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Sonderbericht des Europäischen Bürgerbeauftragten an das Europäische Parlament im Anschluss an den Empfehlungsentwurf an die Kommission in der Beschwerde 2591/2010/GG
Sonderbericht
Fall 2591/2010/GG - Geöffnet am Montag | 20 Dezember 2010 - Empfehlung vom Freitag | 29 Juli 2011 - Sonderbericht vom Montag | 14 Mai 2012 - Entscheidung vom Montag | 14 Mai 2012 - Betroffene Institution Europäische Kommission ( Im Anschluss an einen Sonderbericht abgeschlossene Fälle )
In Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 6 des Statuts des Europäischen Bürgerbeauftragten[1]
Zusammenfassung
1. Der vorliegende Fall betrifft den Umgang der Europäischen Kommission mit einer Beschwerde, die ihr im Jahre 2006 von 27 Bürgerinitiativen (den "Beschwerdeführern") vorgelegt wurde. Die Beschwerde richtete sich gegen die nach Ansicht der Beschwerdeführer nachteiligen Folgen der Erweiterung des Flughafens Wien. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass die fraglichen Arbeiten ohne die obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung („UVP“) durchgeführt worden waren. Um dieses Versäumnis zu beheben, vereinbarte die Kommission mit den österreichischen Behörden, dass diese eine ex-post-UVP durchführen sollten. Der Schlussbericht zu diesem Verfahren wurde der Kommission im Februar 2011 vorgelegt.
2. Die Beschwerdeführer waren unzufrieden mit der Art und Weise, in der die ex-post-UVP durchgeführt wurde. Unter anderem rügten sie, (1) dass die für das maßgebliche Verfahren zuständige Behörde dieselbe Behörde war, die Genehmigungen für die betroffenen Arbeiten erteilt hatte und sich somit in einem offensichtlichen Interessenkonflikt befand und (2) dass sie, anders als in der maßgeblichen EU-Richtlinie vorgesehen, keinen Zugang zu einem Überprüfungsverfahren im Sinne der Öffentlichkeitsbeteiligung hatten.
3. Im Jahre 2008 wandten sich die Beschwerdeführer an den Europäischen Bürgerbeauftragten. Nach einer Prüfung des Falls kam der Bürgerbeauftragte zu der Auffassung, dass die Argumente der Beschwerdeführer hinsichtlich der beiden oben genannten Punkte auf den ersten Blick fundiert schienen und er daher zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, feststellen, dass die Kommission die ordnungsgemäße Durchführung der ex-post-UVP sichergestellt hatte. Da aber das Verfahren noch lief und die Kommission versichert hatte, dass sie das Vertragsverletzungsverfahren erst dann schließen würde, wenn sie sich vergewissert habe, dass die österreichischen Behörden die notwendigen Schritte unternommen hätten, kam der Bürgerbeauftragte zu dem Schluss, dass zu diesem Zeitpunkt kein weiterer Handlungsbedarf seinerseits bestand. Er schloss daher seine Untersuchung im Dezember 2009 ab, wobei er klarstellte, dass er darauf vertraue, dass die Kommission seinen Erkenntnissen Rechnung tragen würde.
4. Im November 2010 wandten sich die Beschwerdeführer erneut an den Bürgerbeauftragten. Der Bürgerbeauftragte leitete daraufhin eine zweite Untersuchung ein, in deren Verlauf er Einsicht in die Akte der Kommission nahm. Die Einsichtnahme ergab, dass die Akte keinen weiteren einschlägigen Schriftwechsel zwischen der Kommission und Österreich in der Zeit der Durchführung der ex-post-UVP enthielt. Insbesondere gab es keinerlei Hinweis darauf, dass die Anmerkungen, welche die Beschwerdeführer in dieser Zeit gemacht hatten, schriftlich mit den österreichischen Behörden diskutiert worden wären. Auch die Entscheidung des Bürgerbeauftragten zu der Beschwerde 1532/2008 hatte offenbar keinen derartigen Schriftwechsel veranlasst. Dieser Sachverhalt führte den Bürgerbeauftragten zu der Schlussfolgerung, dass die Kommission die Ergebnisse seiner ersten Untersuchung nicht berücksichtigt hatte. Er legte daher einen Empfehlungsentwurf vor, in dem er die Kommission dringend ersuchte, ihre Position zu überdenken. Dieser Empfehlungsentwurf hatte nicht den gewünschten Erfolg.
5. Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass der vorliegende Fall ein beklagenswertes Beispiel für eine Situation darstellt, in der die Kommission (1) es versäumte, angemessene Abhilfemaßnahmen im Hinblick auf eine klare Verletzung des EU-Rechts in einem wichtigen Fall zu ergreifen und (2) es vorzog, den Rat des Bürgerbeauftragten zu ignorieren. Er hält es deshalb für angemessen, den Fall vor das Europäische Parlament zu bringen.
