Sie möchten Beschwerde gegen ein EU-Organ oder eine EU-Einrichtung einlegen?

Der Europäische Bürgerbeauftragte: Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament bezüglich der mangelnden Bereitschaft zur Mitarbeit der Europäischen Kommission in der Beschwerdesache 676/2008/RT

(Gemäß dem Statut des Europäischen Bürgerbeauftragten[1])

Einleitung

1. Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass der vorliegende Fall eine wichtige Frage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft und dass die Kommission versäumt hat, loyal mit dem Bürgerbeauftragten zusammenzuarbeiten, als dieser die Beschwerde untersuchte. Der Bürgerbeauftragte ersucht daher das Parlament um Unterstützung, damit die Kommission künftig ihrer Verpflichtung zu loyaler Zusammenarbeit nachkommt.

Der Hintergrund der Beschwerde

2. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um eine im Umweltbereich tätige Nichtregierungsorganisation. Am 1. März 2007 ersuchte der Beschwerdeführer die Kommission um Zugang zu Informationen und Dokumenten der Generaldirektion Unternehmen und Industrie (GD ENTR) und des früheren Vizepräsidenten der Kommission Günter Verheugen. Die angeforderten Informationen und Dokumente bezogen sich auf Treffen der Kommission mit Vertretern von Automobilherstellern, bei denen über die Herangehensweise der Kommission im Zusammenhang mit Kohlendioxidemissionen von Kraftfahrzeugen erörtert worden war. Die Kommission gewährte nur teilweisen Zugang zu den angeforderten Dokumenten.

3. Am 25. Juni 2007 richtete der Beschwerdeführer gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission („Verordnung (EG) Nr. 1049/2001“)[2] einen Zweitantrag an die Kommission, die am 9. August 2007 antwortete.

4. Bezüglich 18 Schreiben, die der frühere Vizepräsident Verheugen von verschiedenen Automobilherstellern erhalten hatte, teilte die Kommission dem Beschwerdeführer mit, dass sie zunächst deren Verfasser konsultieren müsse.[3] Die Kommission begründete dies damit, dass zu prüfen sei, ob für besagte Schreiben eine Ausnahmeregelung gemäß Artikel 4 Absatz 1[4] oder Artikel 4 Absatz 2[5] der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 in Bezug auf das Recht des Zugangs zu Dokumenten anwendbar ist. Die Kommission stellte gegenüber dem Beschwerdeführer klar, dass ihm im Anschluss an diese Konsultation zu sämtlichen Dokumenten Zugang gewährt werden würde, die keiner solchen Ausnahmeregelung unterlägen.

5. Am 14. November 2007 teilte die Kommission dem Beschwerdeführer mit, dass für 15 Schreiben keine anwendbare Ausnahmeregelung festgestellt werden konnte. Dementsprechend erhielt der Beschwerdeführer Zugang zu diesen Schreiben. Allerdings verweigerte die Kommission den Zugang zu drei Schreiben der Porsche AG an den früheren Vizepräsidenten Verheugen. In ihrer Entscheidung stützte sich die Kommission auf die Ausnahmeregelung in Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001[6], nämlich, dass die Freigabe der Dokumente den Schutz der geschäftlichen Interessen des Unternehmens beeinträchtige.

Der Gegenstand der Untersuchung

6. Der Beschwerdeführer warf der Kommission vor:

  1. sie habe den Zugang zu den Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage des ersten Unterabsatzes von Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fälschlich verweigert; und
  2. sie habe einen teilweisen Zugang zu den Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001[7] fälschlich verweigert.

Der Beschwerdeführer forderte:

  1. dass die Kommission uneingeschränkten Zugang zu den fraglichen Schreiben gewährt.

Die Untersuchung

7. Die Beschwerde wurde an die Kommission weitergeleitet mit dem Ersuchen, bis zum 31. Mai 2008 eine Stellungnahme zu deren Inhalt abzugeben. Die Kommission bat um eine Fristverlängerung, die auch gewährt wurde (bis zum 30. Juni 2008). Nachdem die Stellungnahme der Kommission eingegangen war, wurde sie an den Beschwerdeführer übermittelt. Dieser wurde aufgefordert, hierzu seine Anmerkungen vorzulegen, was er am 4. September 2008 tat.

