Sie möchten Beschwerde gegen ein EU-Organ oder eine EU-Einrichtung einlegen?
- Als PDF-Datei exportieren
- Short-Link dieser Seite erstellen
- Diese Seite teilen aufTwitterFacebookLinkedin
Entscheidung über die Weigerung des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD), der Öffentlichkeit Zugang zu einem Dokument über das Verbot von politischen Parteien in der Ukraine zu gewähren (Fall 952/2022/MIG)
Entscheidung
Fall 952/2022/MIG - Geöffnet am Mittwoch | 11 Mai 2022 - Entscheidung vom Donnerstag | 18 August 2022 - Betroffene Institution Europäischer Auswärtiger Dienst ( Kein Missstand festgestellt )
Der Fall betraf einen Antrag auf Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten über das unlängst erlassene Verbot von elf politischen Parteien in der Ukraine. Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) ermittelte zwei Dokumente, die in den Geltungsbereich des Antrags des Beschwerdeführers fallen. Er gewährte Zugang zu Teilen eines Dokuments und verweigerte den Zugang zu dem anderen Dokument. Dabei berief er sich auf Ausnahmen gemäß den Rechtsvorschriften der EU für den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten und machte geltend, dass die Offenlegung des Dokuments das öffentliche Interesse im Hinblick auf die Verteidigung und militärische Belange und die internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnte. Nach Auffassung des Beschwerdeführers besteht ein überwiegendes öffentliches Interesse an einer Offenlegung.
Das Untersuchungsteam der Bürgerbeauftragten nahm Einsicht in das fragliche Dokument und erhielt weitere, vertrauliche Erklärungen des EAD. Aufgrund dessen und in Anbetracht des breiten Ermessensspielraums, über den EU-Organe verfügen, wenn sie der Auffassung sind, dass die Verteidigung und militärische Belange sowie die internationalen Beziehungen gefährdet sind, stellte die Bürgerbeauftragte fest, dass die Entscheidung des EAD, den Zugang zu verweigern, nicht offenkundig falsch war. Da das nach Auffassung des EAD zu schützende öffentliche Interesse nicht durch ein anderes öffentliches Interesse ausgehebelt werden kann, das als wichtiger erachtet wird, stellte die Bürgerbeauftragte überdies fest, dass der Beschwerdeführer zwar eine wichtige Frage angesprochen habe, seine Argumente jedoch keine Offenlegung rechtfertigen. Die Bürgerbeauftragte stellte fest, dass der EAD Grund hatte, den Zugang der Öffentlichkeit zu dem angeforderten Dokument zu verweigern. Sie kam daher zu dem Schluss, dass kein Missstand in der Verwaltung vorliege, und hat den Fall abgeschlossen.
Hintergrund der Beschwerde
1. Im März 2022 stellte der Beschwerdeführer gegenüber dem EAD einen Antrag[1] auf Zugang der Öffentlichkeit und beantragte Zugang zu allen Dokumenten im Zusammenhang mit dem Verbot von elf politischen Parteien durch die ukrainische Regierung.
2. Der EAD ermittelte zwei Dokumente, die in den Geltungsbereich des Antrags des Beschwerdeführers auf Zugang fallen, nämlich „Ares (2022)2030230 UKRAINE – FLASH REPORT- RUSSIA’s WAR on UKRAINE – Day 25“ (UKRAINE – KURZBERICHT – RUSSLANDS KRIEG gegen die UKRAINE – Tag 25) und „Ares (2022)2230611 UKRAINE – 1 month of war from Kyiv perspective“ (UKRAINE – nach einem Monat Krieg aus der Perspektive Kiews).
3. Der EAD hat Teile des ersten Dokuments offengelegt und den Zugang zum zweiten Dokument verweigert, wobei er sich auf die Notwendigkeit berief, die Verteidigung und militärische Belange sowie die internationalen Beziehungen zu schützen.
4. Im April 2022 beantragte der Beschwerdeführer eine Überprüfung der Entscheidung des EAD in Bezug auf das zweite Dokument (er stellte einen „Zweitantrag“). Der EAD bestätigte daraufhin seine Weigerung, der Öffentlichkeit Zugang zu dem angeforderten Dokument zu gewähren.
5. Da diese Entscheidung aus Sicht des Beschwerdeführers nicht zufriedenstellend war, wandte er sich im Mai 2022 an die Bürgerbeauftragte.
Die Untersuchung
6. Die Bürgerbeauftragte leitete eine Untersuchung ein, und ihr Untersuchungsteam sichtete das fragliche Dokument. Das Untersuchungsteam traf sich auch mit den Vertretern des EAD, um weitere Informationen über die Gründe einzuholen, weshalb der Öffentlichkeit der Zugang verweigert worden war.
Vorgebrachte Argumente
7. In seinem Zweitantrag erklärte der Beschwerdeführer, dass der EAD zumindest Zugang zu Teilen des Dokuments gewähren sollte, zumal die fraglichen Informationen eine Einschränkung von Grundrechten betreffen und angesichts des Umstands, dass möglicherweise EU-Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine geführt werden.