Der Hintergrund der Beschwerde
6. Seit 1999 erfolgte eine Verbesserung und Erweiterung der Infrastruktur des Flughafens Wien durch eine Reihe von Bauprojekten, die von den österreichischen Behörden genehmigt wurden. Nachdem die Beschwerdeführer die Kommission auf diese Projekte aufmerksam gemacht hatten, gelangte diese zu dem Schluss, dass eine UVP gemäß der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten[2] erforderlich gewesen wäre. Allerdings vertrat die Kommission die Auffassung, dass der von der Richtlinie 85/337/EWG verfolgte Zweck nicht erreicht werden könne, wenn ein Projekt genehmigt wird, ohne dass eine UVP durchgeführt worden wäre und wenn dieses Projekt - wie im vorliegenden Fall - bereits realisiert oder fast abgeschlossen ist. Daher vereinbarte die Kommission in Verhandlungen mit Österreich, das Vertragsverletzungsverfahren nicht weiter zu verfolgen, sofern Österreich eine „ex-post-UVP" durchführen würde, die soweit möglich einer ex-ante-UVP entsprechen und eine umfassende Beurteilung der Umweltauswirkungen der betreffenden Projekte ermöglichen würde.
7. Die Beschwerdeführer rügten die Vorgehensweise der Kommission in diesem Fall. Sie wandten sich deshalb an den Bürgerbeauftragten (Beschwerde 1532/2008/(WP)GG).
8. In seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2009, stellte der Bürgerbeauftragte unter anderem folgendes fest:
- Die mit der Durchführung der ex-post-UVP beauftragte Behörde war das österreichische Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Die Kommission hatte nicht bestritten, dass dieses Ministerium einige der Genehmigungen für das betreffende Vorhaben erteilt hatte. Dies bedeutete, dass die ex-post-UVP einer Behörde anvertraut wurde, die es ursprünglich versäumt zu haben schien, sich zu vergewissern, dass die Richtlinie 85/337/EWG beachtet wurde. In Anbetracht dessen erschien das Argument der Beschwerdeführer, durch die Hinzuziehung des BMVIT sei ein offensichtlicher Interessenkonflikt entstanden, auf den ersten Blick durchaus begründet zu sein.
- Die Kommission hatte vorgetragen, dass die ex-post-UVP gemäß den Artikeln 5 bis 10 der Richtlinie 85/337/EWG durchgeführt würde. Nach Ansicht der Beschwerdeführer hätte jedoch auch Artikel 10a zur Anwendung kommen müssen. Gemäß Artikel 10a Artikel haben „Mitglieder der Öffentlichkeit“ unter bestimmten Voraussetzungen „Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten“. Die Kommission hatte erklärt, dass sie sich nicht um die ausdrückliche Zusicherung Österreichs zur Anwendbarkeit von Artikel 10a der Richtlinie 85/337/EWG bemüht habe, als der Durchführung einer ex-post-UVP zugestimmt wurde, da diese Bestimmung materielles Recht darstelle und nicht zum Gegenstand einer Vereinbarung mit Mitgliedstaaten gemacht werden könne. Dieses Argument war dem Bürgerbeauftragten unverständlich. Unabhängig davon, ob Artikel 10a materielles Recht oder Verfahrensrecht darstellt, war nicht ersichtlich, was die Kommission daran hindern konnte, von den österreichischen Behörden eine ausdrückliche Zusicherung über die Beachtung dieser Bestimmung einzuholen, sofern sie im vorliegenden Fall anwendbar war.
9. Angesichts dieser Umstände vertrat der Bürgerbeauftragte den Standpunkt, dass er zum damaligen Zeitpunkt nicht zu der Schlussfolgerung gelangen konnte, dass die Kommission für die ordnungsgemäße Durchführung der ex-post-UVP gesorgt und somit das den Flughafen Wien betreffende Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich ordnungsgemäß geführt hatte.
10. Der Bürgerbeauftragte wies jedoch zugleich darauf hin, dass weder die ex-post-UVP noch die Untersuchung der Kommission abgeschlossen worden waren. Der Bürgerbeauftragte wies weiter darauf hin, dass die Kommission den Beschwerdeführern mitgeteilt hatte, dass sie eine Einstellung des Vertragsverletzungsverfahrens erst dann vorschlagen werde, wenn sie sich vergewissert habe, dass etwaige relevante Auswirkungen angemessen bewertet worden seien und Österreich insbesondere die nötigen Schritte eingeleitet habe, um den Prüfungsergebnissen praktische Wirkung zu verleihen.
11. Unter diesen Umständen war der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass es zum damaligen Zeitpunkt keinen Anlass für weitere Untersuchungen in dieser Angelegenheit gab Der Bürgerbeauftragte wies jedoch in seiner Entscheidung vom Dezember 2009, mit der er seine Untersuchung abschloss, darauf hin, dass er darauf vertraue, dass die Kommission seine Erkenntnisse beachten werde.
12. Am 30. November 2010 wandten sich die Beschwerdeführer erneut an den Bürgerbeauftragten (Beschwerde 2591/2010/GG). In ihrer neuen Beschwerde wiesen sie darauf hin, dass die Kommission ihres Wissens keine weiteren Schritte unternommen habe, um nach der Entscheidung des Bürgerbeauftragten das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich fortzuführen.
