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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beschwerde 753/98/PD gegen die Europäische Kommission
Decision
Case 753/98/PD - Opened on Friday | 04 September 1998 - Decision on Tuesday | 22 June 1999
Straßburg, 22. Juni 1999
Sehr geehrter Herr L.,
am 15. Juli 1998 reichten Sie beim Europäischen Bürgerbeauftragten eine Beschwerde gegen die Europäische Kommission ein. Sie führten an, die Kommission habe Sie zu Unrecht von der Teilnahme an einem Auswahlverfahren ausgeschlossen.
Am 4. September 1998 leitete ich die Beschwerde an den Präsidenten der Europäischen Kommission weiter. Am 10. Dezember 1998 erhielt ich die Stellungnahme der Kommission, und ich über-mittelte Ihnen diese Stellungnahme mit der Aufforderung, gegebenenfalls Bemerkungen dazu zu machen. Am 5. Januar 1999 erhielt ich Ihre Bemerkungen.
Nun möchte ich Sie über das Ergebnis der durchgeführten Untersuchungen unterrichten.
BESCHWERDE
Der Hintergrund der Beschwerde läßt sich kurz wie folgt darstellen:
Im März 1998 bewarb sich der Beschwerdeführer zur Teilnahme an dem im Amtsblatt C 44A von 1998 veröffentlichten allgemeinen Auswahlverfahren KOM/A/4/98. Das Auswahl-verfahren diente zur Bildung einer Einstellungsreserve für Hauptverwaltungsräte im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die Kommission verweigerte die Zulassung des Beschwerde-führers zu diesem Auswahlverfahren. Nach Auffassung der Kommission besaß der Beschwerdeführer nicht die in der Bekanntgabe des Auswahlverfahrens aufgeführte erforderliche Berufserfahrung.
In der Bekanntgabe hieß es:
- "Die Bewerber müssen eine mindestens 12jährige Berufserfahrung nachweisen, die nach dem zur Teilnahme am Auswahlverfahren befähigenden Hochschulabschluß in einer der Ausbildung entsprechenden Position erworben wurde, davon mindestens 6 Jahre auf den genannten Sachgebieten.... Die Berufserfahrung muß zudem eine zweijährige Tätigkeit bei einer internationalen Organisation bzw. im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit einschließen."
Nach Ansicht der Kommission erfüllte der Beschwerdeführer nicht die Anforderung einer "zweijährigen Tätigkeit bei einer internationalen Organisation bzw. im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit". Der Beschwerdeführer erachtete dies für falsch, weil er eine leitende Stellung im Gesundheitsministerium eines Mitgliedstaates innehatte. Die Kommission und der Beschwerdeführer führten einen Schriftwechsel über diese Frage, ohne jedoch zu einer Einigung zu gelangen. Vor diesem Hintergrund reichte der Beschwerdeführer die Beschwerde beim Europäischen Bürgerbeauftragten ein. Er erklärte, daß der Standpunkt der Kommission falsch sei.
UNTERSUCHUNG
Stellungnahme der Kommission
Die Kommission stellte in ihrer Stellungnahme fest, daß der zuständige Prüfungsausschuß die folgenden Kriterien für die Beurteilung, ob die Bewerber die Anforderung einer "zweijährigen Tätigkeit bei einer internationalen Organisation bzw. im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit" erfüllten, aufgestellt hatte:
- Internationale Organisation: mindestens zweijährige Tätigkeit bei Organisationen wie UNO, WHO, UNICEF, EU o.ä.;
- Bilaterale oder multilaterale Zusammenarbeit: vollzeitliche Tätigkeit von mindestens zwei Jahren, z.B. im Referat Zusammenarbeit eines nationalen Ministeriums oder eine Tätigkeit vor Ort in Entwicklungsländern.
Nach Auffassung der Kommission erfüllte der Beschwerdeführer keines dieser Kriterien, da er als engster politischer Mitarbeiter eines Ministers vier Jahre tätig war, und eine derartige Tätigkeit auf politischer Ebene in keinem Fall als mit einer zweijährigen vollzeitlichen Berufspraxis im Bereich der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit gleichwertig angesehen werden könne.
Bemerkungen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer hielt in seinen Bemerkungen die Beschwerde aufrecht. Er fügte ein Schreiben bei, das der Kommission am 4. Juni 1998, das heißt nach der Ablehnung seitens der Kommission, von einem Ministerialdirektor, der Leiter der Abteilung zentrale Verwaltung und internationale Beziehungen ist, übermittelt wurde. Gemäß diesem Schreiben war der Beschwerdeführer in vielfäl-tiger Weise in die bilateralen und multilateralen Fragen der Zusammenarbeit eingebunden.
ENTSCHEIDUNG
1 Ausschluß von dem Auswahlverfahren
1.1 Die Kommission hatte dem Beschwerdeführer die Teilnahme an einem Auswahlverfahren mit der Begründung verweigert, daß er die geforderte Art von Berufser-fahrung nicht besitzt. Der Beschwerdeführer hielt diese Entscheidung für falsch.
1.2 Die Frage ist somit, ob der Prüfungsausschuß die Berufserfahrung des Beschwerde-führers auf der Grundlage der in der Bekanntgabe des Auswahl-verfahrens enthaltenen Ausführungen richtig bewertet hat. Der relevante Passus ist "zweijährige Tätigkeit bei einer internationalen Organisation bzw. im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit".
1.3 Im Hinblick auf die Beurteilung, ob die Tätigkeit auf höchster Ebene in einem nationalen Gesund-heits-ministerium als eine Tätigkeit im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit angesehen werden kann, sei zunächst bemerkt, daß prima facie eine derartige Tätigkeit normalerweise nicht als Tätigkeit im Rahmen der bilateralen oder multilateralen Zusammenarbeit qualifiziert würde. Es kann jedoch nicht ausge-schlossen werden, daß die Tätigkeit tatsächlich eine Tätigkeit im Rahmen bilateraler oder multilateraler Zusammenarbeit einschließen könnte, und somit hätte dem nichts entgegen-gestanden, wenn der Prüfungsausschuß sich für eine breitere Auslegung dieses Passus entschieden hätte, so daß eine Tätigkeit wie die des Beschwerdeführers dadurch abgedeckt worden wäre. Zum anderen scheint nichts dem entgegen-zustehen, daß der Prüfungsausschuß eine restriktivere Auslegung der Anforderungen wählte und daher die in Frage stehende Tätigkeit als eine vollzeitliche Tätigkeit z.B. im Referat Zusammenarbeit eines nationalen Ministeriums hätte erfolgen müssen; in diesem Fall würde der Beschwerde-führer die Bedingungen nicht erfüllen. Im besonderen sei bemerkt, daß diese engere Auslegung dem Wortlaut der Bekanntgabe nicht zuwiderläuft und daher nicht gegen legitime Erwartungen, die die Bürger haben könnten, verstoßen wird. Der Prüfungsausschuß hat bei seiner Entscheidung für eine restriktivere Auslegung somit gegen keine für ihn bindende Vorschrift bzw. keinen derartigen Grundsatz verstoßen.
2 Schlußfolgerung
Auf der Grundlage der zu dieser Beschwerde vom Europäischen Bürgerbeauftragten durchgeführten Untersuchungen läßt sich kein Mißstand in der Verwaltungstätigkeit der Europäischen Kommission feststellen.
Der Präsident der Europäischen Kommission wird ebenfalls über diese Entscheidung unterrichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob SÖDERMAN
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