8. Am 25. September 2008 untersuchten die Dienststellen des Bürgerbeauftragten gemäß Artikel 3 Absatz 2 des Statuts des Bürgerbeauftragten in den Räumlichkeiten der Kommission die Dokumente, auf die sich der Beschwerdeführer bezog.

9. Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Kommission erhielten eine Kopie des Berichts dieser Untersuchung.

10. Ausgehend von der durchgeführten Untersuchung richtete der Bürgerbeauftragte am 27. Oktober 2008 einen Empfehlungsentwurf an die Kommission.

Die Analyse und Schlussfolgerungen des Bürgerbeauftragten

A. Angebliches Versäumnis, Zugangs zu den relevanten Dokumenten zu gewähren, und entsprechende Forderung

Argumente, die dem Bürgerbeauftragten vorgelegt wurden

11. Der Beschwerdeführer machte geltend, die Kommission habe folgenden Dokumentenzugang fälschlich verweigert: (i) Zugang zu den Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001; sowie (ii) teilweisen Zugang zu den Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001. Zudem forderte der Beschwerdeführer, dass die Kommission uneingeschränkten Zugang zu den fraglichen Schreiben gewährt.

12. Der Beschwerdeführer argumentierte, die Kommission hätte keine hinreichende Erklärung gegeben, welche geschäftlichen Interessen der Porsche AG hier von Belang sein könnten, und hätte ferner das überwiegende öffentliche Interesse an der Verbreitung nicht berücksichtigt.

13. In ihrer Stellungnahme brachte die Kommission vor, dass aus den drei fraglichen Schreiben die spezifische Stellung der Porsche AG auf dem Automobilmarkt hervorginge. Zudem führte die Kommission an, dass sie keine weiteren Einzelheiten zum Inhalt der Schreiben nennen könne, ohne den Inhalt preiszugeben. Sie wiederholte, dass die Verbreitung der Schreiben den Schutz der geschäftlichen Interessen der Porsche AG beeinträchtigen würde.

14. Des Weiteren wies die Kommission darauf hin, dass sie durchaus die Prüfung des öffentlichen Interesses durchgeführt habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass die geschäftlichen Interessen der Porsche AG das öffentliche Interesse an der Verbreitung der Schreiben überwögen. Sie ergänzte, dass die Gewährung eines teilweisen Zugriffs nicht möglich gewesen sei, da die Schreiben keine Abschnitte enthielten, die ohne Beeinträchtigung der geschäftlichen Interessen der Porsche AG verbreitet werden könnten.

Die Beurteilung des Bürgerbeauftragten, die zum Empfehlungsentwurf führte

15. Laut Artikel 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 besteht der Zweck dieser Verordnung in der Gewährleistung eines größtmöglichen Zugangs zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind sämtliche Ausnahmen von diesem Grundsatz eng auszulegen.

16. Damit eine Zugangsverweigerung Gültigkeit besitzt, muss die Kommission den nachstehenden Beurteilungsablauf eingehalten und Folgendes geprüft haben:

(i) erstens, ob das geforderte Dokument unter eine der Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fällt;

(ii) zweitens, ob die Verbreitung dieses Dokuments das geschützte Interesse tatsächlich konkret verletzt;

(iii) drittens, ob nicht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung des betreffenden Dokuments besteht; und

(iv) viertens, ob das gesamte fragliche Dokument geschützt werden muss.

17. Die Kommission verweigerte dem Beschwerdeführer Zugang zu den fraglichen Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage des ersten Aufzählungspunktes von Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001, wonach die „Organe den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung … der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums“ beeinträchtigt würde, verweigern.