Der Gegenstand der Untersuchung
13. Der Bürgerbeauftragte entschied daher, eine zweite Untersuchung zu dem folgenden Beschwerdepunkt und der folgenden Forderung aufzunehmen:
Beschwerdepunkt:
Die Kommission habe es versäumt, ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich betreffend den Flughafen Wien ordnungsgemäß durchzuführen, insbesondere aufgrund ihres Versäumnisses, für eine ordnungsgemäße Durchführung der Umweltverträglichkeitsprüfung zu sorgen.
Forderung:
Die Kommission sollte entweder für eine ordnungsgemäße nachträgliche Umweltverträglichkeitsprüfung sorgen, einschließlich eines Überwachungsmechanismus, in dem die Beschwerdeführer das Recht haben, sich zu beteiligen, oder, wenn dies nicht möglich ist, eine Klage beim Gerichtshof der Europäischen Union einbringen.
Die Untersuchung
14. Nachdem der Bürgerbeauftragte die Stellungnahme der Kommission sowie die Anmerkungen der Beschwerdeführer erhalten hatte, beschloss er, Einsicht in die Akte der Kommission zu nehmen.
15. Am 29. Juli 2011 richtete der Bürgerbeauftragte einen Empfehlungsentwurf an die Kommission.
16. Am 17. November 2011 übermittelte die Kommission ihre begründete Stellungnahme zu dem Empfehlungsentwurf.
17. Die Beschwerdeführer teilten dem Bürgerbeauftragten anschließend mit, dass sie die Haltung der Kommission nicht mehr kommentieren wollten. Sie wiesen darauf hin, dass sie ihre Argumente der Kommission immer wieder vorgelegt hatten und fragten, ob der Bürgerbeauftragte in der Lage wäre, etwas für sie zu tun oder ob die Luftfahrt-Lobby einen endgültigen Sieg über das Gesetz und die Rechte der Bürger erringen würde.
Die Analyse und Schlussfolgerungen des Europäischen Bürgerbeauftragten
A. Der Beschwerdepunkt der nicht korrekten Durchführung des Vertragsverletzungsverfahren und die damit zusammenhängende Forderung
Argumente, die dem Bürgerbeauftragten vorgelegt wurden
18. Die Beschwerdeführer trugen erneut vor, dass die Kommission das Vertragsverletzungsverfahren nicht ordnungsgemäß durchführe. Sie kritisierten besonders, dass ihr Beschwerderecht gemäß Artikel 10a der Richtlinie 85/337/EWG verletzt worden sei.
19. In ihrer Stellungnahme trug die Kommission erneut vor, dass es angemessen und vernünftig sei, das Vertragsverletzungsverfahren nicht weiter zu verfolgen, solange Österreich eine ex-post-UVP ausarbeite, die soweit wie möglich einer ex-ante-UVP entspreche. Die Kommission legte auch die Schritte dar, die die österreichischen Behörden in diesem Zusammenhang unternahmen.
20. Die Kommission wies darauf hin, dass die österreichischen Behörden ihren endgültigen Bericht über die ex-post-UVP am 15. Februar 2011 übersandt hatten. Die Kommission bekräftigte, dass sie das Vertragsverletzungsverfahren solange nicht abschließen werde, bis sie überzeugt sei, dass möglicherweise relevante Auswirkungen der verschiedenen Flughafenerweiterungen angemessen beurteilt wurden und Österreich insbesondere die notwendigen Maßnahmen ergriffen hat, um die Ergebnisse der Folgenabschätzung in die Praxis umzusetzen, d. h. nachdem eventuelle Ausgleichsmaßnahmen, die sich aus der UVP ergeben könnten, durchgeführt sind.
21. In ihren Anmerkungen trugen die Beschwerdeführer vor, dass die Kommission nach wie vor davon ausgehe, dass der ex-post-Umweltverträglichkeitsbericht, der vorgelegt wurde, akzeptabel sei, obwohl dieser nicht einmal annähernd einer Umweltverträglichkeitsprüfung entspreche. Die Kommission ignoriere alle ihr zur Kenntnis gebrachten Argumente. Sie ignoriere auch die Hinweise des Bürgerbeauftragten auf die Mängel des Verfahrens.
22. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass die Kommission nicht in Betracht gezogen hätte, dass der österreichische Rechnungshof in einem Bericht betreffend den Flughafen Wien die ex-post-UVP wie folgt beurteilt habe: „Hinsichtlich der Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung und des Rechtsschutzes entsprach dieses Verfahren nicht dem Standard eines UVP-Verfahrens.“
23. Die Kommission geriere sich als Diener der Luftfahrt. Sie habe Österreich vier Jahre lang ermöglicht, den Flughafen illegal auszubauen. Die Investitionskosten lägen mittlerweile bei rund 1,5 Milliarden Euro. Alle Ausbauten seien ohne UVP durchgeführt worden.
24. Nach Ansicht der Beschwerdeführer lag ein offensichtlicher Missstand in der Verwaltungstätigkeit vor.
25. Nach Prüfung des oben dargestellten Vorbringens war der Bürgerbeauftragte der Ansicht, dass es notwendig war, Einsicht in die Akte der Kommission zu nehmen.
