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Entscheidung des Europäischen Bürgerbeauftragten über die Beschwerde 545/98/(OV)/GG gegen die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln


Straßburg, 14. Juni 1999

Sehr geehrter Herr Dr. S.,
am 12. Mai 1998 reichten Sie Beschwerde gegen die Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) ein, und zwar bezüglich des Gutachtens Nr. 347/97 des Ausschusses für Tierarzneimittel dieser Agentur (CVMP). Diese Beschwerde ergänzten Sie mit Schreiben vom 29. Mai 1998.
Am 15. Juni 1998 leitete ich die Beschwerde an den Vorsitzenden des Verwaltungsrats der EMEA weiter. Die EMEA übermittelte ihre Stellungnahme am 20. Juli 1998, und ich übersandte Ihnen diese Stellungnahme mit der Bitte um Kommentierung. Sie haben sich nicht dazu geäußert.
Ich möchte Ihnen nunmehr schriftlich die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen mitteilen.

BESCHWERDE


Am 12. August 1994 ersuchte der Beschwerdeführer gemäß Artikel 7 der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 die Kommission um Feststellung der Rückstandshöchstmengen für ein von ihm hergestelltes homöopathisches Arzneimitel mit der Bezeichnung Aristolochia spp. 1995 empfahl der Ausschuß für Tierarzneimittel (CVMP) der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA), daß keine Rückstandshöchstmengen für verschiedene Substanzen ( zu denen auch Aristolochia spp. gehörte) zum Schutz der öffentlichen Gesundheit festgesetzt werden müßten, sofern die Konzentration solcher Stoffe in dem Produkt ein Zehntausendstel nicht übersteige. Die Kommission entsprach dieser Empfehlung, und das betreffende Arzneimittel wurde dementsprechend in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 (der eine Liste der Stoffe enthält, für die keine Rückstandshöchstmengen nötig sind) eingetragen.
1997 wiesen die zuständigen deutschen Behörden den CVMP darauf hin, daß im Hinblick auf Aristolochia spp. besondere Maßnahmen getroffen werden müßten, um die Gesundheit der Verbraucher zu schützen. Daraufhin gab der CVMP am 15. Oktober 1997 das Gutachten Nr. 347/97 heraus, in dem er zu dem Ergebnis kam, daß die Rückstände von Aristolochia spp. die Gesundheit des Verbrauchers gefährden könnten, und daher empfahl, den betreffenden Stoff in Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 einzutragen (der das Verzeichnis der Stoffe enthält, für die keine Höchstmengen festgelegt werden können).
Daraufhin legte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Bürgerbeauftragten ein (Beschwerde Nr. 1010/97/OV). In einem Schreiben vom 18. November 1997 teilte der Bürgerbeauftragte dem Beschwerdeführer mit, seine Beschwerde sei unzulässig, da er es versäumt habe, bei der betreffenden Behörde die geforderten administrativen Schritte zu unternehmen.
Der Beschwerdeführer wandte sich sodann an die EMEA und bat, die Empfehlung des CVMP noch einmal zu überprüfen. Zusammen mit dieser Bitte übermittelte er zwei von Experten erstellte toxikologische Gutachten. In einem Schreiben vom 20. Februar 1998 teilte die EMEA dem Beschwerdeführer mit, der CVMP habe die Angelegenheit erneut geprüft, sei jedoch schlußendlich zu der Ansicht gelangt, daß die Erklärungen des Beschwerdeführers keine Änderung seines früheren Gutachtens rechtfertigten.
Der Beschwerdeführer wandte sich daraufhin mit einer neuen Beschwerde folgenden Inhalts an den Bürgerbeauftragten: Erstens seien die Argumente, die er der EMEA vorgelegt habe, vom CVMP nicht berücksichtigt worden. Zweitens habe die EMEA (im Gegensatz zu ihrer üblichen Vorgehensweise bei der Prüfung homöopathischer Stoffe) dem Beschwerdeführer keine Frageliste zur Einziehung weiterer Informationen gesandt. Drittens habe der CVMP seines Wissens keinen Experten für homöopathische Arzneimittel bei der Prüfung des Produktes des Beschwerdeführers hinzugezogen.