18. Die Porsche AG übermittelte die fraglichen Schreiben im Zusammenhang mit einer Konsultation der Kommission unter wichtigen Interessengruppen bezüglich der Überarbeitung der Gemeinschaftsstrategie zur Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen von Personenkraftwagen. Es lag daher nahe, dass die drei Schreiben Informationen über die Geschäftsbeziehungen der Porsche AG enthielten. Folglich könnte die Kommission der Ansicht gewesen sein, dass diese unter die Ausnahmeregelungen gemäß Artikel 4 Absatz 2 Aufzählungspunkt 1 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fallen.

19. Die Dienststellen des Bürgerbeauftragten untersuchten die drei Schreiben der Porsche AG sowie einen E-Mail-Austausch zwischen der Kommission und Porsche, in dem die Kommission Porsche davon in Kenntnis setzte, dass sie keine Verbreitung der drei Schreiben beabsichtige.

20. Im Zuge der Untersuchung kam der Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass die Kommission den Zugang zu den Schreiben der Porsche AG auf der Grundlage von Artikel 4 Absatz 2 Aufzählungspunkt 1 sowie von Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 fälschlich verweigert hat und dass ein Missstand in der Verwaltungstätigkeit vorliegt. Am 27. Oktober 2008 richtete der Bürgerbeauftragte einen Empfehlungsentwurf an die Kommission, in dem die Einzelheiten der faktischen und rechtlichen Analyse des Bürgerbeauftragten enthalten sind.[8] Der operative Teil des Empfehlungsentwurfs lautete folgendermaßen:

Die Kommission sollte uneingeschränkten Zugang zu den drei Schreiben der Porsche AG an den früheren Vizepräsidenten Verheugen gewähren oder die Schreiben eventuell teilweise zugänglich machen.

Auf der Grundlage von Artikel 195 EG (jetzt Artikel 228 AEUV) forderte der Bürgerbeauftragte die Kommission auf, innerhalb von drei Monaten, also bis zum 31. Januar 2009, eine ausführliche Stellungnahme abzugeben.

Die Entwicklungen nach dem Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten

22. Die Kommission reagierte nicht auf den Empfehlungsentwurf. Stattdessen beantragte sie in den sechs Monaten nach der vom Bürgerbeauftragten gesetzten Antwortfrist wiederholt Fristverlängerung. Die Anträge wurden am 30. Januar, 23. Februar, 26. März, 29. April 2009, 29. Mai und am 26. Juni 2009 gestellt.

23. Der Bürgerbeauftragte gab allen Verlängerungsanträgen der Kommission statt. Allerdings wies er in seinem Schreiben an die Kommission vom 3. Juli 2009 darauf hin, dass es nicht ersichtlich sei, weshalb das Verfassen einer ausführlichen Stellungnahme so viel Zeit in Anspruch nehme, dass eine sechste Fristverlängerung dafür nötig sei.

24. Am 17. Juli 2009 antwortete die Kommission auf das oben erwähnte Schreiben des Bürgerbeauftragten. Sie erklärte, dass sie nicht in der Lage sei, eine substanzielle Antwort auf den Empfehlungsentwurf zu geben, da die Konsultation des Dritten zur vorgeschlagenen Verbreitung der Dokumente noch nicht abgeschlossen sei. Diesbezüglich führte die Kommission Folgendes an: Sofern sie gemäß Artikel 5 Absatz 6 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung 1049/2001 („der Durchführungsbestimmungen“) im Anhang des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission[9] beabsichtigt, gegen den ausdrücklichen Wunsch des Verfassers Zugang zu Dokumenten Dritter zu gewähren, „unterrichtet sie den Verfasser über ihre Absicht, das Dokument ... freizugeben, und verweist ihn auf die Rechtsmittel, die ihm zur Verfügung stehen, um diese Freigabe zu verhindern“. Der Kommission zufolge könnte die Porsche AG "keine solchen Rechtsmittel in Anspruch nehmen, wenn die Kommission infolge des Empfehlungsentwurfs des Bürgerbeauftragten die Dokumente gegen den Willen von Porsche zugänglich machte". Die Kommission erklärte, es sei ihr bewusst, dass sie die Antwort auf den Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten nicht endlos hinauszögern könne. Allerdings ziehe sie es vor, sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, eine Einigung mit dem Dritten zu erzielen, anstatt lediglich ihre Entscheidung zu bekräftigen, die Dokumente nicht zugänglich zu machen.