26. Diese Einsichtnahme, die im Juni 2011stattfand, ergab, dass das Konzept für die ex-post-UVP der Kommission am 17. März 2008 übermittelt worden war. Sie bestätigte zudem, dass die österreichischen Behörden der Kommission im September 2008, im Juni 2009, im November 2009 und im Juli 2010 über den Fortgang der ex-post UVP berichtet hatten.
27. Die Einsichtnahme ergab darüber hinaus, dass die Akte keinen weiteren einschlägigen Schriftwechsel zwischen der Kommission und Österreich in der Zeit der Durchführung der ex-post-UVP enthielten. Insbesondere gab es keine Hinweise darauf, dass die Anmerkungen der Beschwerdeführer in dieser Zeit schriftlich mit den österreichischen Behörden diskutiert worden wären. Auch die Entscheidung des Bürgerbeauftragten zum Abschluss der Untersuchung zu der Beschwerde 1532/2008 vom 2. Dezember 2009 hatte offenbar keinen derartigen Schriftwechsel veranlasst.
28. In ihren Anmerkungen zum Bericht über die Einsichtnahme trugen die Beschwerdeführer vor, dass die Einsichtnahme ihr Vorbringen bestätigt habe, dass ihre Argumente entweder gar nicht oder nicht angemessen berücksichtigt worden seien.
29. Am 25. Juli 2011 leiteten die Beschwerdeführer eine Antwort an den Bürgerbeauftragten weiter, welche die Bundesministerin für Verkehr, Innovation und Technologie, Frau B., 8. Juli 2011 auf eine Reihe von Fragen von Abgeordneten des österreichischen Parlaments gegeben hatte. In dieser Antwort bestätigte Frau B., dass, der Natur des ex-post-Umweltverträglichkeitsberichts entsprechend, ein Rechtsmittel nach österreichischem Recht nicht möglich sei.
Die Beurteilung des Bürgerbeauftragten die zu einem Empfehlungsentwurf führte
30. Der Bürgerbeauftragte nahm die Bekräftigung der Kommission zur Kenntnis, das Vertragsverletzungsverfahren erst dann einzustellen, wenn sie sich vergewissert habe, dass etwaige relevante Auswirkungen angemessen bewertet worden sind und Österreich insbesondere die nötigen Schritte eingeleitet hat, um den Prüfungsergebnissen praktische Wirkung zu verleihen.. Diese Versicherung hatte den Bürgerbeauftragten veranlasst, seine erste Untersuchung in dieser Angelegenheit im Dezember 2009 abzuschließen.
31. Es war jedoch darauf hinzuweisen, dass zum Zeitpunkt jener Entscheidung die österreichischen Behörden die ex-post UVP noch nicht abgeschlossen hatten. Zu diesem Zeitpunkt wäre es daher für die Kommission einfach gewesen, bei den österreichischen Behörden einzuschreiten, um die vom Bürgerbeauftragten in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2009, aufgeworfenen Fragen anzusprechen.
32. Die Einsichtnahme in die Akte der Kommission im Juni 2011 ergab jedoch, dass die Kommission keine weiteren Maßnahmen eingeleitet, sondern lediglich auf den ihr durch die österreichischen Behörden vorzulegenden Abschlussbericht gewartet hatte.
33. Der Bürgerbeauftragte betonte, dass einige der vom ihm aufgeworfenen Fragen jedoch die Grundlage der ex-post-UVP betrafen. Insbesondere hatte der Bürgerbeauftragte darauf hingewiesen, dass unter den Umständen des Falls die Behauptung der Beschwerdeführer, durch die Hinzuziehung des BMVIT sei ein offensichtlicher Interessenkonflikt entstanden, auf den ersten Blick durchaus begründet zu sein schien. Darüber hinaus betonte der Bürgerbeauftragte die Bedeutung von Artikel 10a der Richtlinie 85/337/EWG und unterstrich, dass es bei weitem nicht sicher sei, dass Bürger in der Lage seien, nach österreichischem Recht im Hinblick auf die ex-post-UVP von einem Überprüfungsverfahren Gebrauch zu machen.
34. Der Bürgerbeauftragte vertrat daher die Auffassung, dass es für Kommission angemessen gewesen wäre, die von ihm in seiner Entscheidung zu der Beschwerde 1532/2008 aufgeworfenen Fragen zu prüfen. Er konnte nicht nachvollziehen, warum die Kommission offenbar keine diesbezüglichen Maßnahmen eingeleitet hatte. Es war richtig, dass der Bürgerbeauftragte in der genannten Entscheidung darauf hingewiesen hatte, dass er darauf vertraue, dass die Kommission diese Entscheidung gebührend beachten werde, wenn sie ihre endgültige Entscheidung über die Vertragsverletzungsbeschwerde der Beschwerdeführer treffe. Angesichts der Art der Fragen, die der Bürgerbeauftragte aufgeworfen hatte, konnte die Kommission dies jedoch kaum dahingehend verstehen, dass sie die Bearbeitung dieser Fragen bis zum Schluss aufschieben konnte.
35. Der Bürgerbeauftragte fügte hinzu, dass die Zweifel in Bezug auf die Verfügbarkeit von Mitteln zur Überprüfung im vorliegenden Fall, die der Bürgerbeauftragte in seiner Entscheidung vom 2. Dezember 2009 zum Ausdruck gebracht hatte, inzwischen von Feststellungen des Österreichischen Rechnungshofs bekräftigt worden waren.
