kann, daß sie einen ausreichenden Schutz der Rechte des Beschwerdeführers gewährleisten.
1.8 Bei der Prüfung der Handlungsweise der Kommission kam der Europäische Bürgerbeauftragte zu dem Ergebnis, daß die Kommission im Rahmen ihrer rechtlichen Zuständigkeit gehandelt hat, und daß daher bei der Verwaltungstätigkeit der Kommission kein Mißstand festzustellen ist.
2 Schlußfolgerungen
Aufgrund der von ihm im Zusammenhang mit dieser Beschwerde durchgeführten Untersuchungen kam der Europäische Bürgerbeauftragte zu dem Ergebnis, daß bei der Verwaltungstätigkeit der Kommission kein Mißstand festzustellen ist. Der Bürgerbeauftragte hat daher beschlossen, den Fall abzuschließen.
Dem Präsidenten der Europäischen Kommission wird diese Entscheidung ebenfalls zur Kenntnis gebracht.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob SÖDERMAN

(1) Beschrieben im Urteil T-64/89 Automec Srl / Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnrn. 45-47.

(2) ABl. 127 vom 20.08.1963, S. 2268-2270

(3) ABl. 013 vom 21.02.1962, S. 0204-0211.

(4) Vormals - vor der Umnumerierung durch den Vertrag von Amsterdam - Artikel 85.

(5) Vormals - vor der Umnumerierung durch den Vertrag von Amsterdam - Artikel 86.

(6) Vormals - vor der Umnumerierung durch den Vertrag von Amsterdam - Artikel 189.

(7) Rechtssache T-24/90, Automec II, Slg. 1992, II-2223.

(8) Rechtssache T-24/90, Automec II, Slg. 1992, II-2223, Randnr. 86.

(9) Beschrieben im Urteil T-64/89 Automec Srl / Kommission, Slg. 1990, II-367, Randnrn. 45-47.

(10) Rechtssache T-114/92, BENIM, Slg. 1995, II-147, Rdnr. 86.