25. Am 30. September 2009 schickte die Kommission ein weiteres Schreiben an den Bürgerbeauftragten. In diesem hieß es, dass sich die Kommission entschlossen habe, teilweisen Zugang zu den drei Schreiben zu gewähren und dass sie daher redigierte Fassungen der Dokumente erstellt habe. Offenbar hat die Kommission der Porsche AG informell die Gewährung eines teilweisen Zugangs vorgeschlagen. Die Porsche AG hat es jedoch versäumt, sich dazu zu äußern. Infolgedessen beschloss die Kommission, die Porsche AG offiziell über ihre Absicht zu benachrichtigen, redigierte Fassungen der drei Schreiben zugänglich zu machen. Hierbei verwies die Kommission darauf, dass sie, sofern sie beabsichtigt, gegen den ausdrücklichen Wunsch des Verfassers Zugang zu Dokumenten Dritter zu gewähren, gemäß Artikel 5 Absatz 6 der Durchführungsbestimmungen die Wirkungen ihrer Entscheidung zur Zugangsgewährung für zehn Arbeitstage aussetzt, um dem Verfasser die Gelegenheit zu geben, diese Entscheidung gerichtlich anzufechten und einstweilige Anordnungen zu verlangen. Die Kommission beschloss daher, die Verbreitung der drei Schreiben um zehn Arbeitstage ab dem Datum des Eingangs der Benachrichtigung bei der Porsche AG aufzuschieben.

26. Am 27. Oktober 2009 gaben die Dienststellen der Kommission zu verstehen, dass das Schreiben der Kommission vom 30. September die endgültige Antwort der Kommission zum Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten darstelle. Die Kommission erklärte ferner, dass sie nicht vorhabe, dem Bürgerbeauftragten eine weitere Antwort zu dieser Sache zu übermitteln. Sie gab an, dass das Benachrichtigungsschreiben an Porsche über ihre Absicht zur Verbreitung der drei Schreiben zum Übersetzen gegeben worden sei und Porsche Anfang 2009 zugeschickt würde. Sie machte erneut deutlich, dass die Zehntagesfrist an dem Zeitpunkt beginnen würde, an dem besagte Benachrichtigung bei der Porsche AG einginge. Aus diesem Grund könne das "Verfahren der Verbreitung der drei Schreiben nicht vor Mitte November 2009" erfolgen. Die Kommission stellte abschließend fest, dass sie dem Bürgerbeauftragten auf dessen Wunsch eine Kopie des an Porsche gesandten Benachrichtigungsschreibens zukommen lassen könne.

27. Am 9. November 2009 schickte der Bürgerbeauftragte der Kommission ein weiteres Schreiben, in dem er darum bat, (i) eine Kopie der von der Kommission an die Porsche AG gesandten Benachrichtigung zu erhalten und (ii) über das Ergebnis des von der Kommission in die Wege geleiteten Verfahrens zur Gewährung des Zugangs zu den fraglichen Schreiben unterrichtet zu werden.

28. Am 4. Dezember 2009 teilten die Dienststellen der Kommission den Dienststellen des Bürgerbeauftragten telefonisch mit, dass (i) das Benachrichtigungsschreiben in Kürze der Porsche AG zugeschickt und (ii) der Bürgerbeauftragte eine Kopie dieses Schreibens erhalten würde. Nach Rücksprache mit den Dienststellen der Kommission zeigte sich, dass das Benachrichtigungsschreiben an Porsche zum 15. Dezember 2009 offenbar immer noch nicht verschickt worden war.

Die Beurteilung des Bürgerbeauftragten

29. Der Bürgerbeauftragte verweist auf Artikel 228 AEUV (vormals Artikel 195 EG), in dem es heißt: „Hat der Bürgerbeauftragte einen Missstand festgestellt, so befasst er das betreffende Organ […], das […] über eine Frist von drei Monaten verfügt, um ihm seine bzw. ihre Stellungnahme zu übermitteln.“ (Betonung hinzugefügt).

30. Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass die Kommission in der vorliegenden Sache ihre Stellungnahme nicht innerhalb der in Artikel 228 AEUV vorgesehenen Dreimonatsfrist, also bis zum 31. Januar 2009, eingereicht hat. Stattdessen beantragte die Kommission sechs Fristverlängerungen, um ihre ausführliche Stellungnahme zum Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten vorzulegen. Im Juli 2009 und erneut im September 2009 setzte der Bürgerbeauftragte das Generalsekretariat der Kommission von seiner Absicht in Kenntnis, dem Parlament einen Sonderbericht vorzulegen, sofern er keine Antwort auf seinen Empfehlungsentwurf erhielte. Erst dann erklärte die Kommission, dass sie nicht in der Lage sei, eine substanzielle Antwort auf den Empfehlungsentwurf zu geben, da die Konsultation des Dritten zur vorgeschlagenen Verbreitung der Dokumente noch nicht abgeschlossen sei. Die Kommission erklärte, es sei ihr bewusst, dass sie die Antwort auf den Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten nicht endlos hinauszögern könne. Sie fügte jedoch hinzu, dass sie es vorziehe, sämtliche Möglichkeiten auszuschöpfen, eine Einigung mit dem Dritten zu erzielen, anstatt lediglich "ihre Entscheidung zu bekräftigen, die Dokumente nicht zugänglich zu machen".

31. Am 30. September 2009 schickte die Kommission ein weiteres Schreiben an den Bürgerbeauftragten. In diesem hieß es, dass sich die Kommission entschlossen habe, teilweisen Zugang zu den drei Schreiben zu gewähren und dass sie daher redigierte Fassungen der Dokumente erstellt habe. Offenbar hat die Kommission der Porsche AG informell die Gewährung eines teilweisen Zugangs vorgeschlagen. Die Porsche AG hat es jedoch versäumt, der Kommission ihre Meinung in dieser Angelegenheit mitzuteilen. Infolgedessen kam die Kommission offenbar zu dem Schluss, dass sie die Porsche AG formell über ihre Absicht benachrichtigen müsse.

32. Bis dato, d. h. bis zum Datum der Vorlage dieses Sonderberichts, verfügt der Bürgerbeauftragte über keinerlei Informationen, dass die Kommission der Porsche AG dieses Benachrichtigungsschreiben tatsächlich zugeschickt hat.

33. Der Bürgerbeauftragte erachtet die Begründung der Kommission für ihr Nichtreagieren auf den Empfehlungsentwurf als nicht überzeugend.

34. In ihren diversen Mitteilungen in dieser Angelegenheit erklärte die Kommission, sie könne ihrer vertraglichen Verpflichtung, auf den Empfehlungsentwurf zu antworten, nicht nachkommen, weil die Konsultation mit der Porsche AG bezüglich der vorgeschlagenen Verbreitung der fraglichen Dokumente nicht abgeschlossen sei. Die Kommission rechtfertigte die Dauer dieser Konsultation mit zwei Argumenten: (i) der Aussicht auf ein positives Ergebnis der Verhandlungen mit der Porsche AG bezüglich der vorgeschlagenen Verbreitung; und (ii) der Notwendigkeit, der Porsche AG einen angemessenen Zeitraum zuzugestehen, in dem das Unternehmen Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Kommission einlegen könne, die fraglichen Dokumente zugänglich zu machen.

35. Was das erste Argument der Kommission angeht, erinnert der Bürgerbeauftragte daran, dass die Kommission im Rahmen der in Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 vorgesehenen Konsultationen[10] eine Frist festlegen muss, innerhalb der der externe Verfasser eines Dokuments zu antworten hat. Diese Frist muss es der Kommission ermöglichen, ihre eigenen Beantwortungsfristen zu wahren.[11] Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten beinhalten die eigenen Fristen der Kommission zwangsläufig auch die im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union festgelegte Frist zur Abgabe einer ausführlichen Stellungnahme zu einem Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten.