36. In Anbetracht dessen war der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass der Beschwerdepunkt der Beschwerdeführer, die Kommission habe es offensichtlich versäumt, ihr Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich betreffend den Flughafen Wien ordnungsgemäß durchzuführen, in der Tat begründet war.
37. Der Bürgerbeauftragte unterbreitete der Kommission deshalb den folgenden Empfehlungsentwurf:
Die Kommission sollte ihre Herangehensweise in Bezug auf die Vertragsverletzungsbeschwerde der Beschwerdeführer betreffend den Flughafen Wien korrigieren, die vom Bürgerbeauftragten in seiner Entscheidung zum Abschluss der Untersuchung zu der Beschwerde 1532/2008 vom 2. Dezember 2009 hervorgehobenen Unzulänglichkeiten angehen und ihre Prüfung so schnell wie möglich abschließen.
Die Argumente, die dem Bürgerbeauftragten nach seinem Empfehlungsentwurf vorgetragen wurden
38. In ihrer begründeten Stellungnahme zu dem Empfehlungsentwurf erinnerte die Kommission daran, dass zu dem Zeitpunkt, als sie auf den Verstoß aufmerksam gemacht wurde, die meisten der fraglichen Bauprojekte am Flughafen Wien bereits realisiert waren oder sich unmittelbar vor dem Abschluss befanden. Die Kommission machte geltend, dass sie ihren Ermessensspielraum genutzt und von weiteren Verfahrensschritten gegen Österreich unter der Voraussetzung abgesehen habe, dass die österreichischen Behörden zu diesen Projekten eine UVP auf Ex-post-Basis durchführten. Dieser Haltung lag insbesondere die Überlegung zugrunde, dass eventuell im Verlauf der fraglichen Projekte aufgetretene Folgen nicht mehr Gegenstand von Abhilfemaßnahmen sein können, dass aber Auswirkungen durch die Nutzung der bereits gebauten Flughafeninfrastruktur immer noch festgestellt und durch korrektive Maßnahmen angegangen werden könnten. Eine ex-post-UVP konnte also dazu beitragen, mögliche Maßnahmen zu definieren, die zur Vermeidung, Abmilderung oder zur Kompensation solcher wahrscheinlichen erheblichen Folgen geeignet wären.
39. Die Kommission trug vor, dass der Empfehlungsentwurf des Bürgerbeauftragten als Aufforderung interpretiert werden könnte, das gesamte Verfahren der ex-post-UVP neu zu beginnen. Nach Auffassung der Kommission wäre dies nicht durchführbar und unverhältnismäßig. Die Kommission führte weiter aus, dass die kumulativen Umweltfolgen der fraglichen Projekte bereits in dem regulären UVP-Verfahren für die neue dritte Piste inbegriffen seien, das derzeit in voller Übereinstimmung mit der UVP-Richtlinie, einschließlich ihres Artikels 10a, durchgeführt werde.
40. Die Kommission erklärte, sie habe in der Zwischenzeit ihre Bewertung des von den österreichischen Behörden vorgelegten Berichts abgeschlossen und letztere um weitere Informationen und Klarstellungen gebeten. Insbesondere habe die Kommission die österreichischen Behörden gebeten, zu bestätigen, dass die Öffentlichkeit ordnungsgemäß informiert worden sei und dass die Ergebnisse des Verfahrens der Öffentlichkeit offiziell zugänglich gemacht würden. In diesem Zusammenhang betonte die Kommission, dass sie den Schlussbericht des BMVIT nicht als formale Entscheidung zu den Ergebnissen der ex-post-UVP und der Ausgleichsmaßnahmen betrachte. Zur Klärung, und um den Kommentaren des Bürgerbeauftragten Rechnung zu tragen, habe die Kommission Österreich außerdem gebeten, zu erklären, ob die Entscheidung der Behörden zu den Ergebnissen der ex-post-UVP, insbesondere zu den Ausgleichsmaßnahmen, einer rechtlichen Überprüfung unterzogen werden könnten. Schließlich machte die Kommission geltend, sie habe Österreich um die Bestätigung ersucht, dass die zuständigen Umweltbehörden in den Prozess der ex-post-UVP einbezogen worden seien, wie in Artikel 6 Absatz 1 der UVP-Richtlinie für eine ex-ante-UVP vorgesehen, und wies darauf hin, dass der Abschlussbericht in dieser Hinsicht nicht klar gewesen sei.