UNTERSUCHUNG


Die Stellungnahme der EMEA
Die Stellungnahme der EMEA läßt sich folgendermaßen zusammenfassen:
Der CVMP erstellte sein Gutachten Nr. 347/97 nach erneuter Prüfung des betreffenden Arzneimittels auf der Grundlage zusätzlicher, umfassender toxikologischer Informationen, die noch nicht vorgelegen hatten, als 1995 die Empfehlung zur Einbeziehung dieses Arzneimittels in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 erging. Nachdem der Beschwerdeführer gegen dieses Gutachten Einwendungen erhoben hatte, prüfte der CVMP diese Einwände sowie das vom Beschwerdeführer vorgelegte Beweismaterial sorgfältig. Nach der ersten Diskussion in der Sitzung vom 13.-15. Januar 1998 verschob der Ausschuß seine endgültige Entscheidung über den Einspruch sogar bis zur Sitzung vom 10.-12. Februar, um seinen Mitgliedern zusätzliche Zeit zur Prüfung der Angelegenheit zu geben. Letzten Endes sah er sich jedoch gezwungen, sein früheres Gutachten zu bestätigen, da die Rückstände dieses Arzneimittels in Lebensmitteln tierischen Ursprungs eine Gefährdung der Gesundheit des Verbrauchers darstellen. Die Bemerkung des Beschwerdeführers, der CVMP habe seine Argumente nicht berücksichtigt, treffe daher nicht zu.
Zur zweiten Behauptung des Beschwerdeführers führte die EMEA aus, daß Fragelisten für Stoffe versandt würden, die zum erstenmal beurteilt würden. Für Aristolochia spp. habe die erste Bewertung bereits 1995 stattgefunden. Zusätzliche Informationen und umfangreiche Daten seien zusammen mit dem Ersuchen um erneute Bewertung vorgelegt worden. Es habe daher keine Notwendigkeit bestanden, weitere Fragen zu stellen.
Die Zusammensetzung des CVMP sei schließlich gemäß der Ratsverordnung (EG) Nr. 2309/93 festgelegt worden. Der CVMP, der von über 450 Experten unterstützt werde, decke einen sehr weiten Bereich veterinärmedizinischer Fachkenntnisse ab, der die veterinärmedizinische Homöopathie mitein-schließe. Diese Experten hätten als kompetent gegolten, als der CVMP 1995 empfohlen habe, homöopathische Arzneimittel in Anhang II der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 aufzunehmen.

ENTSCHEIDUNG


1 Prüfung der Argumente des Beschwerdeführers durch den CVMP
1.1 Nach Aussage des Beschwerdeführers hat der Ausschuß für Tierarzneimittel (CVMP) der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln (EMEA) die Argumente nicht berücksichtigt, die der Beschwerdeführer gegen das Gutachten 347/97 geltend gemacht hatte; in diesem Gutachten war der CVMP zu der Schlußfolgerung gelangt, Rückstände von Aristolochia spp. gefährdeten die Gesundheit der Verbraucher, weshalb dieses Arzneimittel in Anhang IV der Verordnung (EWG) Nr. 2377/90 aufgenommen werden solle. Nach Ansicht der EMEA hat der CVMP alle einschlägigen Argumente sorgfältig geprüft.
1.2 Nach Aussage der EMEA prüfte der CVMP die Argumente und das zu deren Unterstützung vorgelegte Beweismaterial des Beschwerdeführers sorgfältig und verschob sogar die endgültige Entscheidung in dieser Angelegenheit, um seinen Mitgliedern mehr Zeit für deren Prüfung zu lassen. Letztendlich - so die EMEA - habe der CVMP geglaubt, im Hinblick auf das Gesundheitsrisiko, das seiner Ansicht nach durch Aristolochia-Rückstände verursacht werde, keine andere Wahl zu haben, als seine ursprüngliche Entscheidung zu bestätigen. Unter diesen Umständen erachtet der Bürgerbeauftragte die Behauptung des Beschwerdeführers, der CVMP habe es versäumt, seine Argumente zu prüfen, als unbegründet.
2 Das Versäumnis, weitere Fragen zu stellen
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die EMEA habe sich nicht an das übliche Verfahren (bei homöopathischen Arzneimitteln) gehalten, Fragelisten zu versenden, um weitere Informationen über das betreffende Arzneimittel einzuholen. Nach Aussage der EMEA werden solche Fragelisten nur bei Stoffen versandt, die zum erstenmal beurteilt werden. Im Falle des Produktes des Beschwerdeführers seien keine weiteren Informationen benötigt worden, da das Arzneimittel bereits zuvor geprüft worden sei und die EMEA hinreichende Informationen erhalten hätte.
2.2 Grundsätzlich sollten Entscheidungen nur getroffen werden, wenn alle einschlägigen Daten ermittelt sind. Die Erklärung der EMEA dafür, daß sie im vorliegenden Fall die Versendung einer Frageliste für überflüssig erachtet hatte, erscheint jedoch plausibel.
3 Das Versäumnis, einen Experten für homöopathische Arzneimittel hinzuzuziehen
3.1 Der Beschwerdeführer beanstandet, daß der CVMP bei der Prüfung seines Falles keinen eigenen Experten für homöopathische Arzneimittel hinzugezogen habe. Nach Aussage der EMEA verfügt der CVMP über eine erhebliche Anzahl von Experten, die einen sehr weiten Bereich von Fachkenntnissen einschließlich der veterinärmedizinischen Homöopathie abdecken.
3.2 Die EMEA ist die Agentur der Europäischen Union für die Beurteilung von Arzneimitteln. Die dem Bürgerbeauftragten vorliegenden Informationen lassen nicht den Schluß zu, daß die EMEA nicht über das Personal und Fachwissen verfüge, die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlich sind. Nach Aussage der EMEA werden sie selbst und der CVMP von einer großen Zahl von Experten unterstützt, die einen sehr weiten Bereich von Fachkenntnissen auch in der veterinärmedizinischen Homöopathie abdecken. Daher ist der Umstand, daß der CVMP bei der Prüfung von Aristolochia keinen eigenen Experten für homöopathische Arzneimittel konsultierte bzw. hinzuzog, nicht als Mißstand in der Verwaltungstätigkeit zu werten.
4 Ergebnis
Die Untersuchungen des Europäischen Bürgerbeauftragten im vorliegenden Fall haben ergeben, daß kein Mißstand in der Verwaltungstätigkeit seitens der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln vorgelegen haben dürfte.
Der Vorsitzende des Verwaltungsrats der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln wird von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Jacob SÖDERMAN