36. In Bezug auf das zweite Argument der Kommission stellt der Bürgerbeauftragte fest, dass die Verfahrensregeln der Kommission vorschreiben, dass die Kommission, sofern sie beabsichtigt, gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Verfassers den Zugang zu einem Dokument zu gewähren, den Verfasser über ihre diesbezügliche Absicht unterrichtet und ihn auf die Rechtsmittel verweist, die ihm zur Verfügung stehen, um diese Freigabe zu verhindern.[12] In diesem Zusammenhang weist der Bürgerbeauftragte darauf hin, dass die Kommission elf Monate gebraucht hat, ihn von ihrer Absicht in Kenntnis zu setzen, Zugang zu den Schreiben der Porsche AG zu gewähren. Darüber hinaus scheint die Kommission selbst zum Zeitpunkt der Vorlage des betreffenden Sonderberichts vor dem Parlament, also mehr als 15 Monate nach Veröffentlichung des Empfehlungsentwurfs, die Porsche AG immer noch nicht über ihre Absicht zur Freigabe der Dokumente unterrichtet zu haben, damit Porsche seine Rechte wahrnehmen kann.

37. Angesichts des Vorstehenden ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass die Konsultation mit der Porsche AG und die Notwendigkeit, der Porsche AG die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen, die ungewöhnliche Verzögerung der Kommission zunächst bei der Antwort auf den Empfehlungsentwurf und anschließend bei der Umsetzung ihrer Entscheidung, die Porsche AG über ihre Absicht zur Freigabe der Dokumente zu unterrichten, nicht rechtfertige. In diesem Zusammenhang erinnert der Bürgerbeauftragte an die einschlägige Rechtsprechung in Bezug auf den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (vormals Artikel 10 EG, materiell durch Artikel 4 Absatz 3 Vertrag über die Europäische Union ersetzt)[13], wonach die Organe der Union in ihren Beziehungen zur loyalen Zusammenarbeit untereinander verpflichtet sind. Diese Verpflichtung ist in dem neuen Artikel 13 Absatz 2 EUV[14] klar geregelt.

38. Der Bürgerbeauftragte kommt mit großem Bedauern zu dem Schluss, dass die Kommission durch die 15-monatige Verzögerung ihrer Antwort auf seinen Empfehlungsentwurf sowie durch das Versäumnis, die Porsche AG über ihre Freigabeabsicht zu unterrichten, ihre Verpflichtung verletzt hat, loyal mit ihm zusammenzuarbeiten.

39. Der Bürgerbeauftragte betont, dass die Haltung der Kommission nicht nur dem interinstitutionellen Dialog abträglich ist, sondern auch dem öffentlichen Ansehen der EU. Er weist darauf hin, dass er im Laufe der betreffenden Untersuchung einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit festgestellt und der Kommission jede Möglichkeit gegeben hat, diesen zu beseitigen. Die unkooperative Haltung der Kommission in diesem Zusammenhang gefährdet das Vertrauen der Bürger in die Kommission und untergräbt die Fähigkeit des Europäischen Bürgerbeauftragten und des Europäischen Parlaments, die Kommission ausreichend und effektiv zu überwachen. Sie läuft dem Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit zuwider, auf dem die EU u. a. fußt (Artikel 2 EUV).

40. Der Bürgerbeauftragte hält es daher angesichts der Haltung der Kommission bei der betreffenden Untersuchung für gerechtfertigt, dem Parlament einen Sonderbericht vorzulegen.

B. Die Empfehlung des Bürgerbeauftragten

Angesichts des Vorstehenden fordert der Bürgerbeauftragte das Europäische Parlament auf, der Kommission Folgendes nahezulegen:

(i) dass die Kommission einräumt, dass die übermäßigen Verzögerungen bei ihrer Antwort an den Bürgerbeauftragten in dieser Angelegenheit eine Verletzung ihrer Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit im Sinne des EUV darstellt;

und

(ii) dass die Kommission dem Europäischen Parlament gegenüber versichert, ihrer Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit dem Bürgerbeauftragten künftig nachzukommen.

Das Europäische Parlament könnte die Verabschiedung einer entsprechenden Entschließung in Erwägung ziehen.