41. Die österreichischen Behörden hätten in ihrer Antwort erklärt, dass, soweit die Möglichkeit rechtlicher Abhilfemaßnahmen im Zusammenhang mit der ex-post-UVP betroffen sei, der Betreiber des Flughafens Wien sich verpflichtet habe, alle in dem Verfahren genannten Maßnahmen durchzuführen und dass diese Durchführung vom BMVIT überwacht werden würde. Sollten die Abmilderungsmaßnahmen nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden, könnten die Behörden sie auf der Grundlage von Artikel 141 des österreichischen Luftfahrtgesetzes durchsetzen. Zusätzlich hätten sich die österreichischen Behörden auf die Vereinbarung bezogen, die als Ergebnis eines Mediationsverfahrens, das im Zusammenhang mit der Flughafenerweiterung durchgeführt worden war, abgeschlossen worden sei. Die in diesem Verfahren vereinbarten Abmilderungsmaßnahmen könnten zivilrechtlich durch die Bürger durchgesetzt werden, die die Vereinbarung unterzeichnet hatten. Schließlich hätten die österreichischen Behörden auf die UVP für die geplante dritte Piste des Flughafens Wien hingewiesen, die ebenfalls die Auswirkungen der Projekte berücksichtigen würde, die Gegenstand der ex-post-UVP waren. Dieses Verfahren würde mit einer Entscheidung abgeschlossen werden, die in Übereinstimmung mit Artikel 10a der Richtlinie 85/337 rechtlich überprüft werden könnte.
42. Die Kommission erklärte, sie habe die Entscheidung des Bürgerbeauftragten vom 2. Dezember 2009 unter Berücksichtigung des Abschlussberichts über die ex-post-UVP sowie der weiteren von den österreichischen Behörden vorgelegten Informationen einer sorgfältigen erneuten Prüfung unterzogen.
43. Die Kommission räumte ein, dass die von den österreichischen Behörden für das mit der Kommission vereinbarte Verfahren verwendete Formulierung – „ex-post-Umweltverträglichkeitsbericht“ anstatt „ex-post-Umweltverträglichkeitsprüfung“ – anfangs möglicherweise irreführend gewesen sein könnte. Sie betonte jedoch, dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass das durchgeführte Verfahren einen nachträglichen Prüfungsprozess („ex-post-Umweltprüfung“) beinhalten und sich nicht einfach auf einen Bewertungsbericht beschränken sollte.
44. Was die Beteiligung des BMVIT als derjenigen Behörde, die einige der fraglichen Projekte genehmigt hatte, an dem ex-post-UVP-Verfahren betraf, ging die Kommission davon aus, dass das Ministerium als Verwaltungsorgan auf der Grundlage des Legalitäts- und Rechtsstaatsprinzips gehandelt habe. Die bloße Tatsache, dass das BMVIT einige der Genehmigungen im Hinblick auf den Flughafen Wien erteilt hatte, rechtfertigte nach Auffassung der Kommission nicht die Behauptung, es habe ein offensichtlicher Interessenkonflikt vorgelegen.
45. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit von Artikel 10a der Richtlinie 85/337 wies die Kommission darauf hin, dass sie die Frage erneut geprüft habe und nach wie vor davon überzeugt sei, dass es nach EU-Recht keine Rechtsgrundlage gebe, die die österreichischen Behörden dazu verpflichtet hätte, diese Bestimmung bei den Verhandlungen des Konzepts für die ex-post-UVP anzuwenden, die, so weit wie möglich, eine ex-ante-UVP nachempfinden sollte. Daher wäre die Anwendung von Artikel 10a nur dann in Betracht zu ziehen und eventuell erforderlich gewesen, wenn diese Bestimmung im Fall einer ex-ante-UVP für die fraglichen Erweiterungsarbeiten gegolten hätte. Artikel 10a sollte jedoch nach der Richtlinie 2003/35/EG bis zum 25. Juni 2005 umgesetzt werden. Laut den in dem Konzept für eine ex-post-UVP enthaltenen Informationen waren die Anträge für die fraglichen Projekte vor diesem Datum bei den österreichischen Behörden eingereicht worden, und die meisten Projekte waren bis Juni 2005 fertig gestellt. Allerdings glaube die Kommission, dass dieser Mangel durch die laufende UVP für die neue dritte Piste am Flughafen Wien korrigiert werden könnte. Bei dieser neuen Prüfung wären die kumulativen Folgen bereits bestehender Gebäude und Einrichtungen zu berücksichtigen, einschließlich derjenigen, die Gegenstand der ex-post-UVP waren. Auf diese reguläre UVP sei Artikel 10a voll anzuwenden.
46. Die Kommission fügte hinzu, dass sie sich diesbezüglich nicht an die österreichischen Behörden gewandt hatte, bevor sie den Schlussbericht über die ex-post-UVP erhalten hatte, da sie ihre Position zu diesen vorwiegend juristischen Fragen bereits im Zusammenhang mit der Untersuchung des Bürgerbeauftragten zur Beschwerde 1532/2008/(WP)GG mitgeteilt habe. Die Kommission habe es daher für sinnvoll gehalten, die abschließende Bewertung erst nach dem Eingang des Schlussberichts und unter Berücksichtigung der Bemerkungen in der Entscheidung des Bürgerbeauftragten vorzunehmen.
47. Abschließend äußerte die Kommission, sie erachte vor dem Hintergrund der oben aufgeführten Erläuterungen ihre Herangehensweise bei der Bearbeitung dieses Falls als richtig.
48. Wie oben ausgeführt, legten die Beschwerdeführer keine inhaltlichen Anmerkungen zu der ausführlichen Stellungnahme der Kommission vor.