8. Was den Umfang des Antrags des Beschwerdeführers auf Zugang betrifft, so stellten die Vertreter des EAD klar, dass ihrer Ansicht nach nur ein Absatz des fünfseitigen Dokuments in den Geltungsbereich des Antrags des Beschwerdeführers fällt.
9. In seiner ursprünglichen Entscheidung über den Antrag auf Zugang erklärte der EAD, dass das fragliche Dokument Informationen über und Bewertungen der militärischen Lage und der Verhandlungen sowie Informationen und Empfehlungen zu den Standpunkten und Maßnahmen der EU enthalte. Deren Offenlegung würde zu einem Vertrauensbruch zwischen den Organen der EU und ihren Mitgliedstaaten führen und die bilateralen Beziehungen zu Drittländern beeinträchtigen. Es sei daher wesentlich, diese Informationen und Analysen sowie alle Daten, die – wenn auch nur indirekt – darauf hindeuten könnten, wie Nachrichtendienste und diplomatische Dienste solche Informationen zusammenstellen, zu schützen. Der EAD kam zu dem Schluss, dass durch eine Offenlegung das öffentliche Interesse in den Bereichen Verteidigung und militärische Belange sowie internationale Beziehungen beeinträchtigt würde.[2]
10. Während des Treffens mit dem Untersuchungsteam fügten die Vertreter des EAD hinzu, dass die beiden angeführten Ausnahmen miteinander zusammenhängen. Außerdem legte der Dienst weitere, vertrauliche Erklärungen dazu vor, wie diese öffentlichen Interessen durch eine Offenlegung beeinträchtigt werden könnten.
Beurteilung der Bürgerbeauftragten
11. Die EU-Organe verfügen bei der Entscheidung darüber, ob die Offenlegung eines Dokuments den Schutz der Verteidigung und der militärischen Belange sowie den Schutz der internationalen Beziehungen beeinträchtigen könnte, über einen weiten Ermessensspielraum.[3]
12. Die Untersuchung der Bürgerbeauftragten zielt demgemäß darauf ab, zu beurteilen, ob die Bewertung des EAD, auf der seine Entscheidung basiert, den Zugang zu dem fraglichen Dokument zu verweigern, offensichtlich fehlerhaft war.
13. Zu diesem Zweck prüfte das Untersuchungsteam der Bürgerbeauftragten das Dokument und erhielt weitere vertrauliche Erklärungen von den Vertretern des EAD. Der EAD sah sich nicht in der Lage, die in diesen Erklärungen enthaltenen Informationen an den Beschwerdeführer weiterzugeben, da dies genau die Interessen, die der EAD durch das Zurückhalten der fraglichen Informationen schützen will, untergraben hätte. Auf dieser Grundlage stellt die Bürgerbeauftragte fest, dass es aus Sicht des EAD nicht offensichtlich falsch gewesen sei, davon auszugehen, dass durch eine Offenlegung der fraglichen Informationen die Verteidigung und militärische Belange sowie die internationalen Beziehungen der EU beeinträchtigt werden könnten.
14. Die nach Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung 1049/2001 geschützten öffentlichen Interessen können nicht durch ein anderes öffentliches Interesse ersetzt werden, das als wichtiger erachtet wird. Dies bedeutet, dass ein Organ, das der Auffassung ist, dass eines dieser Interessen durch eine Offenlegung beeinträchtigt werden könnte, den Zugang verweigern muss. Daher konnten die Argumente des Beschwerdeführers in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden.
15. In Anbetracht der vorstehenden Ausführungen ist die Bürgerbeauftragte der Auffassung, dass der EAD berechtigt war, der Öffentlichkeit den Zugang zu dem fraglichen Dokument (d.h. dem relevanten Teil des Dokuments) zu verweigern.
16. Angesichts der Sensibilität der in dem betreffenden Dokument enthaltenen Informationen ist die Bürgerbeauftragte ferner der Auffassung, dass der EAD dem Beschwerdeführer ausreichende Gründe für seine Entscheidung, den Zugang zu verweigern, geliefert hat.
Schlussfolgerung
Auf Grundlage der Untersuchung schließt die Bürgerbeauftragte diesen Fall mit der folgenden Schlussfolgerung ab:
Es liegt kein Missstand in der Verwaltungstätigkeit des Europäischen Auswärtigen Dienstes vor, weil er es abgelehnt hat, der Öffentlichkeit Zugang zu dem fraglichen Dokument zu gewähren.
Der Beschwerdeführer und der EAD werden von dieser Entscheidung in Kenntnis gesetzt.
Emily O'Reilly
Europäische Bürgerbeauftragte
Straßburg, den 18/08/2022
[1] Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=celex%3A32001R1049.
[2] Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a, zweiter und dritter Gedankenstrich der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001.
[3] Siehe beispielsweise das Urteil des Gerichts vom 11. Juli 2018, ClientEarth/Kommission, T-644/16: https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=203913&pageIndex=0&doclang=EN&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=46943.
- Als PDF-Datei exportieren
- Short-Link dieser Seite erstellen
- Diese Seite teilen aufTwitterFacebookLinkedin