 

P. Nikiforos Diamandouros

Geschehen zu Straßburg am 24. Februar 2010


[1] Beschluss 94/262/EGKS, EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten (ABl. L 113 vom 4.5.1994, S. 15, zuletzt geändert durch den Beschluss 2008/587/EG, Euratom des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2008 (ABl. L 189 vom 17.7.2008, S. 25).

[2] ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43. Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung 1049/2001 lautet: „Im Fall einer vollständigen oder teilweisen Ablehnung kann der Antragsteller binnen fünfzehn Arbeitstagen nach Eingang des Antwortschreibens des Organs einen Zweitantrag an das Organ richten und es um eine Überprüfung seines Standpunkts ersuchen.

[3] Artikel 4 Absatz 4 der Verordnung 1049/2001 lautet wie folgt: „Bezüglich Dokumente Dritter konsultiert das Organ diese, um zu beurteilen, ob eine der Ausnahmeregelungen der Absätze 1 oder 2 anwendbar ist, es sei denn, es ist klar, dass das Dokument verbreitet werden muss bzw. nicht verbreitet werden darf.

[4] Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EG) ;Nr. ;1049/2001 lautet wie folgt: „Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

a) der Schutz des öffentlichen Interesses im Hinblick auf:

- die öffentliche Sicherheit,

- die Verteidigung und militärische Belange,

- die internationalen Beziehungen,

- die Finanz-, Währungs- oder Wirtschaftspolitik der Gemeinschaft oder eines Mitgliedstaats;

b) der Schutz der Privatsphäre und der Integrität des Einzelnen, insbesondere gemäß den Rechtsvorschriften der Gemeinschaft über den Schutz personenbezogener Daten.

[5] Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung ;(EG) ;Nr. ;1049/2001 lautet wie folgt: „Die Organe verweigern den Zugang zu einem Dokument, durch dessen Verbreitung Folgendes beeinträchtigt würde:

- der Schutz der geschäftlichen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person, einschließlich des geistigen Eigentums,

- der Schutz von Gerichtsverfahren und der Rechtsberatung,

- der Schutz des Zwecks von Inspektions-, Untersuchungs- und Auditätigkeiten, es sei denn, es besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Verbreitung.

[6] Siehe Fußnote 5.

[7] Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung 1049/2001 lautet wie folgt: „Wenn nur Teile des angeforderten Dokuments einer der Ausnahmen unterliegen, werden die übrigen Teile des Dokuments freigegeben.

[8] Der Empfehlungsentwurf wird auf der Website des Bürgerbeauftragten veröffentlicht:
http://www.ombudsman.europa.eu/cases/draftrecommendation.faces/de/3735/html.bookmark.

[9] Beschluss 2001/937/EG,EGKS,Euratom der Kommission vom 5. Dezember 2001 zur Änderung ihrer Geschäftsordnung (bekanntgegeben unter Aktenzeichen K(2001) 3714, ABl. L 345 vom 29.12.2001, S. 94.

[10] Siehe Fußnote 3.

[11] Artikel 5 Absatz 5 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung 1049/2001 im Anhang des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission lautet: „Der konsultierte Dritte verfügt über eine Beantwortungsfrist, die mindestens fünf Werktage beträgt und es gleichzeitig der Kommission ermöglichen muss, ihre eigenen Beantwortungsfristen zu wahren.

[12] Gemäß den Bestimmungen in Artikel 5 Absatz 6 der Durchführungsbestimmungen zur Verordnung 1049/2001 im Anhang des Beschlusses 2001/937/EG, EGKS, Euratom der Kommission.

[13] Rechtssache 230/81 Luxemburg/Parlament, Slg. 1983, 255, Randnummer 37 und Rechtssache 204/86 Griechenland/Rat, Slg. 1988, 5323, Randnummer 16.

[14] Artikel 13 Absatz 2 EUV lautet wie folgt: „Jedes Organ handelt nach Maßgabe der ihm in den Verträgen zugewiesenen Befugnisse nach den Verfahren, Bedingungen und Zielen, die in den Verträgen festgelegt sind. Die Organe arbeiten loyal zusammen.