Die Beurteilung des Bürgerbeauftragten nach dem Empfehlungsentwurf
49. Der Bürgerbeauftragte hält es für nützlich, daran zu erinnern, dass er in seiner Entscheidung zu der Beschwerde 1532/2008/(WP)GG die Entscheidung der Kommission, Österreich zur Durchführung einer ex-post-UVP aufzufordern, welche die Umweltauswirkungen des Projekts in Übereinstimmung mit den in der Richtlinie 85/337 festgelegten Kriterien objektiv bewerten und es so ermöglichen würde, auf wissenschaftlicher Basis zu bestimmen, ob Ausgleichsmaßnahmen getroffen werden müssten, in diesem konkreten Fall grundsätzlich als angemessen und sinnvoll beurteilt hatte. Im vorliegenden Fall ist daher zu prüfen, ob die Kommission sichergestellt hat, dass diese ex-post-UVP in der Tat ordnungsgemäß durchgeführt wurde.
50. In diesem Zusammenhang erinnert der Bürgerbeauftragte ferner daran, dass sich die diesbezüglichen Zweifel, die er sowohl in seiner Entscheidung zu der Beschwerde 1532/2008/(WP)GG als auch in seinem Empfehlungsentwurf im vorliegenden Fall äußerte, sich insbesondere auf zwei Punkte konzentrierten, nämlich (1) die Anwendbarkeit von Artikel 10a der Richtlinie 85/337 und (2) den Interessenkonflikt, in dem sich die mit der Durchführung der ex-post-UVP beauftragte Behörde befand.
51. Der Bürgerbeauftragte sieht sich zu seinem Bedauern zu der Schlussfolgerung veranlasst, dass die begründete Stellungnahme der Kommission diese Zweifel nicht ausräumen konnte.
52. Was den ersten der oben genannten Punkte angeht, führte die Kommission an, dass Artikel 10a der Richtlinie 85/337 in zeitlicher Hinsicht nicht hätte angewendet werden müssen, wenn die fraglichen Arbeiten vor ihrer Ausführung einer UVP unterzogen worden wären. Nach Ansicht des Bürgerbeauftragten ist dieses Argument plausibel.
53. Der Bürgerbeauftragte ist allerdings nicht von dem weiteren Argument der Kommission überzeugt, dass Artikel 10a der Richtlinie 85/337 somit auch nicht auf die ex-post-UVP anzuwenden sei, da letztere so weit wie möglich einer ex-ante-UVP nachempfunden sein sollte. Die maßgebliche Bestimmung betrifft nicht die durchzuführende Prüfung, sondern die Rechtsschutzmöglichkeiten, die den Bürgern diesbezüglich zur Verfügung gestellt werden sollen. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten gibt es keinen zwingenden Grund dafür, dass diese Bestimmung nicht auf eine ex-post-UVP wie die im vorliegenden Fall durchgeführte Prüfung angewendet werden sollte. Es waren die Behörden des betroffenen Mitgliedstaats, die es versäumten, eine UVP zu dem Zeitpunkt durchzuführen, zu dem dies geschehen hätte sollen. Da das anwendbare Recht sich seither weiterentwickelt hat, dürfte es nur recht und billig sein, im Interesse der betroffenen Bürger die Berücksichtigung dieser Änderungen bei der Durchführung einer ex-post-UVP zu fordern.
54. Zudem kann der Bürgerbeauftragte nicht umhin, festzustellen, dass diese Auffassung ursprünglich offenbar von der Kommission geteilt wurde. Die in der begründeten Stellungnahme verwendete Formulierung, nach der die Kommission „nach wie vor die Auffassung" vertrete, dass Artikel 10a im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, suggeriert eine Kontinuität ihres Ansatzes, die ganz einfach nicht existierte. Während seiner Untersuchung der Beschwerde 1532/2008/(WP)GG bat der Bürgerbeauftragte die Kommission um ihre Meinung zu diesem spezifischen Punkt. In ihrer Antwort erklärte die Kommission, ihres Erachtens "können die Aspekte, die unter die ex-post-UVP fallen, in Übereinstimmung mit Artikel 10a der Richtlinie einen rechtlichen Prüfung unterzogen werden“. Als der Bürgerbeauftragte die Kommission um eine weitere Klärung dieses Punkts bat, fügte sie hinzu, dass Artikel 10a der UVP-Richtlinie „selbst im Rahmen einer Ex-post-UVP dahingehend auszulegen sei, dass im Zusammenhang mit Verwaltungsentscheidungen über weitere Maßnahmen infolge der Ex-post-UVP der Zugang zu Gerichten ermöglicht wird.“[3]
55. In ihrer Stellungnahme zu der vorliegenden Beschwerde, in der die Beschwerdeführer auf das Problem der Anwendbarkeit von Artikel 10a der Richtlinie 85/337 besonderes Gewicht legten, ging die Kommission auf diesen Punkt überhaupt nicht ein. Der Bürgerbeauftragte stellt fest, dass die Kommission erst in ihrer begründeten Stellungnahme zu dem Empfehlungsentwurf erstmals geltend machte, die genannte Bestimmung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. Offenbar führte die Kommission also fast dreieinhalb Jahre, nachdem sie durch den Bürgerbeauftragten erstmals mit dem Thema konfrontiert worden war, ein völlig neues Argument ins Feld.
56. Nach Auffassung des Bürgerbeauftragten legt ein Vergleich der verschiedenen Äußerungen der Kommission nahe, dass diese es entweder nicht für nötig hielt, sorgfältig zu prüfen, ob Artikel 10a der Richtlinie 85/337 auf die ex-post-UVP anwendbar war, oder dass sie Erklärungen abgab, die die Beschwerdeführer und den Bürgerbeauftragten zu der Überzeugung gelangen lassen mussten, dass die genannte Bestimmung anwendbar war, obwohl die Kommission das Gegenteil glaubte. Der Bürgerbeauftrage ist der Auffassung, dass jede dieser möglichen Interpretationen eine gravierende Nichteinhaltung der Prinzipien einer guten Verwaltung deutlich machen würde. Er ist daher der Auffassung, dass das Parlament die Möglichkeit erhalten sollte, die Angelegenheit zu prüfen.
57. In ihrer begründeten Stellungnahme vertrat die Kommission die Ansicht, dass die laufende UVP für die neue dritte Piste am Flughafen Wien die Tatsache ausgleichen könne, dass die in Artikel 10a vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten im Hinblick auf die ex-post-UVP nicht verfügbar waren.[4] Dem Bürgerbeauftragte ist es rätselhaft, wie eine UVP für ein spezifisches neues Projekt die Mängel einer UVP für ein anderes Projekt ausgleichen könnte. Die UVP für die neue Piste am Flughafen Wien dient der Bewertung der Umweltfolgen dieses neuen Projekts und nicht derjenigen früherer Projekte.
58. Was das zweite der oben unter Ziffer 50 genannten Probleme betrifft, so kann der Bürgerbeauftragte nur seine Meinung wiederholen, dass eine Behörde, die Genehmigungen für Bauarbeiten erteilt hat, ohne dass die nötige UVP durchgeführt worden wäre, zwangsläufig in einen Interessenkonflikt geraten muss, wenn sie dann mit der Durchführung einer ex-post-UVP beauftragt wird.
59. In ihrer begründeten Stellungnahme führte die Kommission zu dieser Frage an, dass das zuständige Ministerium auf der Grundlage des Legalitäts- und Rechtsstaatsprinzips handele. Der Bürgerbeauftragte möchte erneut daran erinnern, dass das besagte Ministerium einige der Genehmigungen für durchzuführende Arbeiten erteilt hatte, obwohl die vorgeschriebene UVP nicht durchgeführt worden war. Das Argument der Kommission ist daher offensichtlich nicht überzeugend.
60. Der Bürgerbeauftragte gelangt deshalb zu der Auffassung, dass die Kommission das Argument der Beschwerdeführer, das betroffene Ministerium habe sich im vorliegenden Fall in einem offensichtlichen Interessenkonflikt befunden, offenkundig nicht überzeugend beantwortet hat. Angesichts der Tragweite dieses Problems ist der Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass das Parlament auch mit dieser Frage befasst werden sollte.
B. Die Empfehlung des Bürgerbeauftragten
Der Bürgerbeauftragte spricht daher die folgende Empfehlung an die Kommission aus:
Die Kommission sollte ihre Herangehensweise in Bezug auf die Vertragsverletzungsbeschwerde der Beschwerdeführer betreffend den Flughafen Wien neu überdenken und die vom Bürgerbeauftragten angesprochenen Mängel beheben. Dies bedeutet, dass die Kommission bei weiteren Maßnahmen in dem Vertragsverletzungsverfahren berücksichtigen sollte, dass die nationalen Behörden (1) den Zugang der Beschwerdeführer zu einem Überprüfungsverfahren sicherstellen müssen und (2) dafür sorgen müssen, dass Schritte unternommen werden, um einem offensichtlichen Interessenkonflikt bei der Anwendung der Richtlinie 85/337 zu begegnen.
Das Europäische Parlament könnte die Annahme einer entsprechenden Entschließung in Erwägung ziehen.
Professor Dr. P. Nikiforos Diamandouros
Straßburg, den 14. Mai 2012
[1] Beschluss des Europäischen Parlaments vom 9. März 1994 über die Regelungen und allgemeinen Bedingungen für die Ausübung der Aufgaben des Bürgerbeauftragten (94/262/EGKS, EG, Euratom), ABl. 1994 L 113, S. 15; zuletzt geändert durch Beschluss des Europäischen Parlaments vom 18. Juni 2008 (ABl. 2008 L 189, S.25).
[2] ABl. L 175, S. 40. Diese Richtlinie wurde geändert durch die Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 (ABl. 2003 L 156, S. 17) und die Richtlinie 2009/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 (ABl. 2009 L 140, S. 114).
[3] Siehe Ziffer 90 der Entscheidung des Bürgerbeauftragten über die Beschwerde 1532/2008/(WP)GG.
[4] Es ist interessant festzustellen, dass die Kommission in diesem Zusammenhang von einem "Mangel" spricht. Dies könnte darauf hindeuten, dass sie selbst Zweifel an der Richtigkeit ihrer Position hat, derzufolge Artikel 10a der Richtlinie 85/337 nicht auf die Ex-post-UVP anzuwenden ist.
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